II. VI

26 5 0
                                    

Die Turmuhr überragt das Gebiet von weitem und zeigt somit nahe zu jedem mit ihren großen Zeigern, dass es nur wenigen Minuten vor Mitternacht sind. Wolken ziehen sich über den Himmel und verdecken immer wieder den strahlenden Mond und die Stille kehrt einsam durch die Gassen.
Lediglich eine einzige Gestalt läuft bereits seit mehreren Minuten alleine durch die Gegend, immer wieder tief ein und aus atmend zieht er seine Runden. Er weiß um das Augenpaar in seinem Rücken Bescheid, folgt es ihm doch stets zu seiner eigenen Sicherheit.
Weiß er doch genauso sehr um die Gefahr, die er auf sich nimmt. Man hatte ihn immerhin darum gebeten, seinen Spaziergängen nicht mehr nachzugehen und doch lieber nur noch die Kutschen zu nehmen.
Doch er hat genug und heute würde er dem Spuk ein Ende setzen. Verflucht sei die Militärpolizei, die nicht dazu in der Lage ist! Dass er sich selbst die Hände schmutzig machen muss ist eigentlich eine Frechheit! Doch dazu ist er bereit. Sofern er überhaupt recht hat.
Denn falls sein Instinkt ihn enttäuscht hat und er gar nicht auf der verfluchten Liste steht, zieht er gerade umsonst seine Runden in der Kälte. Erneut einen tiefen Atemzug einnehmend und genervt ausatmend, schließt er kurz die dunklen Augen.
Nur um sie im nächsten Moment wieder auszureißen, als er plötzlich das Donnern von Hufen auf dem Stein vernimmt. Also doch!
Er kann sich gerade noch umdrehen, da blickt er dem stolzen Tier in die dunkeln Augen. Das Gesicht des Reiters kann er entgegen seines Planes nicht erkennen, doch die typische Klinge für das Militär erkennt er direkt.
Sie hebt sich geschwind empor und gleichzeitig weiten sich seine Augen, das war es.

'Peng!'

Das Tier mit der weißen Schläfe wiehert laut auf, bevor es mit einem dumpfen Prall zu Boden fällt und etwas über die Steine rutscht. Der Reiter macht ebenfalls mit einem dumpfen Knall Bekanntschaft mit dem Boden und für einen Moment schaut der Mann erschrocken drein, sein Schütze hatte es geschafft!
"Nicht so schnell~"
Woher der Mann hinter ihm plötzlich aufgetaucht ist, weiß er nicht, er hatte ihn nicht bemerkt und auch sie dich das Messer durch seine Lunge bohrte, nahm er erst wahr, als es schon plötzlich in seinem Körper steckte. Ungläubig starrt er an sich herunter und hustet im nächsten Moment Blut.
Dieses Mal war sein Schütze zu spät, denn als er erneut schießt, entfernt der Mörder sich bereits und zieht das Messer heraus.
"Scheiße geht es di-"
"MACHT DEN SCHEIß SCHÜTZEN KALT VERDAMMT NOCHMAL!"
Die weibliche Stimme halt durch die ganze Straße. Bebt nahezu vor Wut, während sich die Reiterin wieder aufrappelt und ihre Klingen wegpackt. Ihre Komplizen schauen nur kurz besorgt, bevor sie sich innerhalb von Sekunden mit Hilfe ihrer 3D Manövern auf die Häuser schwingen, dem Schützen entgegen, um auch sein Licht zu erlöschen.

Das niemand hinauskommt ist nicht verwunderlich, doch das sich kein einziges Licht eröffnet wirkt seltsam.
Und dennoch ist die Frau sich sicher, dass mindestens ein Augenpaar zu viel das ganze beobachtet hat. "Scheiße verdammt", flucht sie erneut und dreht sich dann zu ihrem Pferd. Als sie bemerkt, dass das Tier wieder auf den Beinen steht, atmet sie erleichtert aus. "Scheiße Aztec ich dachte das war's", flüstert sie dem braunen Wallach zu und richtet dabei schnellstens den Sattel, welcher beim Sturz verrutscht ist. Das, dass Tier sein linkes Hinterbein nicht aufsetzt, ist ihr direkt aufgefallen. Doch kein Wunder, am Oberschenkel ist nicht nur Blut vom Sturz, sondern auch vom Schuss.
"Gar nicht gut", flüstert sie leise und mustert die Verletzung kurz genauer. Als ihre Finger langsam zu dieser hin wandern, zuckt das Tier plötzlich zusammen.
"Scheiße!", flucht sie leise auf und kramt aus einer Tasche eine Decke heraus, welche sie auseinander faltet und über das Tier wirft, sodass weder die Verletzung noch der Sattel zu erkennen ist.
"Sag mir,dass du laufen kannst ", murmelt sie dann dem braunen Wallach zu und zieht sanft an seinen Trense. Für einen Moment starrt das Tier sie einfach nur an. Doch Aztec scheint verstanden zu haben, sei es an ihrer Anspannung oder der allgemeinen Hektik, dass sie weg von dem Platz mussten, den wenige Sekunden später setzt er sich in Bewegung.

Dass sie unbemerkt vom Tatort entkommen sind, grenzt an ein Wunder. Ein noch größeres Wunder vermag es jedoch zu sein, wenn sie trotz des Patzers nicht von der Polizei geschnappt werden. Den Fall zu vertuschen ist unmöglich.

"Ich sage, wie es ist: Der Gaul muss weg."
Keine Stunde später befinden sich alle wieder im geheimen Quartier. Versuchen von der Mission, die alles andere als geplant verlief, herunterzukommen und Notfallpläne zu erschaffen.

Zwar hatten sie den Schützen im Nachhinein noch erwischt und konnten seinen Tod wie einen Selbstmord darstellen. Sodass aus man theoretisch die Geschichte spinnen könnte, dass er der Mörder war, welcher den Herren auf der Straße getötet hat und dann sich selbst. Doch jeder der Anwesenden wusste, dass es womöglich mehrere Zeugen gab.
"Komm runter. Mit der Verletzung kann er sowieso erstmal nicht mitkommen", murrt ein Mann und zündet sich dabei eine Zigarette an, während seine blauen Augen die kupferfarbene Frau beobachten, die sich um das Tier kümmert.
"Ich hab die Kugel herausbekommen und seine Wunde versorgt, aber es wird lange brauchen bis es verheilt ist", kommentiert sie und streicht dem Tier dabei sanft über den Hals.
"Darum geht es doch gar nicht. Der Kerl ist auffällig wie sonst etwas! Es reicht, dass eine Person ihn gesehen hat und wiedererkennt und wir sind alle gefickt", erklärt der Mann und säubert währenddessen weiter sein Messer mit einem Lösungsmittel.
Für einen Moment herrscht Stille. Er hatte recht. Aztec war mit seinem braunen Fell zwar kein Einzelfall, doch die weiße Schläfe und insbesondere die weißen Flecken mit den schwarzen Überzügen an seinen Beinen waren Wiedererkennung Merkmale.
"Und was willst du damit machen? Ihn einfach mitten in der Stadt freilassen?", brummt der Schwarzhaarige, bevor er erneut an seiner Zigarette zieht. "Mal davon abgesehen, dass wir nur ein Pferd haben und eins brauchen." Dass dies kein Argument ist, vor allem während das Tier verletzt ist, ist ihm bewusst. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass die Frau an dem Tier hängt. Es ist ihr letztes Familienmitglied und es aufzugeben wiegt schwer.

Allerdings seufzt die Frau und unterbricht so die Streiterei der zwei Männer. "Er hat recht", meint sie und streicht erneut sanft über Aztecs Fell, der nur leicht seinen Kopf hebt und seine Freundin so zur Kenntnis nimmt.
"Er muss weg", murmelt sie dann in Gedanken scheinbar komplett woanders.
Für einen Moment tauschen die Männer leicht unsicher ihre Blicke miteinander aus, bevor er Schwarzhaarige seine Zigarette nach dem letzten Zug ausdrückt und zu ihr schaut.
"Was hast du vor?", fragt er leicht besorgt, um ihr wohlergehen, allerdings summt sie als Antwort nur.
"Ich hab da so eine Idee. Auch, wie ich an ein neues Pferd komme."

・Grace • Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt