Kapitel 2

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Ich beobachtete Dark und zog die Augenbrauen zusammen. Er trank genüsslich den letzten Tropfen des Alkohols und seufzte zufrieden auf, warf die Flasche anschließend gegen einen anderen, nahe liegenden Baum. Sie zersprang laut klirrend in mehrere Stücke.
Ja, schönen Dank auch, waren ja nur meine Rubine, die ich dafür hingeblättert hatte.
Unsere Blicke trafen sich.
Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht und ich senkte den Blick, starrte auf seinen Stiefel. Ich amtete angestrengt durch die Nase, während meine Hände seinen Stiefel packten und ich versuchte das Gewicht auf meiner Brust zu verlagern.
Leider erfolglos.
Nachdenklich fuhr meine Zungenspitze über die kleine Verletzung in meinem Mund. Ich hatte mir beim Aufprall gegen den Baum auf die Innenseite meiner Wange gebissen. Es ärgerte mich wirklich. Na ja, immerhin schien die Wunde nicht allzu schlimm zu sein, da es aufgehört hatte zu bluten.
Das bisschen Blut, was sich noch angesammelt hatte, schluckte ich bewusst nicht herunter.
Warum? Nun...ich's sag's mal so... es sollte ein weiteres Geschenk an Dark werden...
Ich hob ruckartig den Kopf und sah Dark überrascht an. Er hatte tatsächlich seinen Fuß, wenn auch nur minimal, angehoben und verlagerte zusätzlich sein Gewicht. Das Atmen fiel mir sofort leichter. Sein bohrender Blick brannte sich tief in mich hinein und ich hätte fast das Blut runtergeschluckt.
Er grinste mich auf einmal verschmilzt an und streckte seine Hand nach mir aus. Ich zuckte reflexartig zurück, kam aber logischerweise nicht weit und kniff die Augen zusammen.
Mental bereitete ich mich auf weitere Schläge vor, doch die blieben aus, stattdessen spürte ich seine Hand in meinen Haaren.
Er...kraulte mir den Kopf?!
Ja was zum... war ich ein Hund?!
Ich fühlte mich gedemütigt und musste mich echt zusammenreißen, dass ich ihn nicht laut beschimpfte und dabei das Blut runterschluckte. Meine Augen wieder aufgerissen, funkelte ich ihn böse an und griff ihn ans Handgelenk, unterbrach diese Schmach. Er hob fragend die Augenbrauen hoch und fragte, unglaublich aber wahr, ernst nach: „Gefällt es dir nicht?"
Ich verneinte mit einem Kopfschütteln.
Dark zog seine Hand zurück und stemmte sie in seine Hüfte.
Wir starrten uns eine ganze Weile an, bis seine Augen weiter wanderten. Ich errötete, als ich merkte, wohin seine Augen wanderten und presste meine Beine zusammen.
Verdammt, ich hatte ganz vergessen...dass ich immer noch nackt war.
Er hob seine Hand wieder und hielt den Zeigefinger gegen seinen Daumen, ein schnipsendes Geräusch entstand. Schwarze Partikel stiegen aus seiner Hand empor und fingen an mich zu umhüllen. Ich hielt prompt die Luft an und versuchte sie hinfort zu wedeln, dabei fielen mir einige Haarsträhnen ins Gesicht.

Es funktionierte einfach nicht und sie klebten sich an mir fest.
Die Luft ging mir aus.
Zu den schwarzen Partikeln gesellten sich nun auch weiße Pünktchen dazu, die frech vor meinen Augen tanzten. Meine Lider klappten auf und zu.
Mir wurde schwindelig und schlecht und gleichzeitig fühlte sich meine Brust so federleicht an.
„Hey, atmen", seine Worte waren wie ein Rauschen in meinen Ohren.
Etwas kaltes umfasste mein Kinn.
„ Die sind nicht giftig. Also atme gefälligst weiter!"
Ich musste an Epona denken, ob es ihr wohl gut ging? Ich hatte sie schweren Herzens in Kakariko zurückgelassen, weil sie auf einmal ein Problem mit ihren rechten Vorderhuf hatte. Die Lon - Lon Farm war leider keine Option gewesen, seitdem Basil dort der neue Besitzer war. Obwohl Malon mir versicherte, dass sie sich gut um Epona kümmerte, und ich ruhig weiterziehen konnte, nagte trotzdem das schlechte Gewissen an mir.
Ach, Epona...dir war hoffentlich bewusst, dass du meine Erlaubnis hast, dem Hufschmied eine zu verpassen, sollte er dich nicht anständig behandeln... von mir würde er noch zusätzlich-
Plötzlich durchfuhr mich ein stechender Schmerz. Reflexartig schluckte ich das Blut runter und atmetet mehrmals tief ein und aus, füllte meine armen Lungen mit Sauerstoff. Meine Hand legte sich wie von selbst an meine Wange, sie brannte wie Feuer.
Langsam kam ich zu mir.
Dark hockte vor mir am Boden und sah mich mit einem prüfenden Blick an. Meine Nase nahm einen herben Geruch wahr. War das etwa... Dark's...Körpergeruch? Roch er immer so...fantastisch?
„Wieder anwesend?", klang seine Stimme schon immer so tief und so dunkel...so...verführeri- Stopp! Ich schüttelte heftig mit dem Kopf und vergrub danach mein Gesicht in meinen Händen.
Mein Herz begann zu rasen.
Stopp, stopp, stopp! Beruhige dich, beruhige dich! Analysiere die Situation!, zwang ich mich innerlich selbst zur Ruhe.
Ich erinnerte mich an die schwarzen Partikel, die aus seiner Hand emporgestiegen waren, die mich...ich blickte an mir herunter. Mein Mund öffnete sich zwar, doch ich brachte keinen Ton heraus. Ein weicher, hochwertiger Stoff schmiegte sich an meinem Körper, ein Traum für die Haut. Das war gewiss nicht ein einfaches Leinenhemd mit langen Ärmeln, ebenso wenig wie die Wollsocken und die Leinenhose.
Dark stand auf und lehnte sich lässig gegen den Baum, die Arme vor der Brust verschränkt.
Er sah zu mir runter, ich zu ihm rauf. Er grinste triumphierend.
„Das gefällt dir, nicht wahr?"
Ich presste meine Lippen fest aufeinander und zeigte ihm meinen ‚liebevollen' Mittelfinger. Als ob ich das jemals zugeben würde! Er stieß ein raues kehliges Lachen aus, mein Körper reagierte mit einer Gänsehaut darauf.
Verdammte... was war hier bitte los?!
Nicht gerade elegant, wie ich aufstand, aber das war mir egal.
„Was soll das alles?! Was machst du überhaupt hier?! Solltest du nicht ganz woanders sein?!", ich legte eine kurze Pause ein und holte tief Luft. „Und wenn du glaubst, dass du mich-!!" Ich hielt den Atmen an, als Dark sich vorbeugt hatte, um mir einige Strähnchen hinters Ohr zu klemmen.
„Rede ruhig weiter, ich höre zu", flüsterte er und senkte den Blick auf meine Lippen.
Mein Herz rutschte mir bis in die Zehenspitzen. „Wolltest du nicht gegen mich kämpfen?", meine Stimme zitterte.
Na großartig. Ich wünschte, es würde sich ein Loch auftun, damit ich mich in den Tod stürzen konnte.
„Wir kämpfen doch bereits", seine Stimme klang noch tiefer als zuvor.
Ich blinzelte ihn verwirrt an und zuckte zusammen. Seine Finger berührten meine Haut, strichen sanft über meine Wange. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.
„Nicht...", meine eigene Stimme klang mir so fremd.

Ich sollte ihn wegstoßen, doch ich tat es nicht.
Ich sollte mich umdrehen und gehen, doch ich blieb.
Ich sollte ihn töten, doch...

Eine leichte Brise wirbelte auf und dann...trafen sich unsere Lippen. Dieser Kuss war... unglaublich zärtlich.
Dark fuhr mit einer Hand an mir hinab, legte sie auf meine Hüfte und... küsste mich abermals.
Mein Puls beschleunigte sich, und wie von selbst schlang ich meine Arme um seinen Hals.
Ich konnte, wollte nicht glauben, was hier gerade geschah und dennoch...-
Seine Küsse wurden plötzlich intensiver, leidenschaftlicher und er drehte und drückte mich gegen den Baum.
Er gab einen kehligen Laut von sich.
Verdammt....seine Küsse...brachten mich um den Verstand...und ich...ich war überfordert...
Ich hoffte, nein, betete dass er es nicht bemerkte.
Zu meiner Verteidigung ... ich war bis heute...ungeküsst...
Ich fragte mich, ob nur meine Lungen sich nach Sauerstoff sehnten? Meine Finger glitten runter und bohrten sich zitternd in seine Tunika.
Ich hatte das Gefühl, zu ersticken.
Einen Herzschlag später brach er unerwartet den Kuss ab und...
„Runter!"
Dark riss mich zu Boden und warf sich über mich.
Ein Pfeil zischte ganz knapp an uns vorbei.
Ich hatte kaum Zeit, um Luft zu holen, da wurde ich bereits am Arm gepackt und auf die Füße gezogen. Schwarze Partikel stiegen wieder aus Dark's Hand empor, bildeten eine Masse und nahm letztendlich die Gestalt eines Schwertes an.
Er wehrte mehrere Pfeile ab.
Völlig perplex stand ich da und musste erstmal mein Gehirn mit Sauerstoff füllen. Das dauerte Dark anscheinend zu lange und blaffte mich an: „Nimm dein Scheiß Bogen!" Der Drang, ihn hier und jetzt zu erwürgen, war groß, doch das musste warten.
„Ja, ja!", zischte ich angepisst, rollte mich ab und griff mir meinen Bogen.
Den Köcher umgelegt, legte ich einen Pfeil auf die Sehne, spannte an und... hielt inne.
Der Regen aus Pfeilen hatte aufgehört.
Die fremde Gestalt verließ freiwillig ihr Versteck und kam, die Hände erhoben, auf uns zu.
Dark trat an meine Seite.
„Schieß' ihn ab."
„Was? Nein?!"
„Dann mach ich es", sein Schwert änderte seine Form.
Ich senkte meinen Bogen und trat in sein Sichtfeld.
Er verengte seine Augen zu Schlitzen.
„Jetzt warte doch mal!"
„Auf was? Das er uns tötet?!", zischte er abfällig.
Ich verdrehte genervt die Augen, dass mein dummes kleines Herz wegen seinem ‚uns' Luftsprünge machte, versuchte ich zu ignorieren.
Ich war wahrlich dem Wahnsinn verfallen, anders konnte ich es mir nicht mehr erklären. Aber darüber würde ich mir später den Kopf zerbrechen.
„Wir sollten ihn erstmal anhör-"„Nein", fiel der Sack mir einfach ins Wort.
Wut stieg in mir auf.
„Du-"
Die tiefe, fremde Stimme erschreckte mich und ich wirbelte herum.
Der Fremde wahrte eine sichere Distanz zu uns und zog seine Kapuze tiefer ins Gesicht, verwehrte uns seine Identität.
Er wiederholte seine Worte:„Dieser Schatten dort, er ist weder dein, noch mein Schatten."
Seine Worte waren wie ein Tritt in die Magengrube.
Mein Atem ging flach und schnell, mir wurde schwindelig.
Was...was meinte er damit?!
Mir gefror das Blut in den Adern, als ich Dark's Finger spürte.
Er zog mich eng an seine Brust.
Seine Stimme klang rau und dunkel, als er mir ins Ohr flüsterte: „Du musst mir jetzt vertrauen, mein Antiheld."

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