Kapitel 16

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Es tat mir weh, mir vorzustellen, wie das Wesen sich gefühlt haben musste, als ich es unwissend und sinnlos quälte, und es dann gemeinsam mit Dark tötete.
Übelkeit stieg in mir auf. Meine Hand fuhr zum Mund.
Was ich getan hatte, war unverzeihlich gewesen. Und doch musste ich mich dazu zwingen, ruhig zu bleiben. Das Letzte, was ich wollte, war, vor ihnen wieder die Fassung zu verlieren.
„Prinzessin, du zitterst wieder", stellte Akemi fest und musterte mich skeptisch. „Und plagt dich erneut die Übelkeit?"
Ich ließ die Hand wieder sinken. Und nur mit Mühe versagte mir die Stimme nicht, als ich log: „Nein, mir ist nicht übel. Alles gut."
Dark sah mich von der Seite an und zupfte sanft an meinem Ohr. „Lügst du wieder?"
Nervös blickte ich von Dark zu Akemi und wieder zurück.
„Mir – Mir geht es gut, wirklich."
„Ahh...", machten sie gleichzeitig. Offensichtlich glaubten sie mir nicht, und mir entging auch nicht, dass Kuro mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Mist. Ich musste sie ablenken.
„Also...ähm, wollen wir nicht den Dungeon weiter erkunden?"
Kurayami, der gerade Cap die Stiefel richtig band, blickte auf und sagte: „Bevor wir den Dungeon weiter erkunden, sollten wir ausreichend Proviant mitnehmen. Außerdem sollten wir dir, Link, deine Sachen zurückgeben." Kurayami räusperte sich, und ich sah, wie sich sein Mund zu einem schiefen Lächeln verzog. „Natürlich nur, wenn du, Time, damit einverstanden bist?"
Time verzog keine Miene, als er mich ansah.
„Ich bin damit einverstanden."
Ich neigte den Kopf ein wenig zur Seite und sah Time überrascht an.
„Heißt das, ich kriege auch mein Master – Schwert zurück?"
Die Blicke, mit denen ich nun gemustert wurde, verwirrten mich.
„Link..." Dark nahm zärtlich meine Hand. „...das Master – Schwert befindet sich nicht in deinem Besitz."
Eine Weile sahen wir uns in die Augen, dann, ganz langsam, entzog ich mich seinem Griff und machte einen Schritt zurück.
„Link..."
„Nein, nicht", fiel ich Dark ins Wort, und ich begann, schneller zu atmen.
„Soll das etwa bedeuten, ich habe mir das Master – Schwert nur eingebildet?"
Dark trat einen Schritt vor. Ich wich vor ihm zurück, brauchte einige Atemzüge, bis ich weiterreden konnte.
„Sag schon, Dark, was für ein Schwert habe ich geführt, als ich dir begegnet bin?!"
Er betrachtete mich und ich fragte mich, was dieser Blick in seinen Augen bedeutete. Dann schnippte er mit den Fingern.
Ich atmete die Luft aus, die ich angehalten hatte, ohne es gemerkt zu haben, und trat an das schwebende Soldatenschwert heran – das einst einer Schlosswache Hyrules gehörte – und ergriff es.
„Das ist also... das Schwert, das ich bei mir führte?"
Dark nickte langsam. „Ja."
Mit aufeinandergepressten Lippen schwang ich das Schwert, spürte, wie Wut und Enttäuschung sich die Hand gaben, umklammerte den Griff fester und...schlug solange auf den Boden ein, bis es zerbrach.
Die Schatten sahen mich fassungslos an.
„Aaaalter, warum!?", wollte Akemi wissen.
Mit zitternden Beinen ging ich in die Hocke, schlang die Arme um meinen Körper und vergrub mein Gesicht in meinen Knien. Ich fühlte mich nicht fähig, zu antworten, und kämpfte die aufsteigenden Tränen der Enttäuschung nieder.
„Herrjemine, man könnte meinen, der Kleine durchlebt gerade seine zweite Pubertät", sagte Kurayami.
„Das würde so einiges erklären", brummte Akemi.

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Die Steinbrücke, die über den See führte, die wir gerade überquerten, war stark mit Gras, Moos und Efeu bewachsen, so auch die Steinwände. Einige Felsen, und ein riesiger, seltsamer Baum, ragten aus dem nebeligen Wasser heraus. Und bunte und runde Lichter tanzten wie Schleichwürmchen in der Luft umher.
Dieser Ort...versprühte Magie.
Ich blieb wie angewurzelt stehen, nahm einen Schluck aus meinen Trinkbeutel, und genoss die schöne Aussicht.
Mittlerweile waren auch meine Wut und meine Enttäuschung – einigermaßen – verraucht.
„Hey" Dark ließ seine Hand über meinen Rücken gleiten und musterte mich von oben bis unten. „geht es dir wieder besser?"
Er wartete, bis ich meinen Trinkbeutel wieder eingepackt - und mit „Ja, irgendwie schon." geantwortet hatte, dann drückte er meinen Kopf an seine Schulter und streichelte mein Haar. „Du weißt, wenn du reden möchtest, höre ich dir gerne zu."
Ich spürte förmlich, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, und, wie meine Ohren ganz heiß wurden.
„Mhm, ich weiß, danke Dark", murmelte ich verlegen.
„Link?"
„Mhm?"
„Deine Ohren glühen."
Ein paar Herzschläge lang herrschte Schweigen.
„Dark?"
„Ja?"
„Würdest du bitte den Mund halten?"
Dark lachte leise, legte seine Hand an mein Gesicht und drehte es zu sich.
„Nur...wenn ich dich jetzt küssen darf?"
Ich legte meine Hand auf sein Herz, und spürte seinen warmen Atem, der gegen meine Lippen schlug. Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, als ich antwortete: „Ja...darfst du."
Doch kurz vor dem Kuss...hielten wir inne.
Akemi schob sich an uns vorbei. „Boah, wie widerlich kitschig", brummte er laut, vergrub die Hände in den Hosentaschen und imitierte einen Würgereiz.
Cap blieb stehen und wippte auf den Absätzen seiner Stiefel vor und zurück.
„Also ich finde es süß", sagte er, während seine spitzen Ohren erröteten.
Kurayami drehte den Kopf in unsere Richtung und wackelte aufreizend mit den Augenbrauen. „Wie wär's, Dark und Link, wollt ihr nicht Wind und Cap adoptieren?"
Irgendwie war es mir unangenehm, diese Frage zu beantworten.
Ich versteifte mich und wollte einen Schritt zurückmachen, doch Dark hielt mich fest.
Er schaute zu Kurayami – ein Schatten huschte über sein Gesicht.
Kurayami verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Oh, ups. Bist du jetzt sauer, Dark, weil ich Kuro vergessen habe? Ooooder..."
„Ku –ra –ya –mi", sagte Dark langsam und mahnend. „lass –es – bleiben."
„oder weil eure Beziehung..."
Mit schnellen Schritten überholte Wind die anderen Schatten, näherte sich Kurayami und... trat ihn mit voller Wucht auf den Fuß?!
Er keuchte vor Überraschung, dann vor Schmerz. „Verdammt, Wind, drehen deine Teenager - Hormone wieder durch?!"
Trotzig hob der Zwölfjährige das Kinn, ergriff Caps Hand und zerrte ihn hinter sich her.
Mit klopfendem Herzen starrte ich den Jungs hinterher.
Adoptieren? Beziehung? , formte ich stumm mit den Lippen.

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Mir war ein wenig mulmig zumute, als ich um die nächste Ecke bog und wir den nächsten Raum erreichten. Drei vergoldete Türen, mit silbernen Türknäufen, alle nebeneinander und geschlossen. Eine große Feuerschale aus Eisen in der Mitte des Raumes, fungierte als stärkste Lichtquelle. Die Wände links und rechts waren gesäumt von antiken Schrankwänden, gefüllt mit allerlei Dingen wie Büchern, kleinen kunstvollen Statuen, einem Grammophon, Schellackplatten und kleinen Laternen. In der Nähe der linken Schrankwand stand ein antiker Sessel, davor ein Tisch, darauf lag ein aufgeschlagenes Buch.
Mein Instinkt... meldete Gefahr.
Dieses Buch...verströmte eine Aura... der Bedrohung und... Trauer?
Ich spürte, wie die Schatten hinter mir unruhig wurden, und hörte, wie sie untereinander flüsterten. Dann geschah alles sehr schnell. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss, und wie von Geisterhand spielte das Grammophon ein Lied ab.
Akemi lief durch den Raum zur ersten, vergoldeten Tür und rüttelte am Knauf. Er trat vor die Tür und versuchte dann, die zweite und dritte zu öffnen. Die Hand noch am letztens Türknauf, blickte er über seine Schulter. Sein Gesichtsausdruck offenbarte uns, dass alle Türen verschlossen waren.
Und das bedeutete, wir waren – „ Wir sind gefangen", sagte Sky.
Gefangen.
Das Wort hallte in meinem Kopf wider.
Mir wurde übel und schwindelig zugleich.

Gefangen.

Ich verschränkte die Arme fest vor der Brust und versuchte so, das heftige Panikgefühl niederzukämpfen, das mich erfasste...

Gefangen.

...doch es gelang mir nicht und ich konnte nicht atmen...

Dark sah, wie ich wankte, und packte mich am Arm.
„Hey, hey, ganz ruhig, mein Antiheld." Seine Stimme war leise und beruhigend. „Komm mit."
Ich ließ mich von ihm zu dem Sessel führen und ließ mich darin nieder.
Und genau in diesem Moment, flüsterte mir eine Frauenstimme ins Ohr.
‚Höre den Gesang einer toten Frau.'
Mir fielen...die Augen zu, und ich nahm das Lied, dass das Grammophone abspielte....in meinen Träumen auf.

‚Ich ließ meinen Blick über den Horizont schweifen,
als neben einem Baum, ein dunkler Schatten erschien'

Eine Frau – im Leinenkleid – tauchte aus dem Nebel der Träume auf.
Ihre langen, blonden Haare flossen ihr über die Schultern, und sie trug ein goldenes Medaillon um den Hals.

‚Mit roher Gewalt, und dröhnenden Schlägen,
ließ er meinen Leib und meine Seele mit Schmerz, Angst und Hass erfüllen'

Ihre kalten Hände schlossen sich um meine Wangen, und ich sah den Schmerz in ihren Augen.

‚ Sein Atem, der meinen Hals traf, war eiskalt,
als er sich das nahm, was er wollte.
Mich, eine unschuldige Frau, die er schändete.'

Heiße Tränen sammelten sich in meinen Augen und rollten über meine Wangen.

‚Der Wind trug meinen letzten Schrei fort,
als er mir die Kehle durchschnitt,
und mein geliebtes Haus am Fluss in brand setzte.
Meine geliebten Bücher, mein geliebtes Grammophone, und meine geliebten Statuen, zusammen mit meinen leblosen Körper, in den tobenden Flammen verbrannten.'

Sie beugte sich vor und küsste meine Tränen fort.

‚ O Held,
so töte den Schatten, der mich schändete,
denn nur so wird sich die richtige Tür öffnen,
wenn nicht,
bleiben sie für immer verschlossen, bis euer aller Leben endet.'

Nach der letzten Strophe... übergab sie mir ihr goldenes Medaillon.

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