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Schon wieder ein Kleid?! Genervt stöhnte ich auf. In den letzten zwei Wochen hatte ich so viele Kleider getragen, wie die letzten achtzehn Jahre zusammen. Wenigstens schrie der Fummel nicht nach einem weiteren peinlichen Abendessen. Es war schlicht, ging mir bis zu den Knöcheln und hatte einen etwas weit ausgestellten Rock. In dem Kleid sah ich nicht wie eine teure Schaufensterpuppe aus. Das gefiel mir schon mal. Was mir nicht gefiel: so langsam fing ich an, diese Art von Outfit an mir zu akzeptieren. Ich spürte nicht mehr diesen Protest in mir und das war nicht gut. Seit wann ließ ich mir vorschreiben, was mir stand und was nicht? Vor allem wenn es Seto Kaiba war, der mir einen bestimmten Geschmack aufzuzwingen versuchte.

"Scheiße, ich mach' doch jetzt nicht einen auf Mädchen, nur weil das dem reichen Pinkel gefällt!" Doch, das machst du, mischte sich eine Stimme in meinem Hinterstübchen ein.
"Klappe", knurrte ich und machte mich stampfend auf dem Weg in das erste Obergeschoss.

Ein Pinguin stand bereits vor geöffneter Tür. Es war eine dieser riesigen Türen, die bis zur Decke reichten. Einmal in den Raum gegangen, stand ich in einem leeren Zimmer... nein, nicht ganz leer; in der Ecke, genau vor einem der drei Fenster, stand ein schwarzer Flügel. Ich kannte die Teile aus einer der unzähligen Opernbesuche, die wir mit der Schule veranstaltet hatten und soooo langweilig gewesen waren. Im Gedächtnis waren mir Anzus Backpfeifen geblieben, wenn ich inmitten der Vorstellung zu schnarchen angefangen hatte. War doch nicht meine Schuld, wenn mich das Geklimper zum einschlafen brachte.

Ich kräuselte die Lippen. Bitte jetzt kein Klavierunterricht! Noch so eine Lektion wie beim Abendessen wollte ich wirklich nicht. Dass ich kein musikalisches Talent hatte, konnte ich Kaiba auch auf andere Weise demonstrieren. Im Musikunterricht konnte ich noch nicht einmal den Takt halten. Wie sollte ich da Klavierspielen lernen?!

"Gefällt er dir?"
"Aaah", ich sprang zur Seite, "wie bist du denn hier reingekommen?!"
"Durch die Tür, wie denn sonst?", antwortete Seto Kaiba.
"Versch…,", ich stockte, versuchte es noch einmal, ohne dabei meine üblichen verbalen Ausbrüche rauszuhauen. "Du hast mich erschreckt, Mann." Na das klang doch schon besser! Je weniger ich rum maulte, umso höher war die Chance, mich nicht an diesen Flügel setzen zu müssen. "Du kannst dich doch nicht einfach so von hinten an mich ran schleichen."
"Das habe ich nicht. Ich habe dich sogar angesprochen, aber du hast nicht reagiert."
"Oh", machte ich und hielt bis auf Weiteres meine Klappe.

Mich beruhigte schon mal, dass Kaiba in seinem üblichen schwarz-weiß Outfit vor mir stand.
Nur das Nicken, das hätte er sich sparen können. Damit deutete er nämlich auf den Flügel. Warum!? Warum nur, lieber Gott?
"Setz dich auf den Hocker, Jonouchi", wies er mich an, nachdem ich nicht auf seine stumme Aufforderung reagiert hatte. "Ich wiederhole mich nicht noch einmal."
"Schon gut, ich geh' schon."
"Wie?"
"Ich meine natürlich: ja, Kaiba-dono." Die Arme um meinen Oberkörper geschlungen, beeilte ich mich, seinem Befehl nachzukommen. Es war Absicht, dass ich mich falsch rum auf den Hocker setzte. So konnte ich einfach auf dumm und unwissend machen - die einzigen zwei Dinge, die mir Kaiba noch abkaufte.
"Jonouchi." Ich gab es nicht gerne zu, aber mir gefiel, wie er meinen Namen sagte. Zumindest jetzt. Wenn dieser Hauch von Provokation in seiner Stimme lag, wenn er nicht ganz so abfällig redete, sondern ein wenig mit den Silben spielte. Ja, es machte mich an - das wiederum gefiel mir weniger. Es war viel zu einfach für Kaiba, mich weich zu klopfen. Etwas mehr Widerstand hätte ich mir von meinem Körper schon ganz gerne gewünscht.

Kaiba stand nun direkt vor mir. Sein dominanter Blick ragte über mir. Er lächelte verschmitzt. So wie jedes Mal, wenn er einen fiesen Plan ausheckte.
Langsam beugte er sich nach vorne. Er zwang mich, ins Hohlkreuz zu gehen, mich nach hinten zu beugen, bis meine Hände die Tastatur berührten. Schräge Töne hallten durch den Saal. Sollte Kaiba wirklich vorhaben, mir Klavierunterricht zu geben, würde es den Rest des Abends nur schiefe Töne regnen.
Ich wollte etwas sagen, hatte aber die Worte vergessen. Seine Nähe war nicht gut. Also… doch schon, zumindest fühlte sie sich gut an, aber das sollte sie nicht. Ich wusste, dass ich mich auf gefährliches Terrain begab, sobald ich Kaiba auch nur etwas weiter an mich ranlassen würde.
Dass diese Bedenken aus meinem Kopf gelöscht wurden, sobald Kaibas Nähe mich dazu zwang, seinen Duft in mich aufzunehmen und seine Lippen anzustarren, war natürliche nicht Teil meines Plans - wenn ich denn jemals einen gehabt hätte.

Inu no GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt