6

21 0 0
                                    

"Du hast was?!"
"Nicht so laut, Mai! Die Leute hören uns noch!" Ich zog die Blondine zu mir heran und legte meinen Zeigefinger auf ihre Lippen.
Mai Kujaku drehte ihren Kopf von links nach rechts. Ein paar Leute starrten tatsächlich schon zu uns herüber. Seit ich dieses Halsband trug, wurde ich ständig schief angesehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, so noch weitere neunundzwanzig Tage herumzulaufen.

"Also wirklich, Kazuha-chan", Mai lächelte schief und hakte sich bei mir unter. Langsam liefen wir die Ladenmeile herunter. "Du hättest mir ruhig mal eher von deinen geheimen Vorlieben erzählen können."
"Von wegen Vorlieben", grummelte ich, "und selbst, wenn ich darauf stehen würde, dann würde ich ganz sicher nicht zu Kaiba rennen…und wenn er der letzte Kerl auf Erden wäre."
"Das scheint Kaiba aber ganz anders zu sehen", säuselte Mai. Mit der freien Hand berührte sie die einzelnen Metallringe meines Lederhalsbandes.
"Wie meinst du das?", wollte ich von ihr wissen.
"Naja, dieses Halsband sieht mir noch ziemlich unverbraucht aus." Wäre ja noch schöner, wenn mich Kaiba wie ein Modell betrachtete, das man einfach so vom Fließband aufschnappen konnte.
"Und Kaiba hat keinen Hund, oder?" Hakte Mai weiter nach.
"Ich habe zumindest keinen gesehen…und Kaiba sieht nicht gerade so aus, als könnte er was mit Tieren anfangen."
"Kommt es dir nicht seltsam vor, dass er dieses Halsband schon hatte, noch bevor ihr diesen Deal eingegangen seid?"
"Wo du es jetzt sagst…seltsam ist es schon."
"Vielleicht", flüstert mir Mai ins Ohr, "hat er ja nur auf so eine Gelegenheit gewartet."
Ich wurde puderrot im Gesicht. "Wie krank ist bitte schön das denn?!", entgegnete ich und versuchte herunter zu spielen, dass mir dieser Gedanke einen wohligen Schauer versetzte. Wer von uns beiden war hier der Kranke?!
"Reg' dich nicht auf, Schätzchen." Mai tätschelte mir den Arm. "Ich will dich doch nur ein wenig ärgern."
"Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. "Hilfst du mir jetzt, oder nicht?"
"Natürlich helfe ich meiner Lieblingschaotin." Sie gab mir einen Schmatzer auf die Wange.
"Danke", murmelte ich, "ich hab sonst niemanden, zu dem ich gehen könnte."
"Heißt das, die anderen wissen noch gar nichts davon?"
Ich schüttelte den Kopf. "Und das soll erstmal so bleiben. Besser, es wissen so wenig wie möglich von dieser peinlichen Sache." Mit meinen ehemaligen Schulfreunden konnte ich nicht darüber reden. Anzu hätte mir Vorwürfe an den Kopf geworfen. Wie naiv ich wäre und mir endlich aus dem Kopf schlagen sollte, Kaiba besiegen zu wollen. Honda wäre wohl direkt in die Kaiba-Villa gefahren, um Seto Kaiba persönlich eine rein zu hauen. Und Yugi? Er wäre vollkommen überfordert. Würde versuchen, eine vernünftige Lösung zu finden. Vielleicht würde er auch mit Kaiba sprechen, um einer dieser sinnlosen Versuche zu starten, mit Kaiba ein vernünftiges Gespräch zu führen. In fast allen dieser Fälle wäre rausgekommen, dass ich den Vertrag gebrochen hätte und ich hatte echt keine Lust herauszufinden, welche Probleme mir Kaiba auf den Hals hetzen würde. Nein, diese Sache wollte ich meinen Freunden nicht an die Backe kleben. In dieser Situation schien Mai die einzige, der ich dieses Geheimnis aufbürden konnte. Im Gegensatz zu den anderen, machte sie sich weniger Gedanken um die Konsequenzen, urteilte nicht und posaunte ihre Meinung offenherzig heraus.

"Du kannst dich immer an mich wenden, meine Süße." Mai drückte sich an mich. Ich erwiderte ihre Umarmung, froh, dass Mai auf meiner Seite war. "Und dass ich einmal mit dir shoppen gehen würde…wir zwei werden viel Spaß haben."
"Habe ich schon erwähnt, dass ich Einkaufen hasse?" Aber Mai ignorierte mich, zog an meinem Arm und zeigte auf eines der Schaufenster.
"Das sieht mir nach einem verdammt teuren Laden aus", meinte ich und suchte nach einem Preisschild auf eines dieser überladenen Kleider.
"Du hast doch gesagt, dass Kaiba dich zum Essen eingeladen hat und du in entsprechendem Dresscode erscheinen sollst."
"Mai, er hat mich nicht zum Essen eingeladen. Wie du weißt, habe ich keine Wahl."
"Du wirst kleinlich, Liebes. Hauptsache du haust ihn von den Socken, wenn du heute Abend bei ihm auftauchst. Vielleicht führt er dich in ein edles Restaurant aus."
"Hiermit?!" Ich zog an meinem Halsband, oder besser gesagt, versuchte ich es. Das Ding war so eng um meinen Hals geschnürt, dass nicht einmal eine Münze hindurch gerutscht wäre. Ich schüttelte den Kopf. "Vergiss' es, Mai. Und außerdem kann ich mir solche Klamotten überhaupt nicht leisten-"
"Papperlapapp." Meine Widerworte ignorierend, schob mich Mai in die Edelboutique. Die Verkäuferin erkannte die rassige Blondine, überreichte uns beiden ein Glas Champagner, die beide von Mai Kujaku abgefangen wurden, und fragte nach dem Anlass.
"Die junge Dame braucht ein Abendkleid", damit zeigte Mai auf meine Wenigkeit, dass die Verkäuferin erst jetzt anfing, Blickkontakt zu mir aufzunehmen. Bisher schien sie mich eher als Accessoire wahrgenommenen zu haben. Sie war so auf die hübsche Duellantin fokussiert, dass sie geradezu enttäuscht schien, mit mir Vorlieb nehmen zu müssen.

Inu no GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt