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Ich war heute nicht bei der Sache. Samstagabend, volles Haus und ich lief durch den Night Club, als wäre ich der einzige Mensch auf Erden.

"Mieses Wochenende?", fragte mich Suzuki-senpai, während ich mir ein Glas Wasser aus dem Zapfhahn genehmigte.
"Alles bestens", antwortete ich und schluckte die Flüssigkeit in einem Zug runter.
"Kazuha, du musst nicht so tun, als sei alles okay. Aber wenn der Boss mitkriegt, dass du nicht bei der Sache bist…du hast echt Glück, dass er dich seit dem Smooth-Wednesday nicht mehr auf dem Kieker hat."
"Ich weiß", seufzte ich.

Tatsächlich war mein Boss für seine Verhältnisse recht nett zu mir gewesen. Es hatte nicht die übliche Standpauke gegeben, die er mir jedes Mal vor den Latz knallte, noch bevor ich überhaupt meine Schicht angetreten hatte. Ich wusste, dass ich das nur Kaiba zu verdanken hatte. Wenn auch nur ein schlechtes Wort gefallen wäre…na dann gute Nacht.

"Ich werd' mich zusammenreißen." Damit richtete ich mich auf und ging an den nächsten Tisch.
So wirklich besser wurde es nicht. Zwar stieß ich niemanden um oder verschüttete einen Drink, aber konzentriert sah definitiv anders aus. Das merkte ich an dem Trinkgeld - meine eigentliche Einnahmequelle. Die Bezahlung war bloß mittelmäßig, doch wer seinen Job gut machte, konnte ein saftiges Trinkgeld abkassieren. Das hatte ich gleich am ersten Tag gelernt.

Etwas genervt zählte ich mein Trinkgeld zusammen. Nicht einmal das hatte ich heute gut hinbekommen.
Im Mitarbeiterbereich wechselte ich die Kellnerinnen-Uniform gegen mein übliches Outfit aus Jeans und blauem T-Shirt.
"Gratuliere, Jonouchi." Tsubaki, unsere Mitarbeiterin des Monats, wie sie hintenrum genannt wurde, knöpfte sich die Bluse zu. Dass wir uns während der Schicht abklatschten, war schon sowas wie Routine. Wir hatten bisher nur einmal wirklich miteinander gearbeitet und das eine Mal hatte uns beiden gereicht.
"Wie ich hörte, sollst du den Platin Bereich jetzt öfter übernehmen. Du musst ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben." Ich wusste, was Tsubaki von mir wollte. Als eigentliches Steckenpferd des Night Clubs wollte sie mit niemandem den Platz teilen. Sanji meinte einmal, dass Tsubaki selbst ein paar krumme Dinger am Laufen hätte und sich deshalb so ins Zeug legte, den Platin Bereich bedienen zu dürfen. Ehrlich gesagt, hielt ich nicht viel von diesen Gerüchten und selbst wenn, war es mir egal, was Tsubaki hinter verschlossenen Türen trieb.

"Mal sehen", antwortete ich und warf mir den Rucksack um die Schulter.
"Wie ich hörte, gehörte zu deinen Gästen Seto Kaiba. War der nicht mal in deiner Klasse?"
"Was willst du, Tsubaki?"
"Gar nichts. Ich habe mich nur gefragt, wie du plötzlich zum heimlichen Liebling unseres Bosses werden konntest. Vor zwei Wochen konntest du noch nicht mal ein Glas geradehalten."
"Ich bin ganz sicher nicht sein neuer Liebling. Wenn du aber ein Problem mit mir hast", ich kam auf sie zu, "dann sag' es mir direkt und hör' auf, mit diesen falschen Anschuldigungen um dich zu werfen. Ich kann solche Zickereien nicht ab."
"Das sollte keine-"
"Schon gut", ich lächelte, "ich kann dich auch nicht leiden. Aber machen wir doch das beste draus. Wir wollen doch beide einen guten Job machen."
"Ähm, ja."
"Und keine Angst", sagte ich und lief Richtung Tür, "du bist immer noch unsere Nummer eins."

Frische Luft! Die hatte ich mehr als bitter nötig. Tsubaki brauchte ich nicht auch noch als Feind. Ich streckte mich und trat den Rückweg an. Es war kurz nach ein Uhr, ich war hellwach und wollte noch nicht zurück in die Kaiba-Villa.
Seit gestern Abend hatte ich ein seltsames Gefühl, was Seto Kaiba und mich betraf, und ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte.
Den ganzen Abend hatte ich an diesen kurzen, intimen Moment gedacht. Kaiba war immer so berechenbar, aber jetzt gerade fing ich an, mehr in diesen arrogante Geldsack zu sehen als das, was er uns allen in all der Zeit verkauft hatte.

Vielleicht hatte Yugi recht. Vielleicht steckte in Kaiba eine verborgene Seite - eine gute Seite.

Ich lief weiter um den Night Club herum. Dorthin, wo ich mein Fahrrad zurückgelassen hatte. Ein großer, dunkler Schatten stand direkt davor. Zwei Meter vorher blieb ich stehen, schaute hinauf in das Vertraute Gesicht meines ehemaligen Klassenkameraden aus der Mittelschule.
"Jonouchi", sagte Hirutani und grinste mich an. Von der Seite tauchten ein paar weitere Kerle auf. Den ein oder anderen kannte ich noch von früher, aber ein fröhliches Wiedersehen war das nicht. Besonders nicht für mich.

Inu no GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt