7

21 0 0
                                    

Mein zweiter Abend von dreißig und ich stand in einem Abendkleid vor Seto Kaibas Tür, als wäre ich zum Abendessen mit der Queen verabredet und nicht mit meinem selbsternannten >Herren<. Mulmig war mir schon dabei. Immerhin war Kaiba unwissentlich zum Gönner meines heutigen Outfits auserwählt worden. Die Sache war auf Mais Mist gewachsen. Als die Entscheidung für ein Kleid stand, war sie es, die sagte, dass die Rechnung an Seto Kaiba geschickt werden sollte. Als dessen Angestellte wäre es sein Job, für die Kosten des Geschäftsessens aufzukommen, und die Verkäuferin hatte die Story einfach geschluckt. Aber auch nur, weil sie nicht wusste, wer ich war.  Das hatte mir schon einen kleinen Dämpfer verpasst. Deshalb hatte ich Mais irre Aktion auch wortlos hingenommen. Die Blondine hatte ja recht: es war Kaibas Idee, sollte er doch dafür blechen!

Ich straffte die Schultern, reckte mein Kinn und klingelte. Diesmal überraschte mich keiner von Kaibas Pinguinen, sondern der Braunhaarige persönlich öffnete die Tür und sah in meinen angriffslustigsten Blick, den ich zu bieten hatte. Es war das Kleid, das mir Selbstvertrauen verlieh. Ich hatte mir Mais Ratschläge zu Herzen genommen und mich den Regeln des heutigen Abends angepasst. Meine Belohnung war der überraschte Ausdruck in Kaibas Gesicht. Meine Freundin hatte recht: er hatte erwartet, dass ich an der Aufgabe scheiterte. Aber hier stand ich nun. Mit einem dunkelroten Abendkleid, das bis zur Taille mit kleinen silbernen Steinchen versehen und von der Hüfte abwärts eng um meinen Körper geschlungen war. Das eigentliche Highlight hatte Kaiba ja noch gar nicht gesehen. Dieses versteckte sich unter dem Mantel, den ich mir von Mai geliehen hatte, ebenso wie die hochhackigen Schuhe und die silbernen Ohrringe ihr gehörten. Mai hatte auch für das richtige Makeup gesorgt. Nach mehrmaligen Diskussionen hatten wir uns für etwas Dezentes entschieden…oder besser gesagt hatte ich darauf bestanden. Ich wollte mich zumindest noch im Spiegel erkennen. Als das Ergebnis fertig war, staunte ich nicht schlecht. Mai hatte das Klasse hinbekommen. Eine Kazuha Jonouchi 2.0. Nur um die Haare hatte ich mich selbst kümmern wollen. Wenn ich noch mit aufwendiger Hochsteckfrisur aufgetaucht wäre, hätte das sicher Verdacht geschöpft. Es war schon auffällig genug, dass ich seiner Aufgabe überhaupt gewachsen war und ich wollte das Glück nicht herausfordern.

"Sieh' mal einer an", sagte Kaiba und musterte mich von oben bis unten, "haben sich meine Investitionen also gelohnt."
Ich riss die Augen auf. Dass er so schnell davon Wind bekommen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Breit grinsend fuhr ich mir durch meine glatt gekämmten Haare und überspielte meine Nervosität. Hoffentlich würde ich dafür nicht doppelt bezahlen müssen.

Die Tür noch ein Stückchen mehr aufgeschoben, ließ mich Seto Kaiba eintreten. Etwas wackelig stieg ich die Vorstufen zu seinem Anwesen hinauf. Das erste Mal mit Absatzschuhen und Mai drückte mir gleich dreizehn Zentimeter auf. Damit war ich so groß wie Seto Kaiba - immerhin etwas.

"Du hast dir also meine Regel zu Herzen genommen", säuselte Kaiba, der eine seiner Bediensteten zu sich heran winkte. Pinguin eins öffnete die Tür zum Speisesaal, während Pinguin Nummer zwei mir den Mantel abnahm. Dann lief ich an Kaiba vorbei, präsentierte ihm meinen tiefen Rückenausschnitt, der nur von einer silbernen Perlenkette getragen wurde und kurz vor meinem Hintern aufhörte. Ich wusste ja bereits, dass seine Blicke tödlich waren, aber dass sie einen auch auffressen konnten, war mir bis dato neu. Mein Grinsen ging mir bis über beide Ohren. Mit diesem kleinen Triumph nahm ich dort Platz, wo Kaiba mich hin haben wollte. Ohne den Blick von mir abzuwenden, setzte er sich.

Der Speisesaal machte seinem Namen alle Ehre. Vielleicht halb so groß wie die Mensa in der Schule, stand in der Mitte eine lange Tafel. An jeweils einem Ende waren Teller und Besteck zurechtgelegt worden. Beleuchtet wurde das Ganze von einem protzigen, goldenen Kronleuchter. Ich musste mir vorstellen, wie Seto Kaiba mit seinem kleinen Bruder auf dieselbe Weise frühstückte - schräger ging es wohl kaum. Ich verkniff mir ein Lachen und hielt mir den Mund zu. Das Lachen sollte mir gleich vergehen. Als ich die vielen Messer, Gabeln und Löffel sah, wurde mir mit einem Schlag bewusst, wie weit meine Welt von Seto Kaibas entfernt war. Ich hatte keine Ahnung, wozu so viel Besteck gut sein sollte, und genauso musste ich die einzelnen Löffel, die unwillkürlich sortiert zu sein schienen, angesehen haben. Kaibas Augen blitzten auf, meine Ratlosigkeit entlockte ihm ein Lächeln. Wer weiß, welchen gemeinen Plan er jetzt schon wieder ausheckte.

Inu no GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt