02 - paranoid

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"I need someone to show me
The things in life that I can't find
I can't see the things that make
True happiness, I must be blind"
black sabbath - paranoid

Amelia legte seufzend ihre Füße auf dem Geländer der Veranda ab. Den Zigarettenstummel drückte sie in einem Blumentopf neben sich aus, in dem ein undefinierbares, vertrocknetes Kraut vor sich hin vegetierte. Sie fragte sich, ob ihr Vater wusste, dass sein Bruder in einer schäbigen Hütte im Wald lebte und gleichzeitig, wenn er davon wusste, ob es ihm egal war, dass sie hier wohnen sollte. Sie kaute genervt auf ihrer Unterlippe und richtete sich etwas auf, als sie das entfernte Brummen eines Motors hörte. Endlich kam ihr Onkel von seiner Schicht nach Hause. Sie saß bereits seit drei Stunden auf der Veranda, weil Jim versäumt hatte ihr einen Schlüssel zu geben.

"Wird aber auch Zeit!" rief sie laut und anklagend, noch bevor Chief Hopper den Wagen zum Stehen brachte und richtete sich auf. Jim sah müde aus. Er stieg aus, klemmte sich die Polizeimütze unter den Arm und zog eine Papiertüte vom Beifahrersitz.

"Hast du was gegessen?" fragte er und kam auf sie zu.

"Hätte ich gewusst, dass ich Jäger und Sammler spielen soll, hätte ich einen Spaziergang durch den Wald gemacht." gab sie sarkastisch zurück. Jim biss nur genervt die Zähne zusammen. Er bereute bereits am ersten Tag zugestimmt zu haben auf seine Nichte aufzupassen. Teenager waren zum kotzen. Er schloss die Hütte auf und ließ die Tüte auf die Arbeitsplatte der kleinen Küchenzeile fallen.

"Ich hab dir einen Burger mitgebracht." brummte er und entledigte sich seines Waffengürtels. Das ließ Amelia sich nicht zwei Mal sagen. Hungrig setzte sie sich auf das Sofa, schaltete den Fernseher an und öffnete die Tüte. Der Duft von gebratenem Fleisch und Fritten ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Nicht so wie die undefinierbare Pampe in der Mensa.

"Ich geh duschen." nuschelte ihr Onkel. Amelia sah kauend auf und widmete sich dann wieder dem Fernseher. Er brauchte nicht nach ihrem ersten Tag zu fragen. Der erste Tag war immer überall gleich beschissen. Es war ihr sowieso egal, ob er sich für sie interessierte. Amelia schaute eine idiotische Sitcom und aß das mitgebrachte Essen restlos auf. Nach einem herzhaften Rülpser, rieb sie sich den vollen Bauch und lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Noch mit geschlossenen Augen verzog sie das Gesicht und schnupperte in die Luft. Da wo vorher noch der Duft von Fritten und Burger waren, roch es nun nach Zedernholz und Moschus, irgendetwas Blumiges lag auch noch in der Luft. Sie hörte die schweren Schritte von Jim und schlug die Augen auf. Über Kopf sah sie ihren Onkel an, der so gar nicht wie der Jim Hopper aussah, den sie ihr Leben lang kannte.

"Wie siehst du denn aus?" fragte sie fassungslos und drehte sich um. Jims Haare strotzten und klebten strähnig von der vielen Pommade am Kopf, sein Hemd hatte ein unfallähnliches Muster aus Pastelltönen. Dazu trug er eine weiße Jeans und schwarze Lackschuhe.

"Gefällts dir?" fragte er mit einer leichten Nervosität in der Stimme und schaute an sich herunter.

"Äh nein? Du siehst merkwürdig aus." antwortete Amelia frei heraus. Sofort verdüsterte sich Jims Gesichtsausdruck wieder. "Und du stinkst." fuhr sie fort. Sie stand auf und sprang über die Rückenlehne des alten Sofas. Mit verschränkten Armen vor der Brust betrachtete sie seinen lächerlichen Aufzug, umrundete ihn und blieb direkt vor ihm stehen. Sie verengte die Augen und betrachtete sein Gesicht. "Du bist frisch rasiert? Hast du ein Date?" fragte sie und ihr Mundwinkel zuckte kurz spöttisch in die Höhe. Sie ermahnte sich innerlich zur Ruhe. Ihre Hähme hatte er nicht verdient, immerhin war er so gnädig ihr ein Dach über dem Kopf zu geben und er hatte ihr ein akzeptables Zimmer hergerichtet.

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