Kapitel 1

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𝗠𝗼𝗿𝗴𝗮𝗻

So spät abends ist es immer noch brechend voll im Cheesy's. Ich sitze in einer der letzten freien Nischen und pule nervös in dem aufgerissenen Loch im Sitzpolster. Das dunkle Leder der Sitzbänke klebt mir an den Oberschenkeln, während der Geruch von fetttriefendem Essen durch die Luft wabert. Die Tische sind abwechselnd von Familien mit Kindern oder Leuten in meinem Alter besetzt, die sich alle das fettige Essen reinschaufeln.

Ich sitze in einer der Ecknischen, in der sich sonst immer nur Paare verkriechen, um versteckt rumknutschen zu können. Sie liegen im hinteren Teil des Diners, weswegen man jedes Mal das Gefühl hat, abgeschirmt vom Rest zu sein, gleichzeitig aber auch das gesamte Diner überblicken kann. Außerdem weiß jeder, dass die Kellner und Kellnerinnen diesen Platz absichtlich auslassen, um höchstwahrscheinlich in keine unangenehme Situation zu platzen.

Ich starre schon seit mehreren Minuten auf den eigenartigen braunen Fleck auf der oberen Ecke des grell orangefarbenen Tisches. Meine Gedanken spielen verrückt, sie kreisen die ganze Zeit um die verschiedenen Möglichkeiten, warum mein Freund mich hierher bestellt hat. Dabei gibt es bei der Nachricht, die er mir vor einer halben Stunde geschickt hat, sowieso wenig Spielraum die Bedeutung zu verfehlen.

Die Geräuschkulisse von der leutenden Klingel einer fertigen Bestellung, wird begleitet von lautem Kindergebrüll und den Rufen aus der Küche. Das Diner ist ziemlich runtergekommen mit seinen klebrigen Sitzpolstern und den übergesalzenen Pommesportionen. Allerdings gibt es in unserer Kleinstadt nicht viele Restaurants oder Plätze, an denen man sich gut mit Freunden treffen kann. Das Cheesy's ist deswegen andauernd mit Jugendlichen besetzt.

Ich reiße meinen Blick vom Tisch weg und richte ihn stattdessen nach draußen durchs Fenster. Ich hatte Glück, dass ich noch trocken hier angekommen bin, inzwischen regnet es nämlich wie aus Eimern. Mein Auto ist seit gestern in der Werkstatt, weswegen ich heute mal auf meine Füße zurückgreifen musste. Der Regen prasselt so heftig gegen die Scheiben, dass man kaum noch sieht, was außerhalb des Diners passiert. Aber dieser Wetterumschwung ist nichts neues für unser kleines Städtchen.

Als ich plötzlich die Eingangstür nicht weit von meinem Platz entfernt aufgehen höre, hebe ich ruckartig den Kopf. Ich atme erleichtert aus, als ich sehe, dass es nicht Tristans sandblonder Schopf ist, der das Diner betritt. Den groß gewachsenen Kerl, der gerade durch die Tür hereinspaziert, kenne ich allerdings trotzdem. Cameron Mendozas braunes Haar hängt ihm nass in die Stirn und kräuselt sich leicht an den Enden, seine breiten Schultern, die ganz eindeutig vom Eishockeytraining stammen, füllen den Türrahmen aus. Er und seine Freunde triefen von Kopf bis Fuß und hinterlassen kleine Pfützen auf den dunklen Fliesen.

Cameron arbeitet für die Bau- und Umzugsfirma von Dad und meinem Onkel Joe, weswegen ich ihn nicht nur in der Schule ständig zu Gesicht bekomme. Allerdings beachtet er mich an beiden Orten kaum. Deswegen überrascht es mich in diesem Moment auch so, dass er mich in der Nische sitzen sieht und mir zunickt, als er an mir vorbeigeht. Überrumpelt starre ich ihm nach und komme nicht mehr dazu seine Begrüßung zu erwidern. Einer seiner Freunde flüstert ihm etwas ins Ohr, worauf ich noch sehen kann, wie sich ein Grinsen um Camerons volle Lippen legt, bevor die drei sich den Regen von den Klamotten schütteln und sich in die Nische hinter mich setzen.

Meine Aufmerksamkeit wird von einer weiteren Bewegung der Tür, von meinen Mitschülern gelenkt. Just in dem Moment, in dem meine Augen Tristans Gesicht sehen, sakt mir mein Herz in die Hose.

»Beschissener Regen«, flucht Tristan und zieht sich seine tropfende Jacke von den Schultern. Die leichte Bräune, die er aus seinem Urlaub in Spanien mitgebracht hat, wirkt in dem schwummrigen Licht der Neonröhren fast schon kränklich.

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