Kapitel 11

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Cameron

Im Radio spricht der Wetterdienst von einem kurzzeitigen Gewitter, das in ein paar Stunden vorbei sein sollte, als ich den Wagen vorm Haus parke. Meiner Meinung nach eine ziemlich optimistische Vorhersage, wenn man den starken Regen und das Lichtspiel am Himmel bedenkt. Meine Augen schweifen zum Haus, das man wohl eher einen größeren Bungalow nennen könnte, wenn man es sich von außen ansah. Die kleine Rasenfläche vor der vorderen Fassade leidet höchstwahrscheinlich ziemlich unter dem heftigen Regenfall, und die vereinzelten Blumen, die Mom vor ein paar Monaten in die Töpfe auf die äußeren Fensterbänke gestellt hatte, um unsere Nachbarn zufrieden zu stellen, sind bereits unter dem Druck eingegangen.

Nachdem ich den Motor ausgeschaltet habe, greife ich nach hinten zu meiner Sporttasche und meinem Rucksack, bevor ich aus dem Auto springe und zur Haustür stürme. Ich reiße mir hastig die klitschnasse Bomberjacke vom Körper und ziehe meine Schuhe aus. Nichts würde ich jetzt lieber machen, als in trockene Klamotten zu schlüpfen.

Auf dem Weg zu meinem Zimmer halte ich am Türrahmen zur Küche inne.

»Mom?«

Meine Mutter hebt kurz den Kopf und schenkt mir ein müdes Lächeln, bevor sie sich wieder dem, was auch immer da gerade auf dem Herd köchelt, zuwendet. Ich trete stirnrunzelnd in den Raum. »Warum bist du schon hier? Ich dachte, du hättest eine Doppelschicht?«, frage ich.

Die kleine Küche, die bloß aus einem Kühlschrank, einem Herd mit Ofen und einem Spülbecken besteht, wird mit einer steinernen Theke vom Wohnzimmer abgetrennt, auf der eine schmale Glasvase mit bereits verwelkten Blumen steht und sich mehrere Briefumschläge stapeln. Unauffällig lasse ich meine Augen über die Betreffe der Oberen gleiten. Mir ist klar, dass es noch zu früh dafür ist, aber die Hoffnung, dass ein Scout mich in der letzten Season bei einem unserer Spiele gesehen hat und mir nun ein Stipendium für College-Eishockey anbieten will, sitzt bereits zu tief, als das ich es lassen könnte.

»Christie und ich haben die Schichten getauscht. Sie übernimmt meine Nachtschicht, dafür muss ich erst wieder morgen früh anfangen.« Aus Moms Tonfall ist die Erleichterung kaum zu überhören. Als sie sich wieder mehr in meine Richtung dreht, kann ich die dunklen Ringe unter ihren Augen sehen. Ihre Wangen sind eingefallen und ihr sonst so olivfarbener Teint wirkt aschfahl. »Wir können also zusammen essen«, fügt sie lächelnd hinzu, doch ihr Lächeln erreicht ihre Augen nicht. Ich kann sehen, dass sie sich viel lieber ins Bett legen würde, anstatt nach einer Zehn-Stunden-Schicht noch auf den Beinen zu sein.

Plötzlich wird die Lautstärke am Fernseher höher gestellt, die euphorischen Stimmen der Moderatoren eines Baseball-Spiels dröhnen durch den Raum, und erst jetzt wird mir bewusst, dass auch Mike im Raum ist. Ich beiße die Zähne zusammen, als ich seine träge Gestallt auf dem abgewetzten braunen Sofa sehe, wie er seine Füße samt Arbeitsschuhe auf dem Couchtisch abgestellt hat und mit einer Bierflasche in der Hand dem Spiel im Fernsehen folgt. Natürlich flenzt er vorm Fernseher, während sie sich den Arsch aufreißt.

Ich trete um die Theke herum und schließe die Arme um Mom. Sie hört sofort auf Zwiebeln zu schneiden, dreht sich in meinen Armen um und legt ihren Kopf an meine Brust. Ich bin fast zwei Köpfe größer als meine Mom, weswegen es mir manchmal ziemlich komisch vorkommt, wenn sie mich wegen irgendeinem Mist, den ich verbrochen habe, ausschimpft.

»Ach, mein großer Junge«, seufzt sie und schmiegt sich in die Umarmung. »Ich vermisse deine Gesellschaft, mein Lieber.«

»Wir sind beide ziemlich beschäftigt«, murmele ich halbherzig.

Als sie sich dann irgendwann aus der Umarmung löst und wieder nach dem Messer greift, frage ich: »Kann ich dir helfen?«

Sie schnalzt kopfschüttelnd mit der Zunge und fängt an die Zwiebel weiterzuhacken. »Zieh du dir erstmal etwas warmes an, du bist nasser als eine Katze, die in einen Brunnen gefallen ist.« Sie schüttelt sich einmal.

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