Kapitel 9

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𝗠𝗼𝗿𝗴𝗮𝗻

»Hier.« Cameron holt plötzlich ein Handtuch vom Rücksitz hervor und hält es mir hin. Ich beäuge den grauen Frotteestoff kritisch, woraufhin Cameron die Augen verdreht. »Keine Sorge, es ist unbenutzt. Ich habe immer ein Handtuch zur Reserve in meiner Sporttasche.«

Als ich immer noch keine Anstalten mache, nach dem Tuch zu greifen, zieht er seine Hand wieder zurück und rubbelt sich kurz übers eigene Haar, um sie ein wenig zu trocknen. Danach legt er es vor mich aufs Armaturenbrett und startet den Wagen. Als er vom Parkplatz fährt, greife ich kleinlaut nach dem Handtuch, lege es um meine Haare und wringe sie damit ein wenig aus. Meine Haare reichen mir offen knapp bis zur Hälfte meiner Taille, und eigentlich bin ich sehr zufrieden mit dieser Länge, allerdings sind sie nass ein wahrer Kampf.

Ich hätte eigentlich gedacht, dass der Motor klappernd zum Leben erwachen würde, wenn man den äußerlichen Zustand des Wagens bedenkt, doch der Truck fährt ziemlich geräuschlos über die holprigen Straßen. Das einzige Geräusch im Wageninneren ist das heftige Plätschern auf der Windschutzscheibe. Camerons Scheibenwischer haben Mühe mitzuhalten und eine klare Sicht zu schaffen.

Normalerweise liebe ich dieses Wetter, aber dann auch nur, wenn ich im Warmen sitze und von drinnen den Regen und das Gewitter bestaunen kann.

Wie auf Kommando durchzuckt ein weiterer Blitz den dunklen Himmel, gleich gefolgt von einem krachenden Donnerschlag.

»Danke, dass du mich mitnimmst«, breche ich das Schweigen, das mich allmählich wahnsinnig gemacht hat. Wird er nun darauf zurückkommen, dass ich die letzten Wochen vor ihm weggerannt bin und ihn gemieden habe? Immerhin hat er, wie er gerade auch schon gesagt hat, nun seine Chance mit mir zu reden, ohne das ich abhauen kann. Wohin auch?

»Kein Problem.« Er nimmt nicht eine Sekunde seine Augen von der Straße, was mich ein wenig beruhigt, einerseits, weil er so vielleicht nicht bemerkt, wie nervös ich bin, und anderseits scheint er wohl ein vorsichtiger Autofahrer zu sein. Das ist mir immer sehr wichtig. Warum ich gerade bei Cameron so froh darüber bin, weiß ich nicht.

»Du müsstest mir nur deine Adresse sagen«, wirft er dann ein.

Ich sage ihm den Namen meiner Straße und er nickt knapp. Es verunsichert mich, dass er sonst nicht redet. Klar, er wirkt auf mich jetzt nicht wie ein großer Redner, aber dass er die Gelegenheit nicht nutzt, verwirrt mich.

»Willst du endlich anfangen zu sprechen?«, brumme ich und sinke ein wenig in den Sitz, um mich klein zu machen.

Cameron sieht mich kurz an, wobei er überrascht die dunklen Augenbrauen nach oben zieht, bevor er seinen Blick wieder nach vorne richtet. »Worüber?«, fragt er scheinheilig. Ich kneife die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

»Tu doch nicht so. Du hast die Gelegenheit, nutze sie dann auch gefälligst.« Meine Laune sinkt mit jeder verstreichenden Minute, in der er weiterhin schweigt.

Als wir vor einer roten Ampel halten, dreht er sich dann endlich zu mir um. »Na schön.« Sein Blick wandert wieder an mir herunter, als suche er etwas, was ihm mein mysteriöses Verhalten erklärt. »Warum bist du vor mir weggerannt?«, fragt er und sieht stirnrunzelnd zu mir. Ich knabbere an meiner Unterlippe und schiele zu der Ampel, die weiterhin rot leuchtet.

»Weil ich mich bedrängt gefühlt habe«, gebe ich dann als Antwort und fühle mich sofort schlecht, als in Camerons Augen Schuld zu sehen ist. Eigentlich war er gar nicht aufdringlich, nur hartnäckig. Er wollte einfach unbedingt, dass ich ihm zuhöre, und ich bin vor ihm weggerannt, wie ein feiges Huhn, bloß weil ich nicht über den Grund reden wollte, warum ich die Cafeteria mied.

»Das war wirklich nicht meine Absicht«, beteuert er hastig.

»Ich weiß.« Ich ziehe eine Grimasse. »Du willst bloß mit mir reden.«

The PactWo Geschichten leben. Entdecke jetzt