"Meine Damen und Herren, der Sieger der 65. Hungerspiele ist Finnick Odair!"
Ich kreische in meinem Sessel auf und drücke mir die Hand auf die Brust. Tränen strömen über meine Augen. Zwei Wochen der Folter haben endlich ein Ende. Meine Mutter umarmt mich. Es ist endlich vorbei.
Ich hatte meinem Bruder bei zusehen müssen, wie er in der Arena verfolgt wurde, gehungert hat und fast verdurstet ist und mehrmals nur um haaresbreite dem Tod entkommen ist.
An unserer Tür klopft es und Mutter öffnet die Tür. Salzgeschwängerte Luft strömt ins Innere. Draußen vor unserer kleinen Hütte stehen die Nachbarn. Sie jubeln und umarmen meine Mutter und dann mich.
Ich bin wie in Trance und vergesse sofort wieder, was sie zu mir sagen.Zehn Tage dauert es, bis eine offizielle Meldung des Kapitols kommt und uns alle zum Bahnhof beordert. Meine Mutter und ich bekamen einen Platz genz vorne in der Menge zugewiesen und warten auf die Ankunft von Finnick.
Es dauert über eine halbe Stunde, bis wir das Surren des Schnellzugs des Kapitols hören. Als der Zug abbremst, quietschen die Räder auf den Schienen. Langsam schiebt sich der Zug in den Bahnhof. Die Kamerateams wuseln umher wie Bienen um den Zug und unsere Reaktionen einzufangen.
Die Tür geht auf und ich sehe meinen Bruder.
"Finnick!", schreie ich, doch mein Ruf geht in der Menge unter, die alle anfangen zu jubeln. Ich will loslaufen und zu Finnick laufen, ihn umarmen und nie wieder loslassen, weil er es geschafft hat, doch ein Friedenswächter hält mich fest, bis ihn ein Kameramann ein Zeichen gibt und er mich loslässt.
Ich stürme auf meinen Bruder zu, rufe dabei seinen Namen. Er dreht sich in meine Richtung und ich sehe, wie sich das aufgesetzte Lächeln für das Publikum in echte, strahlende Freude wandelt.
"Alyssa!", ruft er und öffnet seine Arme für mich. Ich werfe mich hinein und er hält mich fest. Ich drücke ihn so fest an mich, wie ich kann und will ihn gar nicht loslassen. Ein Seufzer ertönt in der Menge und ich weiß, dass dieser Seufzer sich gerade durch ganz Panem zieht. Ich rieche Finnicks Duft. Obwohl er mit Parfüm und Körperölen bedeckt ist, riche ich doch noch den Geruch von Meersalz, der immer an Finnick haftet.
"Ich hab dich so sehr vermisst", flüstert er in mein Ohr.
"Du bist zu Hause", sage ich nur und blicke auf. Ich sehe Finnick und mich auf den Bildschirmen. Finnick hält mich in den Armen wie eine kleine Puppe.
Unsere Mutter kommt hinzu und nimmt Finnick in Beschlag. Ich fühle mich kalt, als er mich loslässt.
Mein Bruder kehrt heim und ganz Panem sieht zu. Ganz Panem sieht mir zu, wie ich mir eine Träne abwische und meinem Bruder folge.In den nächsten Jahren ist Finnick viel weg. Sowohl physisch als auch psychisch. Im ersten Jahr ist er auf der Tour der Sieger unterwegs. Danach geht er jedes Jahr als Mentor ins Kapitol. Die Besuche zermürben ihn. Ich sehe es ihm an, wenn er mit eingefallen Wangen und matten Augen aus dem Kaptiol zurückkommt.
In seinem zweiten Jahr als Mentor wird er sechzehn. Als er nach den Spielen zurück kam schließt er sich im Badezimmer ein. Ich hörr ihn durch die Tür weinen. Stundenlang sitze ich vor der Tür. Bin bei ihm, auch wenn er mich nicht einlässt. Ich rede die ganze Zeit. Ich erzähle von meinen vergangenen Tagen und dem Fischfang und meinem Fortschritt beim Segeln. Es dauert ewig, bis er aufschließt und mich einlässt. Als ich ihn umarme, zuckt er, doch dann lehnt Finnick sich gegen mich. Er erzählt mir nicht, was passiert ist.
Danach beginnt er, mich zu trainieren. Ich trainiere schon seit ich klein bin, doch Finnick bringt mir Dinge bei, die nur ein Sieger wissen kann. Er spricht wenig und lächelt fasst gar nicht mehr.
Die einzige Erklärung, die er mir gibt ist, dass er mich vorbereiten möchte, weil er sich sicher ist, dass ich früher oder später auch in einer Arena stehen werde. Zu diesem Zeitpunkt bin ich 10 Jahre alt.Finnick soll recht haben. Es dauert sechs Jahre und mehrere Nervenaufreibende Spiele, bis ich bei der Ernte zu den 71. Hungerspielen auf dem Marktplatz stehe und auf die Auswahlzeremonie warte. Ich trage meine besten Klamotten. Eine weite, elegante Hose, die wie Wellen um meine Beine weht und ein Oberteil, das ich selbst genäht habe und mein größter Stolz ist. Ich hatte mein Outfit extra so gewählt, dass ich besonders gut aussehe. Sollte ich gezogen werden, so bin ich direkt ein Hingucker. Ich will den Menschen in Erinnerung bleiben. Finnick hat mir gesagt, ich soll das tun um Sponsoren auf mich aufmerksam zu machen.
Ich kaue nervös auf meiner Unterlippe herum. Gerade geht das Gerücht um, dass es dieses Jahr kein freiwilliges, weibliches Tribut gibt. Das macht meine Chancen direkt viel schlechter. Die Jungen haben anscheinend drei Freiwillige.Ein Mann betritt die Bühne, der von uns nur der Papagei genannt wird. Er ist aus dem Kaptiol und kümmert dich um die Erntezeremonie und anschließend um die Tribute. Wir nennen ihn den Papagei, weil er mit seinen bunten Klamotten und verrückten Perrücken überhaupt nicht nach Distrikt 4 und unseren Bungalows und Schilfhütten passt. Hinter dem Papagei kommt der Bürgermeister auf die Bühne, nach ihm die vergangenen Sieger. Finnick ist unter ihnen. Genauso, wie Mags, die für mich wie eine zweite Mutter ist, weil sie sich viel um Finnick und mich kümmert, wenn unsere Mutter oft tagelang auf Fischkuttern unterwegs ist.
Als letztes betritt Annie Cresta die Bühne. Sie hat letztes Jahr die Spiele gwonnen und ist neu unter dem Kreis der Sieger. Man sieht es ihr an, dass sie sich auf dem Podest nicht wohlfühlt. Finnick sitzt neben ihr. Ich sehen ihn in der Menge suchen. Es dauert eine Weile, bis er mich gefunden hat, doch dann nickt er mir aufmunternd zu.
Der Papagei fängt an zu plappern: "Fröhlich Hungerspiele", sagt er auf die übertrieben akzentuierte Art des Kaptiols, "und möge das Glück stets mit euch sein!"
Es folgt wenig begeisterter Applaus. Der Papagei lässt sich davon aber nicht aufhalten und erzählt davon, wie sehr er sich darüber freut, hier zu sein und was für aufregende Wochen vor uns liegen. Dann zeigt er den Film, der jedes Jahr zur Ernte gezeigt wird und dessen Worte ich mittlerweile auswendig mitsprechen kann.
Der Filmclip endet mit der Hymne von Panem. Dann wird der Bildschirm schwarz und der Papagei tritt wieder ans Mikro.
"Und wie jedes Jahr, wählen wir die diesjährigen Tribute aus. Wie immer: Ladies first!"
Er geht zu der großen Glaskugel mit den Mädchennamen.
Mein Atem geht sehr oberflächlich, während ich seine Hand beobachte, die über den Zetteln kreist. Ich kann nicht hinsehen und hebe meine Augen in den Himmel.
Ich darf nicht schwach wirken, sage ich mir selbst, Wenn mein erster Eindruck ist, dass ich anfange zu weinen, war's das.
Ich versuche ruhig zu atmen, doch meine Kehle fühlt sich so an, als wäre sie mit einem dünnen Draht verschnürrt. Ich schließe meine Augen und sauge tief die Luft ein.Und dann höre ich den Namen:
"Alyssa Odair!"
![](https://img.wattpad.com/cover/347220372-288-k858961.jpg)
DU LIEST GERADE
Games of the Sea (Tribute von Panem ff)
FanfictionAls Alyssas Name bei der Ernte fällt, horcht ganz Panem auf. Finnick Odairs kleine Schwester wird in den Hungerspielen antreten! Das Kapitol ist begeistert, doch für Alyssa zählt nur der eine selbstsüchtige Gedanke, dass sie überleben will. Und so b...