Psychische Störung

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Am nächsten Morgen beginnt meine Therapie bei Lou Kaichonski.
Wir treffen uns in meinem gewohnten Umfeld, oder zumindest einigermaßen, denn sie hat uns eine Boulderhalle gebucht.
„Charlotte, ich bin hier, um dir zu helfen, du musst dich dafür aber auch öffnen. Ich mache es dir einfacher. Meine Nichten und mein Neffe haben mir erzählt, dass du beim klettern in deinem Element bist und dich dabei vielleicht öffnen könntest. Daher sind wir jetzt hier. Dies ist dein Safeplace. Alles was hier drinnen besprochen wird, verlässt den Raum nicht. Wir werden uns gleich in die Klettergurte spannen und dann klettern, dann erzählst du mir, was dich beschäftigt. Danach stelle ich meine Diagnose und darauf können wir dann aufbauen. Keine Angst, du wirst genug Zeit haben, für deine Prüfungen zu lernen, darauf achte ich schon.", sagt sie und holt zwei Klettergeschirre aus einem Schrank.

Ich bin allerdings schon am hochklettern und springe bei einer Höhe von etwa drei Metern auf die Matte. „Ms Kaichonski, Bouldern ist aber ohne Geschirr. Aber wenn Sie wünschen, dann trage ich Ihnen zu liebe eines.", sage ich, doch sie grinst und reicht mir die Hand. „Charly, ich bin Louisa, oder Lou, wobei ich lieber Lou bin. Es ist alles vertraulich hier. Du musst nichts tun, was du nicht willst.", sagt sie und drückt mir den Klettergurt in die Hand.
Schnell ziehe ich das Geschirr an und befestige es, damit ich klettern kann.

Die irren Iren hat wirklich recht, dass ist das, wo ich sicher bin, wo ich ich sein kann.
„Charly, ich möchte, dass du mir von dem erzählst, wie sich dein Leben für dich anfühlt. Du kannst über alles reden, über deine Kindheit, über die letzten Jahre und über heute. Ich höre dir zu und versuche herauszufinden, was mit dir passiert ist.", sagt Lou und klettert mir hinterher.

„Ich gehe davon aus, dass sie die Story mit meiner toten Schwester kennen. Von da an, haben unsere Eltern mich immer nur beschützen wollen. Es kam, wie es kommen musste, ich habe mich irgendwann nachts rausgeschlichen, mein Leben gelebt. Du musst das kennen, als Lady. Der Mann, der meine Schwester ermordet hat, hat mich irgendwann, ich war seine Schülerin, vergewaltigt. Ich war vielleicht zehn oder elf. Doch ich habe es nie jemandem erzählt. Nicht meinen Eltern, nicht der Polizei. Ich habe bereits zwei Abtreibungen hinter mir, beide medizinisch. Es wurde zu viel, dann habe ich angefangen, Geschichten über meine Lehrer zu schreiben und wie ich diese ermorde. Es war die einzige Möglichkeit, um während Covid 19 einigermaßen einen kühlen Kopf zu behalten. Meine eine Lehrerin hat mitbekommen, dass ich während des Unterrichts nicht aufpasse und meinte, ich solle nachsitze. Dabei habe ich diese eine Lehrerin erdolcht. Meine Freunde, die davon wussten, haben mich gedeckt. Einige Wochen später kam der Anruf, dass wir alle ein Stipendium hier erhalten haben und das Schuljahr sofort beginnen wird. Somit bin ich hier angekommen. Meine Eltern wussten nichts davon, was das hier für eine Schule ist.", sage ich klettere immer höher, nur um mich bei einer Höhe von fünfundzwanzig Metern abzuseilen und von vorne zu beginnen.

„Ich hatte diesen Unfall, mit meiner einen Freundin Luise. Sie wurde schwer verletzt, es geht ihr aber wieder gut. Meine Eltern kamen zu mir ins Krankenhaus, ich habe ihnen die kalte Schulter gezeigt und gesagt, dass sie mich mal am Arsch lecken könnten. Seit da haben sie keine Schulkosten mehr übernommen, ich muss arbeiten und dann ist auch noch mein Vergewaltiger hier aufgetaucht, hat sich als Vater von Mrs Scott und als Großvater von Lewis Wilson entpuppt. Er sieht ihm so ähnlich. Was in Irland passiert ist, weißt du ja. Ich habe die Nerven verloren. Das passiert mir nur selten. Wenn ich merke, dass ich nicht mehr kann, dann gehe ich vor das Schulgelände und zünde mir eine Zigarette an, die ich dann rauche und dann geht es mir besser. Aber ich habe schon so viele Tage auch einfach weinend in meinem Bett verbracht seit da, ich kann nicht mehr schlafen, ich habe Paranoia, dass Mr Pearce irgendwo in meiner Nähe ist. Und ich spüre noch immer den Druck meiner Eltern. Sie waren immer so drauf, dass sie mir alles ermöglichen, ja, das haben sie. Doch trotzdem habe ich eine ganze Menge für sie gemacht und ich wurde ihnen nie gerecht. Egal, ob ich das Haus von oben bis unten geputzt habe, ob ich eingekauft habe für zehn Personen oder mehr. Ich habe vielleicht ein kleines Danke, aber hätten wir auch machen können, abbekommen. Und dann darf ich mir im Nachhinein anhören, dass ich ja nur noch im Bett liegen würde und vor mich hin vegetieren würde. Ich schließe mich halt lieber in meinem Zimmer ein, um dem ganzen Ärger zu entgehen, als mich direkt ins Getümmel zu stürzen und meinen Kopf zu riskieren. Das Leben in meiner Familie ist ein Weltkrieg. Wir sind alle verschiedene Länder in diesem Krieg. Und jetzt ist meine Grandma gestorben, mein Grandpa wird nicht mehr lange leben, weil er den Schmerz nicht erträgt. Wir kämpfen zu lange gegeneinander. Am Ende wird es keinen Sieger oder Verlierer geben, nur Tote.", sage ich und wische mir vorsichtig eine Träne aus dem Augenwinkel.

Schule des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt