Eine Ära endet

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Als wir einige Tage später die Beerdigung fertig geplant haben, ist es soweit.
Der Morgen der Beerdigung.
Ich ziehe mich morgens an. Zum Glück gibt es keine Schuluniformen für Beerdigungen, denn sonst würde die Schule wahrscheinlich wirklich demnächst geschlossen werden.
Ich habe eine weite schwarze Hose und ein schwarzes Top an, über dem ich noch eine offene, durchsichtige Bluse trage. Wäre es jetzt in einem Einsatz des Geheimdienstes passiert, dann wäre ich gezwungen gewesen, Uniform zu tragen. Denn das ist in der Zwischenzeit auch noch passiert: Wir sind alle in den britischen Geheimdienst aufgenommen worden. Theoretisch auch Charly, aber sie wurde nur nochmal für ihren Einsatz geehrt. Mehr nicht. Hallo, da ist jemand mehr oder weniger bei der Aufnahmeprüfung gestorben! Da muss doch mehr kommen. Aber immerhin bekommt sie ein staatlich bezahltes Begräbnis, auf dem Friedhof, auf dem einige berühmte Geheimagenten liegen.
Es ist kurz vor elf, höchste Zeit für mich, in die Kathedrale zu gehen.
Ich trage eine einzelne weiße Rose in meiner Hand, die so sehr strahlt, wie es Charly immer getan hat.
Als ich an den ganzen Bänken vorbeigehe, nicken mir viele meiner Mitschüler zu. Ganz vorne sitzen Mr und Mrs Evans, die wir doch nicht davon abhalten konnten, aufzutauchen. Daneben sitzt Fred mit Grandpa Robert. Und daneben setze ich mich. Robert hat darauf bestanden, dass ich mich zu ihm hinsetze.

Immer mehr Schüler und alte Freunde von Charlotte aus Liverpool kommen herein, die Iren sind allesamt da.
Pünktlich beginnt der Gottesdienst, durch den uns die Liverpooler Pastorin führt, die sie damals konfirmiert hat. Charly hat auch darauf bestanden.
Es spielt Klaviermusik. River flows in you von Yiruma. Mir laufen schon jetzt die Tränen hinunter. Die letzten Tage habe ich sie noch relativ gut verstecken können.
Dann steht die Pastorin auf und richtet ihre Worte an uns, Charly's Freunde und Familie.
„Wir sind heute hier in der St Pauls Cathedrale zusammengekommen, um den letzten Weg mit unserer Freundin, Tochter, Enkelin und Klassenkameradin Charlotte Victoria Evans zu gehen. Als mich die Nachricht ihres Todes erreicht hat, war ich schockiert, traurig, fassungslos. Wir wissen alle, was für ein besonderer Mensch Charly war. Sie hatte, nein, sie hat Feuer. Charlotte ist aber auch ein Mensch, der immer ein offenes Ohr für ihre liebsten hat. Vor vielen Jahren haben wir ihre Schwester verabschiedet, heute verabschieden wir uns von Charly; einem Menschen, der viel zu früh gegangen ist, der leidenschaftlich war und emphatisch und vor allem mitfühlend war. Ich habe gehört, dass sie viele ihrer Freunde gerettet hat, indem sie sich geopfert hat. Diese Freunde haben etwas vorbereitet. Ihr seid dran, meine lieben!", beginnt sie.

Meine Freunde und ich stehen auf und stellen uns nach vorne, wobei mir schon jetzt ein Kloß im Hals steckt, als ich an Charly's Sarg vorbeigehe.
„Charlotte hatte schon vor langer Zeit mit einer ihrer Freundinnen ihre Beerdigung geplant. Der Grund ist uns nicht klar, aber was wir wissen, ist, dass sie nicht wollte, dass wir alle zusammenkommen, um zu trauern, sondern um ihr Leben zu feiern. Denn so war Charly! Sie hat ihr Leben gefeiert. Selbst an dem Abend ihres Ablebens, waren wir noch alle zusammen in London feiern. Wir, die Schüler der renommierten internationalen Schule für besondere Begabungen haben uns etwas einfallen lassen, damit dies auch hier passieren kann. Natürlich trauern wir alle, aber warum tun wir das nicht mit Style? Also zieht euch die Trauerkleidung aus, packt sie in die Tüten unter den Kirchenbänken und nehmt sie mit, wenn ihr nach Hause fahrt. Los, los, wir haben noch ein bisschen was vor hier.", sagt Lewis. Er war zwar an dem Abend nicht dabei, aber es ist vielleicht leichter für ihn, als für uns, so über Charlotte zu sprechen.
Er macht sämtliches Licht aus und lässt eine Leinwand hinunter, auf der eines der letzten Videos von Charly angespielt wird. Besser gesagt, von uns beiden, wie wir tanzend, lachend und küssend im Club feiern. Es spielt nur wenige Stunden vor ihrem Tod, dass weiß ich.
Mir laufen die Tränen hinunter, als ich auf die Leinwand sehe. Zum Glück stehen George, Noah, Freya, Luise, Annabeth, Lewis und ich Arm in Arm auf dem Podest, sodass ich nicht die einzige bin, deren Welt vollkommen zusammenbricht.
Im Hintergrund spielt das Deutsche Lied Komet, in dem heißt: Und wenn ich geh, dann so wie ich gekommen bin, wie ein Komet, der zweimal einschlägt. Vielleicht tut es weh, doch will auf Nummer sicher gehen, dass ich für immer leb! Lass uns nochmal aufdrehen!
Es passt so gut, auch wenn hier kaum einer den Text versteht, doch der Text wird auf Englisch als Untertitel angezeigt.

Schule des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt