Bestrafung?

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Auf einmal bricht ein tosender Applaus in dem Saal aus. Ich jedoch sinke erschöpft auf der Bank zusammen und halte meine zitternden Beine fest. Freya, Annabeth und Luise versuchen mich zu beruhigen. Tränen der Erschöpfung laufen meine Wangen hinunter.
„Der Unterricht ist beendet, Charlotte, du bleibst bitte noch kurz hier.", sagt Mr Scott. Noah sieht mich an und flüstert: „Ich warte vor der Tür auf dich." Ich nicke und taumel nach vorne zu meinem Lehrer, der ebenfalls ein wenig mitgenommen aussieht. Ich erwarte, dass er mich gleich erstmal anschreit, deswegen versuche ich direkt meine Tränen einzuschließen.
Doch er tut es nicht, er stellt mir einen Stuhl hin und sagt mit ruhiger, jedoch etwas bebender Stimme: „Charlotte, weißt du, weshalb du hier bist?" Ich schüttle den Kopf, so wirklich weiß ich nicht, wieso ich es an diese Schule geschafft habe. „Du warst es, die meine Frau umgebracht hat, du hast echtes Potential, Serienmörder umzubringen. Ich habe dich gestern und heute ein wenig beobachtet und auch schon bevor ihr hier wart, habe ich es getan. Du hast zwar echtes Potential und unter den richtigen Lehrern wirst du auch eine brillante Killerin, aber ich habe deine Achillesferse direkt gefunden. Du weißt, das Liebe dich schwach macht. Man könnte dich damit erpressen und dann wirst du weich. Ich möchte, dass du, solange du im Auftragsmodus bist, deine Gefühle abschaltest und niemanden sehen lässt, was du wirklich empfindest. Wenn du verhätschelt werden willst, dann bitte Ms Tuttle darum, sie ist die Schulpsychologin. Doch ich glaube, dass du auch ohne sie auskommen wirst, erst nach dem ersten Mord, den du im Auftrag der Schule ausführen wirst, wirst du sie brauchen. Aber du wirst dich, wie ich dich nun kennengelernt habe, erst einmal über das Blut an deinen Händen freuen, bevor du zu ihr gehen wirst. Und Carlotta, ich bitte dich, mach keinen Blödsinn und verliebe dich zu sehr, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr getrennte Wege gehen werdet, um den anderen nicht zu gefährden. Er macht dich schwach und das werden andere irgendwann ausnutzen! Und nun geh deinen Weg, wir sehen uns Montag wieder! Ein schönes Wochenende."
Ich nicke, wünsche ihm auch ein schönes Wochenende und gehe aus dem Raum.
Kaum bin ich draußen, ertönt eine Durchsage durch die Lautsprecher. „Charlotte Williams, bitte einmal in das Direktorat, jetzt sofort." Noah, der noch vor dem Raum steht, sieht mich erschrocken an. Ich schüttle den Kopf und mache mich auf, um zu Mrs Cooper zu gehen. Noah begleitet mich noch ein Stück, sagt dann aber, dass er in unser gemeinsames Zimmer gehen wird, um noch ein wenig Schlaf abzubekommen. Mal wieder typisch für ihn, Hauptsache er muss nicht zum Latein Unterricht. Ich wünsche ihm viel Spaß und gehe dann festen Schrittes zu Mrs Coopers Büro.
„Ach Charlotte, gut, dass du da bist. Ich habe eben mal eure erste Unterrichtsstunde beobachtet, der Anfang lief ja nicht so gut, aber dann, wie du Mr Scott attackiert hast ... normalerweise wäre ich wütend, aber das hast du echt souverän gemeistert. Es haben noch nicht viele überhaupt Mr Scott bezwungen und es dann auch noch unverletzt überlebt. Auch, wenn das Messer echt nicht hätte sein müssen." Ich sehe zu meinen Füßen hinunter. „Charlotte, bitte sieh mich an. Ich möchte, dass wir beide uns täglich eine Stunde sehen, ich kläre das mit deinen Lehrern ab, aber ich möchte dir gerne selbst ein wenig Unterricht geben, da gerade bei dir großes Potential vorhanden ist. Es gibt nur wenige Schüler, die überhaupt schon mit einem Killcount an die Schule gekommen sind und dann auch noch am ersten Tag fast einen Lehrer ermordet haben. Diese Schule ist seit fast zweihundert Jahren im Besitz meiner Familie und ich kann mir gut vorstellen, dass, dadurch, dass ich keine Geschwister oder Kinder habe, die Schule irgendwann in die Hände eines anderen fallen wird. Ich kenne dich zwar noch nicht gut genug, aber ich würde gerne dir später diese Aufgabe geben. Denn ein solches Potential sollte man mehr als nur würdigen."
Ich sehe sie geschockt an. Ich soll einmal diese Schule führen? Die will mich doch verarschen! Ich bedanke mich und will gerade aufstehen, als sie noch sagt: „Charlotte, dieses Wochenende ist es Zeit für die jüngeren Schüler ihre Heimatstädte zu besuchen, vielleicht wollt ihr ja alle nach Liverpool zurück und ein wenig den Einstand in der Schule feiern." Ich nicke nur und verlasse dann das Direktorat.
Sofort zieht es mich auf das Zimmer, welches meine Freunde und ich uns teilen, doch außer Noah ist niemand da. Ich lege mich auf das Bett und schlafe sofort ein.
In Gedanken bin ich wieder bei dem Kampf vorhin gegen Noah. Ich muss es ihm sagen, auch wenn es sehr komisch zwischen uns werden könnte. Immerhin ist er so etwas ähnliches wie mein bester Freund.
Unruhig wälze ich mich in dem Bett hin und her und wache erst auf, als Noah neben dem Bett steht und meine Hand festhält, damit ich nicht weiter um mich schlage. Ich erschrecke mich jedoch so sehr, dass ich ihm einen saftigen Tritt verpasse und aus dem Bett springe.
„Oh Gott, es tut mir so leid Noah, das wollte ich nicht, du hast mich nur so sehr erschreckt. Geht es dir gut?", stottere ich. Es ist mir ein wenig peinlich, doch er sagt nur: „Mir geht es gut, aber dir scheinbar nicht, du hattest einen Krampfanfall. Das ist der Grund, weshalb ich dich geweckt habe. Ich habe mir ein wenig Sorgen gemacht." Ich blicke auf meine Handinnenflächen. Halbmondförmige Einbuchtungen von meinen Fingernägeln sind zu sehen. Ich verdrehe genervt die Augen. „Nicht schon wieder.", murmle ich leise, in der Hoffnung, dass er es nicht hört. Er zieht verwundert die Augenbraue hoch. Ich schüttle nur den Kopf.
„Mrs Cooper meinte, wir können dieses Wochenende zurück nach Liverpool und ein wenig Clubbing machen.", sage ich ganz nebenbei, um von meinen Krampfanfällen abzulenken.
Gegen Mittag steht fest: Wir fahren übers Wochenende zusammen nach Liverpool, um saufen zu gehen.
Also sitzen wir am Nachmittag im Zug nach Liverpool zurück und verbringen den restlichen Tag mit unseren Familien, bevor wir abends gemeinsam durch die Straßen ziehen und uns in einen Pub setzen.
Irgendwann, wir haben bestimmt schon fast 1,5‰ intus, torkeln wir gut angetrunken durch die Straßen. Irgendwann beginnen Luise und Freya, Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Sie nehmen Noah dran, welcher Pflicht nimmt und sagen: „Du musst Charlie küssen."
Ich lächle, irgendwie müssen sie etwas erahnen, aber kann ich mir da wirklich sicher sein.
„Das kann ich nicht!", sagt Noah gerade, doch dann sagt Luise: „Kannst egal wohin, aber die Strafe wäre schlimmer."
Also kommt Noah zu mir und Annabeth nach vorne und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich denke darüber nach, was wäre, wenn ich mich einfach zur Seite drehen würde und ihm einfach einen Kuss auf den Mund geben würde, doch dann löst er seine zarten Lippen schon von meiner Stirn und geht wieder zu den anderen nach hinten.
Ich sehe ihm ein wenig enttäuscht hinterher. Doch wenn er doch nichts für mich empfindet, dann kann ich da auch nichts gegen tun.
Also gehe ich festen Schrittes weiter, in der Hoffnung, von ihm würde eventuell doch noch etwas kommen. Doch meine Hoffnung ist vergebens. Allerdings nimmt er mich als nächstes dran und ich wähle Wahrheit. „Charlie, hast du zurzeit einen Crush auf jemanden? Oder immer noch auf Luke?", fragt er mich. Er weiß ganz genau, dass Luke Vergangenheit ist, also sage ich, vielleicht ein wenig biestiger als geplant: „Äh, Nein. Ich habe zurzeit keinen Crush!" So ganz der Wahrheit entsprach dies ja nicht, aber ich tue mal so, als wäre es wahr.
Noch ein wenig spielen wir weiter, dann gehen wir zu mir nach Hause und legen uns schlafen.
Doch nach diesem Tag, der Enttäuschung meinerseits und generell dem Punkt, dass ich Noah zwar täglich sehe, aber trotzdem nichts für ihn empfinden darf, kann ich nicht schlafen. Also tigere ich durch das Haus und lausche dem nächtlichen Verkehr Liverpools vor dem Fenster.
Am nächsten morgen mache ich Frühstück für meine Familie und meine Freunde und gehe nach oben, um die anderen zu wecken. Ein wenig traurig und sehnsüchtig sehe ich zu, wie Noah sich noch mehr zu Freya hinüber windet, um meinen Finger, die ihn vergeblich versuchen, wachzukitzeln, zu entkommen.
„Guten Morgen, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe einen zwei Kilometer Filmriss. Absolut keine Ahnung, was aufm Weg nach Hause passiert ist.", sage ich, nachdem alle wach sind. Freya, die letzte Nacht noch ordentlich gelallt hat, sagt: „Sei froh, du hast wenigstens keinen Kater." Ich grinse, drücke ihr eine Packung Ibuprofen und eine Flasche Wasser in die Hand und sehe in die Runde. Niemand scheint noch einen Filmriss zu haben. Okay gut, so wirklich habe ich den auch nicht, aber um Noahs Willen und dass wir nochmal über den Kuss reden können, tue ich es. Doch er schweigt.
Also frühstücken wir gemeinsam und die anderen gehen nach Hause. Am Abend würden wir sowieso wieder nach London fahren, damit wir pünktlich wieder in London in der Schule sind.
Den Nachmittag, nachdem alle gegangen sind, verbringe ich damit, eine neue Kurzgeschichte zu schreiben, nur für den Fall, dass ich es Noah gegenüber nicht über die Lippen bringe, dass ich einen Crush auf ihn habe. Auch wenn manchmal schon Hinweise von ihm kamen, dass er dasselbe fühlen könnte.

Schule des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt