Teil 6

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POV Thomas
Ich bleibe wie angewurzelt stehen, während Stefanie sich wieder umzieht. Ich konnte es einfach nicht glauben. Wir haben gerade ein Kind verloren. Mit der Frau, die ich über alles liebe habe ich ein Kind verloren. Langsam finde ich irgendwann in die Realität zurück. "Wie geht es denn jetzt weiter?", frage ich verunsichert. Stefanie geht und setzt sich wie in Trance zurück an den Tisch, wo die Ärztin sitzt. Ihr Gesichtsausdruck ist normal. Weder lächelt sie, noch weint sie. Ihr Blick ist emotionslos. "Ich werde Ihre Freundin ins Krankenhaus überweisen. Anders geht es leider nicht.", bedauert Dr. Kleemeier. Ich war wohl gerade der einzige von uns beiden, der zuhörte. Stefanie regte sich noch immer nicht. Ich nehme ihre Hand sanft in meine "Hast du gehört Steff, wir müssen ins Krankenhaus.", sage ich sanft zu ihr. Noch immer reagiert sie nicht. Sieht mich nicht an, regt sich nicht, spricht nicht. "Lassen Sie ihr Zeit, Herr Stolle. Das ist für sie sehr schwer gerade.", die Ärztin hält mir eine Überweisung hin. Diagnose: missed abortion - Auftrag: zur Kürettage. Ich verstand nur Bahnhof was dort draufstand. Die Ärzte werden wohl wissen, was zutun ist. Mit einem Handschlag verabschiede ich mich und hake Stefanie bei mir unter. Wir verlassen die Praxis und gehen zurück zum Auto. Auf dem Beifahrersitz setze ich Stefanie ab und steige auf die Fahrerseite ein. Ich schreibe meinem Bruder, ob er den Kleinen heute aus dem Kindergarten holen könnte und bei sich lassen kann. Den Grund schrieb ich ihm nicht. Milan sollte seine Mama nicht in so einem Zustand sehen. "Können wir bitte nach Hause?", kommt es kaum hörbar aus Stefanie. Ihre Stimme klingt zitternd und brechend. "Natürlich mein Schatz. Wir fahren nach Hause.", sage ich sanft und starte den Motor. Äußerlich musste ich den starken spielen. Innerlich zerbrach es mir das Herz. Ich hatte mir vorgestellt, noch jemanden im Haus rumzutollen und aufwachsen zu sehen. Auch wenn jetzt bald die Konzerte kamen, hätten wir auch das noch geschafft. Oh nein die Konzerte! Die mussten wir jetzt sicherlich verschieben. Stefanie braucht jetzt bestimmt eine Weile, um wieder auf die Beine zu kommen und wieder klar zu denken. Ich fahre das Auto raus und sehe zwischendurch zu ihr. Sie hatte ihren Kopf an die Scheibe gelehnt und sah nach draußen. Ihr liefen nun stumm die Tränen über die Wangen. Wie gerne ich sie nun fest umarmen möchte. Ich lege still meine Hand mit dem Handrücken auf ihren Oberschenkel, damit sie meine Hand nimmt und einfach festhalten kann, wenn ihr danach ist. Aber nichts passierte. Sie rührte sich nicht. Die Tränen rannen immer weiter ihre Wangen herunter und ein Schluchzen kommt immer wieder aus ihr.

VerletzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt