Kapitel 9

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✵⁂𝐶ℎ𝑟𝑖𝑠𝑡𝑚𝑎𝑠⁂✵

Sanfte Sonnenstrahlen, die durch das Fenster in Leons Zimmer scheinen wecken mich.
Erst jetzt bemerke ich, dass er mich heute Nacht zu sich gezogen hat.
Seinen Arm hat er fest um meine Tallie geschwungen.
Das stört mich allerdings keineswegs.
Die letzten beiden Tage, die wir hier in Bochum waren, habe ich mich schon an die Nähe zu ihm gewöhnt.

Schließlich hängt man irgendwie die ganze Zeit aufeinander, wenn man 'zusammen' ist.
Um ehrlich zu sein, genieße ich die Zeit.
Es ist schön, Leon mal von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen.
Im Training ist er fokussiert und nimmt alles sehr ernst.

Mit Serge und Joshua haben wir immer Trubel um uns herum.
Aber die Zeit zu zweit, die wir jetzt haben, nutzen wir gerne dafür, unsere Interessen auszutauschen.

Gestern vor dem Einschlafen haben wir uns zum Beispiel über unsere Kindheit und wie wir aufgewachsen sind erzählt.
Es ist erstaunlich, wie viele Ähnlichkeiten wir festgestellt hatten.

Ich drehe mich zur Seite und sehe ihm beim Schlafen zu.
Er sieht dabei sehr friedlich aus.
Eine ganze Weile bleibe ich genau so liegen und beobachte ihn schweigend.
Dabei gehen mir sehr viele Gedanken durch den Kopf.

Was wird passieren, wenn die Weihnachtsfeiertage rum sind?

Und vor allem: Was wird in Zukunft auf uns zu kommen?

Unsere Familie wird bei Geburtstagen oder anderen Feiern fragen, warum wir uns denn getrennt haben.
Immer eine gute Antwort parat zu haben, die den anderen nicht durch den Dreck zieht, wird schwierig.
Wenn ich sage, es hat nicht funktioniert zwischen uns beiden, dann werden sie nachhaken.
Diese ganze Fake Beziehung hat mein Leben einerseits einfacher aber andererseits viel schwerer gemacht.
Allen voran der Gedanke daran, wie wir nach all dem wieder zurück zur Normalität kommen sollen, lässt mich schaudern.

Eine ziemlich komplizierte Zeit wird auf uns zu kommen.

Seufzend schlage ich die Decke beiseite und ziehe mir einen Pulli über.
Leon schläft immer noch tief und fest, aber ich halte es im Bett nicht mehr aus.
Ich muss mich dringend von den vielen Gedanken, die mir durch den Kopf jagen ablenken.

Unten in der Küche wird schon gearbeitet.
Leise, um Leon nicht zu wecken, schleiche ich aus dem Zimmer.

„Guten Morgen!" die fröhliche Stimme von Leons Mama empfängt mich, als ich die Küche betrete.
„Frohe Weihnachten!" sie schließt mich in die Arme.
Kurz darauf tut Louisa es ihr gleich.
„Schön das du schon wach bist Alisa! Willst du uns helfen?"
Leons Schwester hält mir eine Ausstechform hin.

Gemeinsam mit ihrer Mutter ist sie gerade dabei ein letztes Blech Plätzchen für heute Abend zu backen.
„Gerne!" grinsend nehme ich die Form entgegen.

Sofort schweifen meine Gedanken zu dem Abend, an dem ich dies gemeinsam mit Leon gemacht hatte.
Es ist nicht lange her und doch hat sich seit dem vieles verändert.
Damals war alles so unbeschwert.

„Schläft Leon noch?"
Seine Mutter holt mich zurück in die Realität.
„Ja. Er war gestern Abend ziemlich müde!".

Gemeinsam verbringen wir den Vormittag zu dritt in der Küche. Wir stechen Teig aus und verzieren die fertigen Plätzchen. Dabei hören wir voller Vorfreude auf heute Abend ein paar Weihnachtslieder.
Ich fühle mich von der Familie angenommen.
Sie sind alle verdammt nett zu mir.
Das ist auch der Grund dafür, dass ich etwas enttäuscht darüber bin, dass wir uns nicht wieder sehen werde.

Weil Leon und ich die Sache beenden werden.

Es fühlt sich falsch an, das zu wissen.

„Ich geh dann mal den Baum schmücken!" Leons Mutter verabschiedet sich in das Wohnzimmer und lässt mich mit ihrer Tochter alleine zurück.

Wir verzieren gerade die letzten Plätzchen, als Louisa mich von der Seite mustert.
„Du musst mir aber echt mal sagen wie du Leon kennengelernt hast. So wie ich ihn kenne ist er nicht gerade gesprächig gegenüber Fremden.“.
Eine Gänsehaut läuft mir den Rücken herunter.

Was, wenn sie noch mehr wissen will?!

Jetzt muss ich mich zusammen reißen.
Mir meine Nervosität über ihre Fragen nicht anmerken lassen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir diese Geschichte hätten erzählen müssen.
Allerdings hatte ich insgeheim gehofft, das Leon dabei ist.
„Naja, eigentlich durch die Arbeit und seine Freunde!" beginne Ich die Geschichte.

Ich erzähle Louisa, wie ich die Jungs letztes Jahr auf der Weihnachtsfeier kennengelernt habe.
Das wir zu einer gut funktionierenden Gruppe zusammengewachsen sind.
Den Teil mit der Fake Beziehung lasse ich weg.
Stattdessen ersetzte ich ihn mit einem erfunden Teil, in dem es zwischen Leon und mir 'gefunkt' hatte

Es fühlt sich komisch an, sich so etwas ausdenken zu müssen.

„Und durch die gemeinsame Zeit sind wir uns näher gekommen." beende ich meine Erzählung.
Louisa nickt.
Stellt keine weiteren Fragen.
Sie scheint mit der Version der Geschichte zufrieden zu sein.
Wir legen die fertigen Plätzchen zu den anderen und räumen dann die Küche auf.

„Ich geh mal nach Leon schauen!"
Als alles fertig ist husche ich aus der Küche nach oben.
Leon schläft heute wirklich ungewöhnlich lange.
Normalerweise ist er ein Frühaufsteher.
Zumindest hat Jo es so behauptet.
Er teilt sich in Traingslagern oft ein Zimmer mit seinem Kumpel.

Als ich das Zimmer betrete, steht der braunharrige mit dem Rücken zur Tür und checkt sein Handy.
„Hey!" sage ich leise, als ich das Zimmer betrete.
Sofort sieht er über seine Schulter zu mir.
„Hey!" grinsend kommt er auf mich zu.
„Frohe Weihnachten!" er tut es seiner Familie gleich und nimmt mich in den Arm.
In seinen Armen zu liegen löst ein Gefühl in mir aus. Ein Gefühl, das ich nicht zu lassen will.

Geborgenheit.

„Du hast heute echt lang geschlafen!" bemerke ich, als ich gerade dabei bin, ein paar Klamotten in meine Tasche zu packen.
Morgen soll es schon weiter zu meiner Familie gehen.

„Ich weiß auch nicht, der Tag gestern hat mich wirklich erledigt.".
Bei dem Gedanken an gestern wird mir warm ums Herz.
Es war ein wunderschöner Tag mit Leon und seiner Familie.
Zu wissen, daß wir diese tollen Leute gerade anlügen, tut etwas weh.
Aber wir wollten es nicht anders.
Beide.
Ich versinke in meinen Gedanken.

Als ich den Tag gedanklich naocheinmal revue passieren lasse, bleibe ich bei Leons und meiner Schneeballschlacht hängen.
Der Augenkontakt.
Sein unwiederstehliches Lächeln.
Die Nähe zu ihm.
Das alles hat sich in diesem Moment so richtig und gut angefühlt.
Und gleichzeitig so schrecklich.
Ich spürte, wie ich mit meinen Gefühlen spiele.
Nicht Leon. Nein ich selbst.
Noch nie hatte ich für jemanden so gefühlt, wie für ihn.
Jedes mal wenn er mich berührt, fährt ein Kribbeln durch meinen Körper.

Verdammt Alisa.

Das ist alles nur gespielt.
Man kann nach so kurzer Zeit nichts so starkes Empfinden.

Ich steigere mich einfach zu sehr in die Fake Beziehung herein.

„Bist du fertig ?" belustigt mustert Leon mich von der Seite.
„Ja klar" schnell husche ich hinter ihm her, hinunter in die Küche.

Es wird eine Weile dauern, bis ich meine verdammten Gefühle wieder im Griff habe.

... Das ist alles nur gespielt...

Like Snow we fall -a Leon Goretzka Story-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt