KAPITEL EINS

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Hanjae Park zog seinen Mantel an und griff eilig nach den leeren Pizzakartons, die seit Tagen im Flur seines Apartments herumlagen und klemmte sie unter seinen Arm. Er hatte den Müll zuvor geflissentlich ignoriert und sich nicht die Mühe gemacht, extra die drei Stockwerke hinunterzulaufen, nur um die leeren Schachteln im Hinterhof in die Tonnen zu stopfen, die sowieso meistens überquollen, wenn sie nicht zufällig am Tag zuvor ausgeleert wurden. Es war nicht unüblich für ihn, dass er in seiner Wohnung Pizzakartons rumliegen hatte, aber normalerweise stapelten sie sich dort, weil er gestresst war. Der Job als Detective war alles andere als ein Zuckerschlecken und auch Hanjae hatte sich das Dasein als Kriminalbeamter zunächst anders vorgestellt und vor allem die Belastung für die Psyche hatte er unterschätzt. Dies spiegelte sich seit dem Abschluss seines letzten Falles wider, auch wenn es ihn zuvor ebenfalls schon belastet hatte.

Ein Seufzen entkam ihm, als seine Gedanken zurück zu dem Mordfall wanderten, wie allzu oft in der letzten Zeit, aber Hanjae versuchte diese verdrießlichen Gedanken zu verdrängen und schloss hinter sich energisch die Wohnungstür. Sein Schlüsselbund klimperte, als er die Tür hinter sich abschloss und zu der Nische im Hausflur ging, wo sein Fahrrad lehnte, mit dem er normalerweise zur Arbeit fuhr. Heute allerdings würde er nicht die Kensington High Street hinunter, bis zu dem Polizeipräsidium, in dem er arbeitete, fahren, sondern hinauf zum Holland Park, wo er sich mit seinem besten Freund Ezra in einem Café treffen wollte.

Mit dem Plan im Kopf, den Pizzaschachteln unter dem einem, und seinem Fahrrad unter dem anderen Arm, lief er das Treppenhaus hinunter. Im Erdgeschoss vernahm er den alltäglichen Lärm des Fast Food Restaurant, über dem er wohnte, und verließ das Gebäude durch den Hintereingang. Im Hof wurde er endlich die Kartons los und stopfte sie mit Mühen in die vollen Papiertonnen. Dann schwang er sich auf sein Rad. Hanjae wusste, wie sehr sein bester Freund Unpünktlichkeit verabscheute, weshalb er sich mit wehendem Mantel eilig durch die Straßen Richtung des Parks aufmachte. Die Rush Hour war noch nicht angebrochen, dennoch war der Verkehr zäh und Hanjae war wieder einmal dankbar, dass er sich mit seinem Rad deutlich besser durch die vollen Straßen schlängeln konnte, als die Autos. Noch zu den Zeiten seines Studiums hatte er immer auf ein erstes eigenes Auto gehofft, aber der Umzug nach Kensington und die guten Tube-Anbindungen hatte ihm gezeigt, dass er ein eigenes Auto wirklich nicht benötigte. Die Parksituation an seiner Wohnung war sowieso katastrophal, da er direkt an der Hauptstraße gelegen wohnte.

Die mangelnden Parkplätze und der Lärm der fahrenden Autos waren jedoch das Einzige, über das sich Hanjae bei seiner Wohnung beschweren konnte. Es gab gewiss Bewohner, die es bereuten, sich eine Wohnung unmittelbar über einem Fast-Food Restaurant gemietet zu haben, aber Hanjae kam dies, vor allem nach langen Diensten, nach denen er geschafft nach Hause kam, sehr entgegen.

Einen Blick auf seine Uhr am Handgelenk werfend wurde Hanjae bewusst, dass er noch zwei Minuten hatte, bis er in dem kleinen Café, in dem er sich immer mit seinen Freunden traf, da es in unmittelbarer Nähe zu der Anwaltskanzlei lag, in dem sein bester Freund Ezra und auch der Ehemann seines Partners Tyrese arbeiteten, sein sollte. Er trat stärker in die Pedale, kam schließlich direkt vor dem kleinen Gebäude mit dem Café zum Halten und schloss sein Rad an einer der Straßenlaternen ab. Dann hastete er hinein.

Sein Blick wanderte suchend über die Tische und die anwesenden Gäste. Er entdeckte seinen Freund in einer Ecke sitzend und schlenderte zu ihm hinüber.

»Hi Ezra«, begrüßte er den jungen Mann, der seinen Kopf hob und die Begrüßung mit einem trägen Lächeln erwiderte. »Hast du schon was bestellt?« Hanjae hängte seinen Mantel über den Stuhl und ließ sich dann Ezra gegenüber nieder.

»Einen Americano für mich und einen Darjeeling für dich, wie immer.«

Hanjae summte dankend und verschränkte seine Hände vor sich auf dem Tisch, während sein Blick über seinen besten Freund glitt. Er trug einen schwarzen, gutsitzenden Hugo Boss Anzug, darunter einen ebenso schwarzen Rollkragenpullover und war, bis auf die goldene Rolex, die an seinem Handgelenk ruhte, somit gänzlich in einem für ihn typischen Schwarz gekleidet. Ezra rollte eine einzelne Kaffeebohne zwischen seinen Fingern hin und her, die er aus einem der Gläser genommen haben musste, die mit Kaffeebohnen gefüllt waren und als Kerzenhalter dienten. Hanjae folgte dieser Bewegung für einen Moment, ehe er seine Aufmerksamkeit unverwandt Ezra zuteilte.

Mr. PolicemanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt