KAPITEL EINUNDZWANZIG

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Es war schon Vormittag, als Hanjae sich am nächsten Tag aus dem Bett quälte und sich mit einer Tasse Tee in der einen, und mit einer Zigarette in der anderen Hand, auf dem Balkon wiederfand. Zur Abwechslung hingen jedoch keine grauen Wolken am Himmel, sondern die Sonne hatte sich dazu entschieden, am heutigen Tag zum Vorschein zu kommen, was eigentlich einen schönen Tag versprach — zumindest fast. Wäre da nicht die Tatsache, dass Hanjae von pochenden Kopfschmerzen geplagt wurde, weil er während, und auch noch nach dem Abendessen mit seinen Eltern, seine Sorgen und Gereiztheit diesbezüglich mit ein, oder vielleicht auch zwei Gläsern zu viel Wein versucht hatte zu ertränken.

Hatte ihm das etwas gebracht? Nicht im geringsten, aber er war auch nur einer dieser Trottel, die diesen Fehler jedes Mal wiederholten, ohne etwas daraus zu lernen.

Jedoch schien die zuvor genommene Aspirin langsam anzufangen zu wirken und als die Balkontür aufging und Jasper sich zu ihm gesellte, war das Pochen nur noch ein unangenehmes Gefühl im Hintergrund.

»Ich dachte du würdest dich mal langsam zum Frühstück blicken lassen«, begrüßte ihn Jasper, der sich ihm gegenüber an das Geländer lehnte und eine Zigarette aus der Schachtel auf dem Tisch zog. Wortlos reichte Hanjae ihm ein Feuerzeug. »Was ist? War das Abendessen mit deinen Eltern gestern Abend so schlimm, dass es dir die Sprache verschlagen hat?«

»So ähnlich«, brummte Hanjae und entlockte dem Jungen damit zu seiner Überraschung ein schiefes Grinsen.

»So schlimm? Ich dachte, durch dein Alibi mit Mina würde es gehen.«

Hanjae seufzte. »Meine Eltern sind so sehr von ihr begeistert, dass sie uns seit Ewigkeiten versuchen zur Heirat zu überreden. Aber bitte, lass uns das Thema sein lassen.« Jasper zuckte daraufhin gleichgültig mit seinen Schultern und entzündete die Zigarette.

»Als du gestern meintest, du würdest keine Frau daten wollen«, setzte Jasper dann an und der Detective ahnte schon, in welche Richtung die Frage gehen würde. »Bedeutet das, dass du auf Schwänze stehst?«

»Du bist 19, Jasper, nicht 12. Du könntest wenigstens versuchen, dich nicht wie ein vulgärer Teenager auszudrücken.« Hanjae drückte seine abgebrannte Zigarette im Aschenbecher aus und nahm einen Schluck von seinem Tee, wobei der Blick von Jasper dabei fast ungeduldig auf ihm ruhte. »Aber ja, wenn du es unbedingt wissen willst, bedeutet es das.«

»Und deine Eltern merken das nicht? Also nichts gegen dich, aber dein Vibe und deine Freunde, da sollte doch jeder Gaydar bei hysterisch anschlagen.«

»Dann habe ich wohl Glück, dass meine Eltern so einen Instinkt nicht besitzen«, erwiderte Hanjae trocken und leerte seine Tasse. »Ich habe mit Ezra gesprochen.«

»Du lenkst vom Thema ab«, unterbrach ihn Jasper und stieß sich von dem Geländer ab, wobei ihn Hanjae nicht aus den Augen ließ. Der Junge trug den weinroten Pullover, den sie zusammen gekauft hatten und schien sich ausnahmsweise dazu entschieden zu haben, nicht Oberkörper frei durch die Wohnung zu spazieren. Einerseits zu Hanjaes Leidwesen, denn das war wirklich ein ansehnlicher Anblick, andererseits konnte er sich so besser auf das Wesentliche konzentrieren und wurde nicht allzu sehr abgelenkt.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit dem Thema durch sind. Also, ich habe mit Ezra gesprochen und er ist damit einverstanden, dass du einen Tag in der Kanzlei auf Probe arbeitest. Zu deinem Glück musst du nur ihn überzeugen und niemanden anderen, du machst den Papierkram ausschließlich für ihn.«

»Er hat wirklich zugestimmt? Obwohl er weiß«, Jasper unterbrach sich selbst und deutete eine wage Handbewegung zwischen ihnen beiden an, »wie wir uns kennengelernt haben?«

»Er vertraut mir, ich vertraue dir. Bau' einfach keinen Scheiß und gib dir Mühe.« Bei den Worten huschte ein Ausdruck von Überraschung über das Gesicht des Jungen, allerdings blieb er still und nickte lediglich. »Du sollst Montag um acht Uhr in der Kanzlei sein.«

Mr. PolicemanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt