Mr. Policeman

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Jasper wusste nicht, was er empfand, seitdem er die Wahrheit von Hanjae erfahren hatte. War es Erleichterung, dass er doch keine Freundin hatte? Er fühlte sich nicht hintergangen, denn irgendwie hatte er es ja von Anfang an geahnt — oder gehofft. Und er verstand auch, wieso Hanjae ihm die Lüge aufgetischt hatte, denn ursprünglich war es auch egal gewesen, Jasper hatte selbst nie geglaubt, dass er länger als ein, oder vielleicht zwei Tage bei dem Detective bleiben würde. Und jetzt waren es schon fast zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen er Gefallen an Hanjae gefunden hatte, auch wenn er es ihm gegenüber so niemals zugeben würde — nicht verbal.

Hanjae war attraktiv, Hanjae war älter als er. Er war Detective. Jasper hatte noch nie zuvor einen Gedanken daran verschwendet, ob er auf Ältere stand. Im Prinzip waren es nur neun Jahre, fast zehn, ein Unterschied, über den man problemlos hinweg schauen konnte, aber er selbst war gerade erst volljährig geworden. Er hatte keine Ahnung, was er mit seiner Zukunft anstellen sollte, während Hanjae mit einem festen Job und einer eigenen Wohnung schon fest im Leben stand. Es waren nur neun Jahre, und dennoch hatte Jasper das Gefühl, als hatte er selbst noch nicht den blassesten Schimmer, was er mit seinem Leben anfangen sollte, während Hanjae seines schon komplett geplant hatte. Es war also weniger das Alter, sondern der Grad, in dem sie sich schon in ihrem Leben befanden. Und Jasper bezweifelte, dass Hanjae ehrliches Interesse an einem verlorenen Jungen wie ihm finden konnte.

Im Prinzip waren all diese Gedanken überflüssig. Er wohnte bei Hanjae, weil dieser ein großes Herz, und ihn bei sich aufgenommen hatte. Nur weil Jasper selbst einen klitzekleinen, unbegründeten Crush auf den Detective schob, bedeutete das gar nichts. Er sollte zu schätzen wissen, was Hanjae für ihn tat, mehr nicht. Und dennoch hatte er es sich am Vormittag nicht verkneifen können, Hanjae zu fragen, ob er mit ihm ins Kino ging. Wahrscheinlich sah Hanjae da sowieso keinerlei Bedeutung drin, sondern hatte einfach zugestimmt, damit Jasper aufhörte ihn damit zu nerven — oder er ihm einfach einen Gefallen tun wollte. Vermutlich war es die Kombination aus beidem, höchstwahrscheinlich hatte er dabei nicht im Hinterkopf, dass es ein Date sein könnte. Weil es eigentlich auch gar keins war! Das war absurd. Jasper konnte nicht allein ins Kino gehen, einfach weil er kein Geld hatte, also musste Hanjae doch mitkommen, wenn er es ihm nicht vermiesen wollte.

»Was hat dir der Ball getan, Wright? Willst du ihn zerquetschen, bis er platzt? Da musst du bei dem Gummiball lange warten.«

Jasper hob seinen Blick, als Luan — einer seiner Teammitglieder — in sein Blickfeld trat und einen fragenden Blick auf den weißen Lacrosseball in seinen Händen warf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er den Ball noch in seinen Händen hielt, während sich der Rest seines Teams bereits in 2er-Paare zum Aufwärmen aufteilte.

»Muss ich Angst haben, dass ich deinen angesammelten Frust bei den Pässen zu spüren bekomme?«

»Nein«, brummte Jasper lediglich und warf seinem Gegenüber den Ball zu, der ihn spielend leicht aus der Luft pflückte und dann einige Schritte zurück ging.

»Komm, Wright, bevor wir einen Einlauf vom Coach bekommen.«

Stumm folgte er Luan weiter aufs Spielfeld, weit genug entfernt, um nicht in der Flugbahn der Bälle der anderen Spieler zu stehen. Er trainierte meistens zusammen mit Luan. Dieser war der Erste aus der Mannschaft gewesen, der letztes Jahr auf Jasper zugekommen, und freiwillig mit ihm geredet hatte. Zwischen ihnen bestand keine wirkliche Freundschaft, denn der Ehrgeiz der beiden ließ sie regelmäßig aneinandergeraten, dennoch herrschte die stumme Abmachung zwischen ihnen, dass sie zumeist zusammen die Aufwärmübungen machten. Auch wenn das nicht selten damit endete, dass sie die Bälle einfach nur aufeinander zu schmetterten und sich in blauen Flecken kleisterten.

Vielleicht war Luan tatsächlich etwas ähnliches wie ein Freund für ihn, auch wenn sie niemals über persönliche Dinge redeten. Ihre Konversationen drehten sich fast ausschließlich um Lacrosse, Fußball oder manchmal Serien. Im Prinzip wusste Jasper fast nichts über Luan, außer dass er großer Fan von West Ham United war, sich somit regelmäßig über deren mäßigen Erfolg in der Premier League beschwerte und dass er eine sonderbare Obsession mit Crime-Serien hatte. Er wusste um ehrlich zu sein nicht einmal genau, was Luan studierte, auch wenn er es ihm bestimmt einmal nebenbei erzählt hatte.