Mr. Policeman

KAPITEL ACHTUNDDREIßIG

Hanjae war der Annahme gewesen, dass er nach den Ereignissen des gestrigen Tages nicht gut schlafen würde. Stattdessen hatte er jedoch so gut geschlafen, wie schon lange nicht mehr. Er war die Last endlich los. Die Last, sich vor seinen Eltern und seiner Familie als jemand auszugeben, der er nicht war. Und auch die Lüge mit Mina hatte sich in Luft aufgelöst und nun fühlte sich sein Herz um einiges leichter an. Natürlich, da gab es jetzt noch den Zwiespalt mit seinen Eltern, aber es gab wohl zwei Möglichkeiten: sie akzeptierten ihn und seine Entscheidungen mit der Zeit, oder sie würden nicht mehr viel von ihrem Sohn zu Gesicht bekommen.

Das war das einzige, wovor sich Hanjae noch fürchtete. So sehr er auch im Zwiespalt mit ihnen stand, so waren sie dennoch seine Eltern und er wollte sie eigentlich nicht verlieren. Jedoch war er mittlerweile an einem Punkt in seinem Leben angekommen, in dem es ihm wichtiger war, er selbst zu sein, sich treu zu sein, anstatt seiner Eltern glücklich zu machen. Sie hatten die Wahl.

Es gab aber noch einen weiteren Grund, weshalb er sich besser fühlte. Und dieser Grund, oder besser gesagt diese Person, lag neben ihm im Bett.

Jasper hatte sein Gesicht in dem Kissen vergraben, und seine Arme darum geschlungen, wodurch er Hanjae die perfekte Aussicht auf seinen entblößten Rücken gestattete. Und so sehr es der Detective auch versuchte, er konnte seinen Blick nicht von dem Jungen lösen. Jasper war atemberaubend, und das, selbst wenn er schlief. Sein Gesichtsausdruck, auch wenn Hanjae nur die Hälfe von seinem Gesicht aufgrund des Kissens und der verwuschelten Haare wahrnehmen konnte, war entspannt und eine gesunde Röte lag auf Jaspers Wangen. Seine vollen Lippen waren leicht geöffnet und bei jedem Atemzug, den er tat, pustete er unbewusst gegen eine Haarsträhne, die ihm ins Gesicht fiel.

Hanjae würde sich niemals an diesem Anblick sattsehen können, dem war er sich sicher. Jasper hatte schon seit längerer Zeit durchscheinen lassen, dass er innerlich gar nicht so der harte Kerl war, wie sein Aussehen zumindest am Anfang den Eindruck gemacht hatte. Und während er schlief, machte er einen noch sanfteren Eindruck, weshalb Hanjae nicht länger der Versuchung widerstehen konnte und schließlich federleicht über Jaspers gerötete Wange fuhr und ihm die lose Haarsträhne hinter sein Ohr strich. Hanjae wollte diesen Augenblick für die Ewigkeit einfangen, doch ein Blick auf den Wecker auf seinem Nachttisch verriet ihm, dass dieser Moment schon bald zu Ende sein würde und er Jasper wecken sollte.

»Jasper?«, murmelte er leise. »Jasper«, wiederholte er, diesmal ein wenig lauter, als der Junge kein Anzeichen machte, als würde er ihn gehört haben und aufwachen. Vorsichtig strich Hanjae über seine Kieferpartie und beugte sich näher zu Jasper hinunter. »Wenn du noch frühstücken willst, bevor wir losmüssen, solltest du langsam aufwachen.«

Ob es die Erwähnung von Essen war, Hanjae wusste es nicht, aber Jasper hielt plötzlich inne, ehe er mit einem unglaublich tiefen Brummen seine Augen aufschlug.

»Guten Morgen.«

»Morgen«, nuschelte Jasper ins Kissen und schloss erneut seine Augen, wobei Hanjae ihn aufmerksam beobachtete. Der Junge spannte für einen Moment seine Schultern an und der Detective konnte nicht anders, als seinen Blick seinen Rücken hinunter wandern zu lassen. Er war sich sicher, dass er mittlerweile alle von Jaspers Tattoos gesehen hatte. Zumindest die meisten. Und nun konnte er mit Sicherheit sagen, dass das Tattoo auf Jaspers Rücken sein liebstes war. Abgesehen von dem Mottenmotiv war sein muskulöser Rücken frei von weiteren Tattoos und so kam das Motiv deutlich besser zur Geltung als seine anderen. Hanjae kribbelte es in den Fingern über das Tattoo zu streichen und die Konturen nachzufahren, aber er riss sich zusammen.

»Ich meinte das eben ernst«, fuhr Hanjae fort, wobei er die Belustigung in seiner Stimme nicht unterdrücken konnte, als Jasper nur sein Gesicht verzog. »Wir sollten wirklich aufstehen. Du hast doch gesagt, dass die beim Lacrosse viel Wert darauflegen, dass pünktlich angefangen werden kann.«