Kapitel 25: Eine verdächtige Familie

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»Hobbs, was habt Ihr denn hier zu suchen?«, war das Erste, womit Jonathan von Inspektor Lansbury begrüßt wurde. »Oder ist Euch Eure Schutzbefohlene abhanden gekommen?«
  »Könnte man so sagen«, entgegnete er auf die Frage, obwohl ihm klar war, dass es eigentlich ein Witz gewesen war. Er berichtete Lansbury, wie auch Arthur zuvor, was Katie ihm erzählt hatte.
  Richmond schnaubte missfällig. »Nun, da kann man nichts machen«, knurrte er durch zusammen gebissene Zähne. »Ich hoffe nur, dass Frank sich bewusst ist, was für einem Risiko er Miss Katie damit aussetzt.«
  »Das hoffe ich auch.« Jonathan nickte grimmig.
  »Sagen Sie, kennen Sie Damien Castlewood?«, erkundigte sich Richmond bei ihm. »Es macht den Anschein auf mich.«
  »Oh.« Er straffte seine Schultern. »Entschuldigen Sie, Sir. Es lag mir fern anmaßend sein. Aber ja, Sie haben Recht. Ich habe ihn kennengelernt.«
  Richmond winkte ab. »Es sei Ihnen verziehen, Hobbs. Ich weiß selbst, dass es nicht leicht ist, mit diesen Leuten zusammen zu arbeiten.«
  Jonathan horchte auf. »Dann sind die Castlewoods bekannt bei der Polizei?«, wollte er wissen.
  »Nicht in dem Sinne, dass sie ein Verbrechen begangen haben«, antwortete Richmond nach einem kurzen Zögern. »Aber sie sind stadtbekannt, für die höchste Kündigungsrate ihrer Diener.«
  Er runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?« Aufmerksam sah er Richmond an. »Kündigt Dienerschaft bei ihnen? Oder ist es anders herum?«
 Richmond lachte auf. »Sehr gut, Hobbs«, lobte er ihn. »Auf den Kopf gefallen sind Sie nicht, das ist beruhigend.«
  »Danke.« Jonathan deutete eine kurze Verbeugung an. »Also, wie ist es denn nun?«
  »Es sind meist die Diener, denen man gekündigt wird«, antwortete Richmond. »Oft wegen fadenscheinigen Gründen wie ein Ring, eine Kette oder ein Amulett das, angeblich, in den entsprechenden Zimmern gefunden wird, bei dem Versuch zu stehlen. Was natürlich unentschuldbar ist.«
  Jonathan runzelte die Stirn. »Und es kann natürlich nicht sein, dass man es den Dienern unterschiebt, um einen Grund zu haben sie zu entlassen?«
  »Beweise dafür gibt es keine«, entgegnete Richmond. »Aber das ist auch mein Verdacht«, gab er zu. »Doch man sollte sich mit so Leuten wie den Castlewoods anlegen. Zumindest nicht ohne handfeste Nachweise für eine Straftat zu haben.«
  »Das heißt also, dass diese Castlewoods Leute in ihrem Bekanntenkreis haben, die der Queen nahestehen«, überlegte Jonathan. »Das stimmt doch, oder nicht?«
  Der Inspektor nickte. »Davon ist auszugehen.« Er sah ihn an. »Aber das heißt nicht, dass sie unantastbar sind, Hobbs. Sondern, dass wir schlauer und schneller sein müssen. Eines ist ohnehin ganz klar: Das Gesetz siegt immer.«
  Jonathan entschloss sich dagegen, darauf hinzuweisen, dass das Gegenteil oft genug der Fall war. Inspektor Lansbury schien gute Laune zu haben, und er würde der letzte sein, das zu riskieren. »Wo ist eigentlich Mister Fray?«, erkundigte er sich stattdessen.

Zu seiner Überraschung verfinsterte sich die Miene des Inspektors. »Ich habe ihn mit Erledigungen betraut, um die er sich für mich kümmern soll«, antwortete er. »Mit der Anweisungen mich nur über die Ergebnisse zu informieren und nicht darüber, wie er daran gekommen ist.«
  »Ich verstehe.« Jonathan nickte. »Ich habe ihn heute Mittag mal getroffen, da hat er ein paar Andeutungen gemacht. Aber nicht mehr.«
  »Gut. Dann wissen Sie ja in etwa Bescheid, Hobbs.« Richmond seufzte. »Nicht, dass es mir Spaß macht, dass zuzugeben aber die Polizei braucht ebenfalls manchmal Unterstützung. Dass die Pinkerton eine gute Detektei sind, ist nun einmal unbestreitbar. Selbst wenn es Amerikaner sind und Adam schon lange nicht mehr im offiziellen Dienst ist. Aber er hat immer noch Bekannte, die helfen können. Aber wer das genau ist, möchte ich lieber nicht wissen.«
  »Können solche Informationen denn vor Gericht überhaupt benutzt werden?«, wollte Jonathan wissen. »Ich dachte immer, es gibt dafür eindeutige Regeln.«
  Richmond verdrehte tatsächlich die Augen. »Das lassen Sie mal schön meine Sache sein, Hobbs. Sie haben andere Dinge, über die Sie sich ihren Kopf zerbrechen können.«
  »Das ist wahr«, musste er zugeben. »Aber wie Sie gerade gesagt haben, leicht ist es nicht. Ich vermute mal stark, dass ich nicht einfach mal bei den Castlewoods vorbei gehen und mich erkundigen kann.«
  »Könnten Sie schon, Hobbs. Würde wohl sicherlich nicht viel bringen.« Es klang belustigt. »In diesem Fall müssen Sie sich wohl einfach auf Miss Kate verlassen.«
  »Nein.« Jonathan schüttelte den Kopf. »Das kann nicht alles sein.« Er dachte kurz nach. »Sie wissen doch bestimmt, wer von den Castlewoods entlassen wurde, oder? Wenn der Vorwurf auf Diebstahl zur Anzeige gebracht wurde, müssten sie doch bei uns im Verzeichnis sein.«
  »Schon, aber das sind wirklich einige«, gab Richmond zu bedenken. »Wenn Sie die alle nochmal neu befragen wollen, sind Sie sicherlich den ganzen Tag beschäftigt.«
  »Besser als irgendwo herum zu sitzen und sich Gedanken um Katie zu machen«, erwiderte Jonathan. »Außerdem meinte Arthur auch, dass es für ihn völlig in Ordnung ist, Stellung zu halten. Falls sie also früher zurück kommt, als erwartet ist er da.«
  »Einverstanden.« Richmond nickte. »Auch wenn ich glaube, dass es uns nicht viel bringen wird, gefühlt die gesamte Dienerschaft erneut zu befragen. Aber ich werde wohl hier bleiben müssen und auf die Nachricht aus Edinburgh warten. Die hoffentlich bald kommt.«
  Das hoffte Jonathan auch. »Sobald sie da ist-«
  »Sage ich Ihnen sofort Bescheid«, beendete Richmond den Satz für ihn. »Das ist selbstverständlich. Falls Sie wider Erwarten etwas interessantes finden, Sie aber bitte auch.«
  Jonathan grinste schief. »Das ist selbstverständlich, Sir«, meinte er.
  »Sehr gut.« Richmond lächelte nun sogar. »Dann hat jeder etwas, das er nun tun kann. Sie wissen, wo das Archiv von uns ist, richtig?«
  Jetzt war es Jonathan, der nickte. »Natürlich. Ich mache mich dann mal auf den Weg.« Noch einmal verbeugte er sich kurz zum Abschied, dann verließ er das Büro. Froh, endlich etwas sinnvolles tun zu können.

Sein Aufenthalt in dem Archiv der Polizeiwache dauerte dann doch länger, als erwartet. Was an sich jetzt auch nicht überraschend war, denn es handelte sich tatsächlich um eine höhere Anzahl der gekündigten Diener, als er gedacht hatte. Um genau zu sein, waren es fast dreißig Diener – und das auf einen Zeitraum von knapp zwei Jahren. Das war definitiv ungewöhnlich. Jonathan konnte sich nicht vorstellen, dass alle diese Leute etwas gestohlen hatten. Was er außerdem interessant fand, war, dass es sich bei dem Großteil um Frauen handelte. Zumindest wenn man mal von vier Butlern absah. Doch vier verschieden Butler in zwei Jahren, war ebenfalls eine erstaunlich hohe Zahl. Irgendwas stimmte da nicht, davon war er überzeugt. Fragte sich nur was.
  Jonathan sah auf den Notizblock mit den Namen, die oben auf seiner Liste standen. »Isobel Scott«, las er vor. Sie war die bis heute letzte Frau, welche gefeuert wurde. »Dann mal los. Ich bin gespannt, was du mir zu erzählen hast.«


Das Geheimnis der ZwölfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt