Kapitel 1: Jonathans erster Tag

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Anno Domini 1890 England, London - East End

Da war er also. Hier vor der Polizei im East End. Die Zeit bis jetzt war keine leichte gewesen und die nächste würde es wohl auch nicht sein. Doch das interessierte ihn, zumindest im Moment, nicht besonders. Außerdem war er schließlich aus gutem Grund hier. Nach seiner Ausbildung, die er mit einem sehr guten Schnitt beendet hatte, wurde er mit einem Empfehlungsschreiben hierher geschickt. Es hatte ihn erst irritiert dann aber, im Gegensatz zu seinen Eltern, stolz gemacht. Denn das East End war das am meisten verrufene Viertel in ganz London. Hier gaben sich Armut, Krankheiten und Verbrechen die Klinke in die Hand. Genug zu tun würde es also gewiss geben. Dies war etwas was für ihn am meisten zählte. Denn jemand der den ganzen Tag im Büro saß, wollte er nicht sein. Dafür war er einfach nicht geeignet. Er wollte raus auf die Straßen und den Menschen helfen. Das war es weswegen er sich für den Dienst bei der Polizei entschied und das sogar gegen den Willen seines Vaters. Das wiederum war etwas, was so gut wie nie passierte. Doch dieses eine und beinahe einzige Mal hatte er seinem Vater widersprochen, was sogar in einen ziemlichen Streit ausgeartet war. Doch schlussendlich stimmte sein Vater zu und jetzt war Jonathan also hier. Er konnte es immer noch kaum glauben. Dennoch war er froh wie alles gekommen war und begann daran zu glauben, dass sein Vater ihn doch verstand. Jonathan atmete noch einmal tief durch, um seine ganze Aufregung wenigstens ein wenig in den Griff zu bekommen, dann trat er ein. Was ihn dort allerdings erwartete, damit hatte er am allerwenigsten gerechnet. Kaum, dass er eingetreten war stellte Jonathan fest, dass er in ein absolutes durcheinander geraten war. Überall in dem Vorraum der Polizeiwache herrschte ein totales Stimmengewirr und die Männer, die ab jetzt seine Kollegen sein würden, schienen mehr als überfordert zu sein. Jonathan schob sich an einigen übel schimpfenden Leuten vorbei.

„Was in Gottes Namen ist denn hier los?", erkundigte er sich bei einem der Polizisten.

Der sah ihn verwundert an. „Du bist wohl nicht von hier, was Junge?", erkundigte der Polizist sich unwirsch.

„Ja Sir. Aber ich...", setzte Jonathan an, wurde jedoch unterbrochen.

„Darf ich dir einen guten Rat geben?", die Stimme des Polizisten hörte sich nun beinahe wohlwollend an.

„Natürlich Sir. Allerdings...", sagte Jonathan an, doch der Polizist fiel ihm erneut ins Wort.

„Wenn du klug bist verschwinde von hier bevor das hier noch ausartet", riet er Jonathan.

Bevor das ausartet? Jonathan sah zu der Menschenmenge die immer größer wurde. „Ist es das noch nicht?", zu spät stellte Jonathan fest, dass er laut gedacht hatte.

„Du hast ja keine Ahnung", meinte der Polizist, wobei er die letzten zwei Wörter am meisten betonte.

„Er ist zu spät", knurrte Inspektor Richmond Lansbury mit einem Blick auf seine Taschenuhr.

Adam Fray, sein bester Freund, nickte. „Oder sehr intelligent. Wer würde schon zustimmen gerade hier seinen Dienst anzufangen? Dazu muss man entweder verrückt, komplett von sich überzeugt oder naiv sein", warf er ein.

Richmond runzelte die Stirn. „Was soll das denn bitte heißen?", erkundigte er sich bei Adam.

Der zuckte mit Schultern. „Das ist nur meine Meinung", er grinste „wir sind davon natürlich ausgenommen. Davon abgesehen hat Scotland Yard uns mit Sicherheit wieder irgendein Jüngelchen geschickt. Die Veteranen und erfahrenen Leute benötigen sie schließlich selbst"

„Mal den Teufel bloß nicht an die Wand", knurrte Richmond.

„Tu ich doch gar nicht. Ich stelle nur Tatsachen fest. Schließlich war es bisher immer so und das weißt du auch", erinnerte Adam seinen Freund.

Das Geheimnis der ZwölfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt