Kapitel 19: Vorbereitungen

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»Also was hast du zu berichten?«, wollte Katie von Tommy wissen, nachdem dieser sich, von ihrem Geld wohlgemerkt, erst einmal etwas zu essen gekauft hatte. »Oder war das alles nur ein Trick?«
  »Miss!«, rief Tommy, und es klang nahezu entrüstet. »So etwas würde mir niemals einfallen! Das schwöre ich Ihnen!«
  »Nicht nötig.« Katie winkte ab. »Dennoch würde ich mich freuen, wenn du jetzt endlich von dem erzählst, was du weißt.«
  »Sicher Miss. Wäre es aber nicht besser, wenn Ihr mich gleich mit zu dem Bobby nehmt? Sonst muss ich alles doppelt und dreifach erzählen. Ehrlich, auf sowas hab ich echt keine Lust-«
  Katie runzelte die Stirn. »Bobby? Wer ist Bobby?«
  »Ah ja-« Tommy nickte ihr zu. »Scheint so, als kennen Sie den Begriff nicht. Ich rede von dem Constable«, erklärte er.
  »Na also schön, das ist ja auch nicht das, was gerade wichtig«, meinte Katie, die immer noch nicht ganz verstand. »Also nochmal zurück. Was hast du mitbekommen?«
  »Nicht viel«, gab Tommy zu. »Aber«, fuhr er schnell fort, als er Katies Blick bemerkte »trotzdem ein paar Dinge, die wichtig sein könnten. Das verspreche ich.«
  Katie zog eine Braue in Höhe. »Ist das so?«
  »'türlich Miss«, Tommy nickte. »Am Tag vor Annies Tod haben sich zum Beispiel seltsame Gentlemen hier herum getrieben.« Er hielt kurz inne. »Wobei, wenn ich es genau bedenke, vermutlich waren die beiden wohl nicht wirklich.«
  »Was meinst du damit?«, erkundigte Katie sich bei ihm.
  Tommy zuckte mit den Schultern. »Na, wie ich es sage. Sie waren hier und haben sich nach ihr erkundigt. Auch bei mir.«
  Katie starrte ihn an. »Du hast mit ihnen gesprochen?«
  »Nur kurz. Sie haben gesagt, sie müssten dringend etwas geschäftliches mit Annie klären. Wo sie sie finden, wollte sie wissen«, berichtete der Junge.
  »Und du hast es ihnen gesagt?«, riet Katie und seufzte.
  »Logisch. Da hätten sie aber auch jeden anderen fragen können, immerhin wusste jeder wo Annie arbeitet.«
  »Du hast nicht zufällig weiter nachgefragt, was genau die Männer geschäftliches von ihr wollten?«, erkundigte Katie sich bei ihm.
  »Beim besten Willen, Miss«, sagte Tommy. »Aber wenn so Typen wie die drei sagen, dass sie etwas geschäftliches mit Mädchen wie Annie zu besprechen haben, bedeutet das so gut wie immer-«
  Katie brauchte einen Moment, dann fiel bei ihr der Groschen. Sie errötete. »Oh.«
  »Genau.« Tommy nickte.
  »Aber drei-« Katie schluckte hart. »Egal. Du sagst also du hast sie nie zuvor hier gesehen?«
  »Ja, genau. Aber ich bin sicher, dass meine Jungs und ich mehr herausfinden können«, sagte er.  »Gegen Bezahlung, aber das versteht sich wohl von selbst.«
  Katie seufzte. »Einverstanden.« Sie drückte ihm ein paar Pennys in die Hand.
  »Ich denke das reicht vorerst«, meinte Tommy, nachdem er nachzählte, wie viel sie ihm gegeben hatte. »Wo soll ich hin gehen, wenn ich was weiß?«
  Katie zögerte. Vermutlich wäre es nicht die beste Idee, ihn zu bitten zu ihr nach Hause zu kommen, wenn er Ergebnisse hatte. Keiner aus ihrem Haushalt würde es zulassen, dass ein Straßenjunge sich auf ihrem Grundstück aufhielt. Und selbst wenn Tommy ihn sagen würde, dass er von Katie erwartet wurde, würde ihm das wohl niemand glauben.
  »Ich komm in drei Tagen einfach hierher. Das wird am besten sein. Wenn mein Vater erfährt, dass ich hier war und das auch noch alleine, könnte ich Schwierigkeiten geraten.«
  »Versteh schon, Miss. Dann also in drei Tagen wieder hier.«
***
Jonathan konnte nur mit Mühe verbergen, wie unwohl er sich gerade in seiner Haut fühlte. Was nicht daran lag, dass er mit Frank McKenzie auf dem Weg zu Inspektor Lansbury war. Sondern vielmehr daran, dass Katie ihnen hier mit Pech über den Weg laufen konnte. Was keinen von ihnen in eine angenehme Situation brächte. Ganz im Gegenteil.
»Hobbs, Sie müssen nicht so nervös sein«, riss Frank ihn aus den Gedanken. »Sie müssten doch inzwischen verstanden haben, dass Richmond ... Inspektor Lansbury manchmal zwar etwas unwirsch wirkt, aber dennoch vernünftigen Argumenten zugänglich ist. Was gerade in seinem Beruf nützlich ist. Immerhin gibt es genug andere Polizisten, die sturer sind als ein Esel es jemals sein könnte.«
  Jonathan nickte. »Ja. Es wird bestimmt funktionieren.« Das hoffte er jedenfalls. Und nicht nur allein, was das Gespräch mit Lansbury anging. Aber den zweiten Grund, nämlich Katie, verschwieg er Frank dann doch lieber. Auch wenn er sich obendrein immer noch Sorgen machte, ob Katie überhaupt etwas erreicht hatte. Aber das würde er dann später mit ihr besprechen. Wenn er wieder zurück und sie beide unter sich waren.
  Frank nickte ihm aufmunternd zu. »Sie werden sehen, Hobbs. Es wird keinerlei Probleme geben. Oder zumindest keine großen, wie Sie es sich ausmalen.«
  Wenn Ihr davon erfahrt, worüber ich mir genau Sorgen mache, würdet Ihr das anders sehen, dachte Jonathan, sprach es jedoch nicht aus. »In Ordnung.«
  »Na also.« Frank lächelte. »Also kommt jetzt. So dass wir es hinter uns bringen können. Je früher wir seine Erlaubnis erhalten, umso früher können wir mit Ergebnissen rechnen.«
  Das stimmte natürlich. »Einverstanden.«
***
»Frank, Hobbs! Sie beide hatte ich heute wirklich nicht erwartet«, begrüßte Richmond sie, nachdem sie sein Büro betraten. »Was führt Sie zu mir? Ich hoffe doch, es sind keine schlechten Neuigkeiten.«
  »Nein, nicht unbedingt, Sir. Aber letztendlich kommt das wohl auf die Sichtweise an.«
  Richmond zog eine Braue in die Höhe. »Ist das so?«
  »Vor allem ist es eine Bitte, die wir an dich haben«, korrigierte Frank Jonathan.
  »Jetzt macht ihr mich aber wirklich neugierig«, meinte Richmond. »Also raus damit. Worum geht es?«
  »Hobbs und ich haben uns vorhin noch einmal ausführlich unterhalten, und dabei sind mir ein paar Kontakte von damals eingefallen, die uns weiterhelfen könnten«, berichtete Frank. »Zwei um genau zu sein.«
  »Jetzt macht ihr mich neugierig.« Richmond deutete auf die Stühle vor seinem Schreibtisch. »Setzt euch doch.« Er runzelte die Stirn. »Ich nehme an mit damals meint ihr die Zeit, die ihr noch in Edinburgh gelebt habt?«
  Frank nickte und nahm Platz. »So ist es. Es geht um die beiden Herren William Goldstein und Landon Carter.« Den Kommentar, dass er Landon Carter normalerweise nicht als einen Herr bezeichnen würde, sondern mit anderen Worten, sparte er sich.
  »Was ist mit den beiden?«, erkundigte Richmond sich. »Könnten sie uns in dem Fall weiterhelfen? Das wäre großartig.«
  »Könnte trifft es ziemlich auf den Punkt«, sagte Frank. »Ich kenne leider nur die Adresse von Goldstein, jedoch die von vor sieben Jahren. Ob er sie noch benutzt weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass er zurück nach Deutschland gezogen ist.«
  »Ah, dann ist er Deutscher? Das habe ich mir bei dem Namen schon gedacht.« Richmond runzelte die Stirn. »Und ich liege wohl auch mit, dass er Kaufmann ist wie Ihr?«
  »Ja«, bestätigte Frank. »So ist es. Er war damals in Edinburhg auf der Suche nach«, er suchte nach dem passenden Wort »erfolgversprechenden Beziehungen.«
  »Was ist mit dem anderen? Landon Carter, richtig?« Richmond sah auf seinen Notizblock. »Was ist mit dem?«
  »An ihn kommen wir nur über Goldstein ran. Aber falls wir das schaffen, würden wir sicher einiges lohnenswerte und interessante erfahren. Vermutlich nicht nur über ihn«, sagte Frank.
  »Ich verstehe.« Richmond verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber selbst wenn wir einen der beiden erreichen – es dauert dann immer noch ein paar Tage, bis sie hier sein könnten.«
  »Es gäbe aber auch noch andere Möglichkeiten direkt mit ihnen zu sprechen, Sir«, wandte Jonathan vorsichtig ein.
  Richmond blickte ihn missmutig an. »Ein Telegramm zu schicken, gilt nicht als Unterhaltung. Das wissen Sie, oder?«
  »Ein Gespräch mit einem Fernsprecher schon«, entgegnete Jonathan.
  »Sie reden doch nicht von einer dieser neumodischen Erfindungen, Hobbs?«, wollte Richmond wenig begeistert von ihm wissen. »Davon abgesehen: Haben Sie überhaupt schon einmal so ein Monster bedient? Das ist immerhin etwas ganz anderes als ein Telegramm zu versenden.«
  »Nein, Sir. Aber so schwer kann das nicht sein, oder? Außerdem lerne ich gern neues.«
  »Ich glaube ja nicht, dass sich das durchsetzt«, sagte Richmond und seufzte. »Allein der Aufwand und die Kosten um so ein Gerät überhaupt zu installieren ist zu intensiv. Dann hat auch noch jeder seine eigene persönliche Nummer. Wer soll sich das denn alles merken können?«
  »Aber es gibt hier einen Fernsprecher, oder? Und auch in der Polizeistation in Edinburgh?«, hakte Jonathan nach.
  »Davon gehe ich aus«, antwortete Richmond. »Wenn Sie unbedingt wollen, können Sie gerne ihr Glück versuchen.«
  »Das werde ich. Vielen Dank, Sir«, sagte Jonathan. »Ich werde Ihnen beiden dann auch sofort berichten wenn ich mehr weiß.« Damit verließ er nach einer kurz angedeuteten Verbeugung das Zimmer.
  »Gut. Und wir beide unterhalten uns jetzt noch weiter über diese zwei Männer«, stellte Richmond und blickte Frank auffordernd an.

Das Geheimnis der ZwölfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt