Kapitel 2: Ein ungeplanter Zwischenfall

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Anno Domini 1890

England, London - am Rand zum East End

Sie wusste, dass sie Ärger kriegen würde sobald sie wieder nach Hause kam - das aber war ihr im Moment so ziemlich egal. Außerdem konnte ihr Vater ihr sowieso nie lange böse sein. Natürlich wusste sie auch, dass ihr Vater sich um ihre Sicherheit sorgte, was verständlich war schließlich war das East End alles andere als das. Sie allerdings war der Meinung, dass sie sich auch alleine recht gut zur Wehr setzen konnte - wenn sie denn musste. Davon abgesehen wohnte ihre beste Freundin nun einmal im East End und sie hatte sie bereits viel zu lange nicht mehr besucht. Dies lag überwiegend nicht an ihren Eltern, sondern an ihrer Anstandsdame, die sie auf den Tod nicht ausstehen konnte.

Katie, die mit vollem Namen Katharine McKenzie hieß, seufzte als sie an ihre Anstandsdame Madame Fleur dachte. Wann immer sie im Beisein von ihr war musste sie französisch sprechen. Französisch! Wozu zum Henker würde sie diese Sprache jemals brauchen? Katie stöhnte. Zugegeben die Sprache hörte sich schön an, ja, aber warum musste man sich dabei regelmäßig die Zunge verknoten. Dies passierte jedenfalls ihr immer und dann war da noch Latein. Diesen Unterricht konnte Katie noch weniger leiden. Zumindest soweit das überhaupt möglich war, was daran lag, dass der Unterricht komplett in Latein abgehalten wurde. Egal was sie sagte, alles musste Latein sein. Was sie jedes Mal an den Rand des Wahnsinns trieb. Genauso wie vermutlich auch Bruder Lucas. Diesen allerdings mehr aufgrund ihrer Begabung Lateinisch zu sprechen, die nahe bei null lag. Mal von ein paar Texten aus der Bibel abgesehen. Abermals seufzte Katie. Warum dachte sie eigentlich gerade jetzt daran? Das war doch nun wirklich nicht ihre Art - geschweige denn nötig! Katie überquerte die nächste Straße, das heißt sie wollte es, denn sie wurde aufgehalten.

„Miss, ich will nicht unhöflich sein aber dies ist nicht gerade der richtige Ort für jemanden wie Sie um sich allein aufzuhalten", erklärte ihr ein junger Constable freundlich.

Katie musterte ihn neugierig. Er schien, zumindest vom Aussehen, nicht viel älter als sie zu sein. Trotzdem strahlte er eine gewisse Ernsthaftigkeit aus, die sie bei jungen Männern in seinem Alter, jedenfalls bei denen die sie kannte, noch nie erlebt hatte.

„Miss haben Sie mir zugehört? Es ist nicht gut wenn Sie hier alleine sind. Haben Sie keine Begleitung?", erkundigte der Constable sich erneut.

Katie strahlte ihn an und zwar mit ihrem schönsten Lächeln, welches sie hatte. „Um ehrlich zu sein und das möchte ich, nein. Ich bin eine Ausreißerin wissen Sie Mister...", sie unterbrach sich.

„Hobbs. Jonathan Hobbs. Constable in der Einheit von Inspektor Lansbury", stellte er sich vor.

„Nun wie gesagt Mister Hobbs. Ich bin eine Ausreißerin. So würden jedenfalls Sie es vermutlich nennen", überlegte sie.

Constable Hobbs sah sie irritiert an. „Eine Ausreißerin?", wiederholte er eindeutig verwirrt.

„Ja. Ich bin von zuhause ausgerissen ohne meiner Anstandsdame, die wahrscheinlich nachher deswegen zu einer Furie werden wird, oder meinen Eltern Bescheid zu sagen, hierhergekommen um eine Freundin zu besuchen", sagte Katie.

„Eine Freundin von Ihnen?", jetzt sah Constable Hobbs wirklich mehr als verwirrt aus.

Er tat ihr beinahe Leid. Scheinbar konnte er sich nicht wirklich vorstellen, dass sie hier eine Freundin hatte und wusste nicht was er jetzt mit ihr tun sollte. „Hören Sie Constable. Ich glaube es ist für uns beide das Beste wenn Sie mich einfach weitergehen lassen", schlug Katie ihm vor. Er jedoch schüttelte den Kopf. „Verzeihen Sie mir Miss...", er sah sie fragend an. „McKenzie. Katharine McKenzie. Sie dürfen aber gerne Katie zu mir sagen", sie zwinkerte ihm aufmunternd zu. Entweder es fiel ihm nicht auf oder er überging es. Katie tippte auf letzteres.

Das Geheimnis der ZwölfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt