18. Warum sie uns alles verschwiegen hat

201 9 13
                                    

„Bitte?" Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen blickte Bob seine Klientin an.

„Ich weiß, ich weiß! Ich hätte es euch nicht verschweigen dürfen. Ich kenne den Mann, der uns im Restaurant so böse angestarrt hat. Er heißt Ben Waters und ich war vor langer Zeit fast mit ihm verheiratet. Wir haben sogar eine gemeinsame Tochter. Und alle Zeilen spielen auf eine bestimmte Phase in unserer Beziehung an", antwortete sie reumütig.

„Warum hast du uns das nicht gleich gesagt? Das hätte uns so viel Mühe gespart!", regte sich der Dritte auf.

„Sandra durfte es doch nicht wissen!", versuchte sich die Frau herauszureden, „Ich habe ihr damals verschwiegen, dass ich schon eine Tochter habe. Dann wären wir heute wahrscheinlich gar nicht mehr zusammen. Sie hatte damals ziemliche Probleme, mich mit irgendwem oder irgendwas zu teilen. Ein älteres Kind, dass ich mit in die Beziehung genommen hätte, wäre ein No-Go gewesen."

„In Ordnung. Jetzt können wir es sowieso nicht mehr ändern. Kannst du mir wenigstens sagen, was mit den Zeilen gemeint ist?", fragte Bob nach. Er witterte seine Chance, der Lösung des Falls ein ganzes Stück näher zu kommen.

„Ja, natürlich. Brauchst du etwas zum Schreiben?", fragte sie.

„Nein, ich habe mein Notizbuch dabei", erwiderte der Dritte, zog es aus seiner Hosentasche und klappte eine leere Seite auf.

„Also. Der Ort, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind, war die University of California. Zum ersten Mal geküsst haben wir uns, ich muss kurz überlegen- Ja, richtig. Am Sunshine beach. Zusammengezogen sind wir in der Mr. Bellington Road. Unser Hund, ein Labrador, hieß Hercules. Unser gemeinsames Lieblingsessen war Pizza Margherita. Sein Lieblingssport war das Jagen. Damals liebte er meine Muttermale, vor allem das etwas größere in meiner Halsbeuge. Unsere Tochter trägt den Zweitnamen Nora. Heiraten wollte er mich eigentlich in der St. Michael Church. Aber auf seinen Antrag antwortete ich mit Nein. Und wahrscheinlich geht er davon aus, dass Sandra an allem Schuld ist. Möchtest du noch etwas wissen?"

„Danke erst einmal. Mit diesen Informationen kommen wir ein riesiges Stück weiter! Hast du eine Idee, wofür die Zahlen hinter den Zeilen stehen?"

„Nein, leider nicht. Tut mir wirklich leid", antwortete die Frau und sah sichtlich mitgenommen aus. Bob wollte sie nicht noch weiter stressen, doch eine Frage brannte ihm noch auf der Seele.

„Eine Frage habe ich noch. Wie habt ihr eure Beziehung am Anfang geheim gehalten?"

Erstaunt blickte Mina auf und brauchte eine Weile, ehe sie antwortete: „Am Anfang war es wirklich schwierig. Meine Eltern dachten noch eine Weile, dass ich mit Ben zusammen wäre und sie waren nicht so wirklich amüsiert, als sie erfahren haben, dass ich ihn gegen eine Frau „ausgetauscht" habe. Wir sind in der Öffentlichkeit nie händchenhaltend durch die Gegend gelaufen und haben uns auch nie geküsst. Aber das hatte auch viel damit zu tun, dass ich Angst hatte, Ben wieder zu treffen. Doch das ist nie geschehen. Umso erstaunter war ich, ihn vor einigen Tagen im Restaurant zu sehen. Wahrscheinlich hat er unseren Kleinen, wenn ich nur wüsste, wo er sich aufhält. Hoffentlich geht es unserem Sohn gut. Aber das war ja nicht deine Frage. Irgendwann war uns dann die Meinung der anderen egal. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Wir hatten einander und das war alles, was zählte. Als wir aufhörten uns zu verstecken, hatten wir auch wieder mehr zu für unsere Freunde und konnten mehr gemeinsam unternehmen. Denn wir wussten, dass wir nicht jede kleine Gelegenheit nutzen mussten, um übereinander herzufallen, da wir uns sicher waren, dass noch viele Möglichkeiten folgen würden. Warum interessiert dich diese Frage so?"

„Nur so. Ich wollte nur-. Also es hat mich nur-. Es ist so,dass-.", stammelte der Dritte vor sich hin und spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Die Antwort von Mina hatte ihm sehr weitergeholfen und doch hatte er nicht mit einer Gegenfrage gerechnet.

Doch statt ihn komisch anzugucken, lächelte sie nur wissend und offenbarte: „Ich weiß, dass du mit Peter zusammen bist. Und ich kann mir vorstellen, dass es super schwierig ist, da ihr zu dritt seid und Justus sich wahrscheinlich öfter mal ausgeschlossen fühlt. Lasst ihn nicht ganz alleine. Und lasst euch nicht von anderen vorzuschreiben, wie ihr zu lieben habt. Wenn ihr euch in der Öffentlichkeit unter Leuten küssen wollt, dann tut das! Das ist euer Leben."

„Woher-? Wie-?", fragte Bob vollkommen perplex. Wie konnte diese Frau etwas wissen, dass sie versuchten, geheim zu halten.

„Ich habe aus dem Küchenfenster gesehen, wie ihr euch vor unserer Hütte lange umarmt habt. Danach seid ihr in Richtung Parkinneres weitergegangen. Ich kann keine Gedanken lesen. Ich schließe nur aus Beobachtungen", grinste sie.

„Danke!", lächelte der dritte Detektiv freundlich. „Aber ich fürchte, ich muss langsam wieder gehen. Du hast uns allen sehr geholfen!"

Die Frau nickte und begleitete Bob bis zur Tür.

Mit heftigem Herzklopfen betrat der Dritte wieder die Hütte von ihm und seinen beiden Freunden. Er hasste Streits und hatte Angst, dass dieser hier länger andauern würde.

Im Inneren zog er sich leise seine Schuhe aus und schlich in die Küche. Hier war niemand. Auch das Schlafzimmer war verlassen. Doch im Wohnzimmer saß Peter auf dem Sofa, das Gesicht frustriert in die Hände gestützt, den Blick nach unten gerichtet.

Als Bob sich zu ihm setzte und ihn von der Seite sanft ansah, sagte dieser: „Ich bin ein schlechter Freund."

Irritiert fragte der dritte Detektiv: „Wieso denkst du sowas?"

„Weil ich feige bin. Weil ich Angst habe vor der Ablehnung der Leute um uns herum. Und weil ich mich gleichzeitig nicht auf Dauer verstecken kann. Ich kann mich eben nicht zusammenreißen. Ist das denn so schwer? Bin ich kaputt, Bobbele?"

Bei seiner Frage sah er seinen Freund fast flehend an. Der Dritte lächelte Peter zärtlich an, nahm sein Gesicht in die Hände und erwiderte: „Du bist nicht kaputt, Peterchen. Sag sowas nicht. Wir müssen uns nicht verstecken. Lass es uns doch einfach mal ausprobieren. Wir selbst zu sein in der Öffentlichkeit. Dann haben wir wahrscheinlich auch nicht immer das Verlangen in den kurzen Phasen des alleine seins übereinander herzufallen. Dann kommen wir wahrscheinlich auch mit Just besser klar."

„Du bist ein Genie, Schnuffel", lachte der Zweite und sie küssten sich sanft. Versöhnung schmeckte immer noch am besten, fand Bob.

„Wo warst du eigentlich?", hakte Peter nach.

„Ich war bei Mina und habe ihr noch ein paar Fragen gestellt. Und ich habe sogar einiges herausgefunden. Aber ich möchte auf Justus warten, damit ich alles nur einmal erzählen muss."

„Womit müsst ihr auf mich warten?", hallte da Justus Stimme durch den Flur.

Peter murmelte: „Wenn man vom Teufel spricht."

Die drei Fragezeichen und die Gesetze der Unmöglichkeit | Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt