Kapitel 24 - 18 Monate ist eine lange Zeit

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18 Monate sind vergangen, seit wir das Gold von Orinoco gefunden haben. Vor 18 Monaten sind wir wieder hier Zuhause in OBX angekommen. 18 Monate ist es her, dass wir Big John Routledge begraben haben. 18 Monate ist Ward Cameron nun tot.

In diesen 18 Monaten ist einiges passiert. Davon später mehr.

Jetzt stehen wir hier, vor den ganzen Menschen, die uns vor 18 Monaten noch alle für verrückte, spinnende Teenager gehalten haben, Menschen, die uns bis vor 18 Monaten nicht ernst genommen haben. Und genau diese Menschen applaudieren uns nun für unsere Entdeckungen. Ganz Kildare sitzt auf Stühlen vor uns, klatschend, jubelnd und lächelnd, während so ein Geschichtsfutzi seine Rede hält. Pogues und Kooks nebeneinander. Wer hätte das gedacht. Zugegeben, ich wär jetzt am liebsten irgendwo anders, nur nicht hier. Das hier fühlt sich alles andere als richtig an. Ich habe nicht mein Leben aufs Spiel gesetzt, um nun von diesen scheinheiligen Heuchlern bejubelt zu werden. Alles was ich wollte ist, ein Abenteuer mit meinen Freunden zu erleben. Ich schaue in das Publikum und sehe einige Gesichter, die ich eigentlich nie freiwillig sehen wollen würde. Darunter Kooks wie Topper, Kies Eltern, Kelce und so weiter. Nur über ein paar Gesichter freue ich mich. Wie zum Beispiel die von Popes Eltern. Und die meiner Eltern. Sie strahlen über beide Ohren. Ich schaue meine Freunde an, die neben mir auf der Veranda des Kulturhauses von Kildare stehen. Sarah und John B stehen rechts neben mir und bedanken sich für den Applaus mit einem Lächeln und Nicken. Pope, der links neben mir steht lächelt etwas zurückhaltender. Kie, links neben Pope zeigt ein sehr erzwungenes Lächeln. Cleo, die zwischen Kie und JJ steht, sieht erleichtert aber auch etwas unbeholfen aus. Mein Blick wandert weiter zu JJ. Er sieht alles andere als glücklich aus. Sein nervöser Blick trifft meinen Besorgten und wir schauen uns einen Moment an. "Gleich ist es vorbei" versuche ich ihm telepathisch zu sagen, aber er schaut nur umso nervöser wieder zu Boden. Von einem Lächeln keine Spur. An meinen Telepathiekünsten muss ich wohl noch arbeiten. Ich schaue erneut ins Publikum. Denn es gibt ein Gesicht, das ich vermisse. Mir ist bewusst, dass ich dieses Gesicht an dem heutigen Tag nicht hier auffinden werde, aber Hoffnung habe ich trotzdem. Suchend schaue ich von Kooks zu Pogues wieder zu Kooks und zurück zu Pogues, jedoch erfolglos. War ja klar, dass er nicht kommt. Warum auch?

Nun zu dem was sich in den 18 Monaten so alles getan hat. Wir haben natürlich für unsere historischen Fünde einiges an Finderlohn bekommen. Sarah und John B haben das Geld in einen eigenen Surfshop investiert. Ich muss zugeben, ich bewundere die beiden dafür was sie da auf die Beine gestellt haben. Pope hat sich an einer Uni beworben und fängt in ein paar Monaten an zu studieren. Kie arbeitet ehrenamtlich bei einer Schildkröten Auffangstation und Jj besitzt einen Bootsverleih. Tja und ich? Ich arbeite auf einer Ranch und wenn ich nicht gerade den Stallpflichten nachgehe oder mit meinen Freunden abhänge, dann sitze ich aufm Pferd. Aber das ist längst nicht alles was in den letzten 18 Monaten alles passiert ist. Fangen wir ganz von vorne an:

Als wir zurück in OBX ankamen, war es ein emotionales Durcheinander für uns alle, aber am meisten für John B und Sarah. Beide hatten ihren Vater verloren. Diesmal endgültig. Ich wünschte es wäre gelogen, aber mein erster Gedanke als ich mit meinen Freunden den Fuß wieder an Land setzte, waren nicht meine Eltern, nicht mein Zuhause. Es war Rafe. Er war um genau zu sein das Einzige woran ich denken konnte. Bei mir zuhause angekommen konnte ich nicht still sitzen. Meine Eltern bombardierten mich mit Freude, Tränen, Wut, und Fragen, darüber was passiert war, aber ich konnte ihnen keine richtigen Antworten geben. Schließlich sagte ich ihnen ich würde schlafen gehen, bat sie das Gespräch auf morgen zu verschieben und ging in mein Zimmer. Dort warf ich eine Schlaftablette ein und legte mich in mein Bett. Es dauerte eine Weile bis die Schlaftablette wirkte. Nervös spielte ich an meinem Ring am Daumen, bis ich immer müder und müder wurde. Dann schlief ich ein und träumte von ihm. Es war ein Albtraum. Wir waren am Flugplatz, dort wo wir vor Kurzem wirklich mit dem Jet von Ward abgehoben sind um nach Orinoco zu fliegen. Der Traum fing an wie es in der Realität auch passiert war: Wir mussten los, von Jj und Kie war keine Spur, als dann plötzlich Rafe und sein verwundeter Vater auf einem Motorrad ankamen. In meinem Traum entschied sich Rafe aber dazu mit uns mitzukommen. Wir flogen los und kaum hatte der Jet die vorgesehene Flughöhe erreicht, gerieten wir in üble Turbulenzen. Alles wackelte, wir saßen angeschnallt in unseren Sitzen und schoben Panik. Unser Kreischen war nicht mal zu hören, weil das ruckelnde Flugzeug so laut war. Alle möglichen Warnsignale ertönten und die Lichter flackerten, bis sie letztendlich komplett ausgingen. Plötzlich riss die eine Seitenwand des Jets ab an der Ward saß und er drohte von dem Sog herausgezogen zu werden. Rafe löste seinen Gurt und stand auf um seinen Vater zu retten. Ich wollte etwas tun, aber ich war wie gelähmt. Ward schaute Rafe an und schrie er solle sich wieder hinsetzen. Dann legte er seine Hände auf den Gurt und löste ihn. Rafe stürzte sich auf ihn, aber es war zu spät. Ward wurde in die Dunkelheit gezogen. Rafe klammerte sich mit aller Kraft an dem fest was er greifen konnte und schrie heulend. Ich wusste, er wird es keine weitere Sekunde so aushalten. Er wird ebenfalls vom Sog mitgenommen werden. Ich schaute auf seine Hand die langsam aber sicher von der Armlehne rutschte an der er sich festhielt. Meine Lähmung löste sich und ich konnte mich endlich bewegen. Ich löste meinen Gurt und sprang auf, doch kaum stand ich auf meinen Beinen, verlor ich in dem fallenden Flugzeug das Gleichgewicht und fiel. Aber ich schien nie am Boden den Flugzeugs anzukommen. Ich fiel und fiel und alles war schwarz. Dann wachte ich schweißgebadet auf. Es war noch dunkel. Ich schaute auf die Uhr. 5:27. Ich ging ins Bad und duschte kalt. Meine Eltern schliefen noch. Leise zog ich mich an und schlich mich aus dem Haus. Ich ging zum Schuppen und nahm mein Fahrrad, musste aber feststellen, dass die Reifen platt waren. Im Schuppen suchte ich nach unserer Luftpumpe, was sich im Dunkeln als schwierig erwies. Mir fiel ein Werkzeugkasten meines Vaters von der Werkzeugbank. Ich fluchte. Nachdem ich die rausgefallenen Schrauben und Hammer und was Dad da sonst noch alles drin hatte eingesammelt hatte, räusperte sich jemand hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um, bereit denjenigen mit einem Hammer zu erschlagen. "Entschuldigung, Schatz, ich wollte dich nicht erschrecken." sagte eine Silhouette die sich als mein Vater zu erkennen gab. Er knipste eine Taschenlampe an. "Ich bins, Dad." Ich, vollkommen erschöpft von der Nacht, und völlig aufgelöst von dem Schreck, war den Tränen nah. "Tut mir leid, ich wollte euch nicht wecken." sagte ich weinerlich. Er nahm mich in den Arm. "Ist doch nicht schlimm, Süße. Ich wäre eh bald aufgestanden. Mom schläft noch, die hat nichts mitbekommen." Das tröstete mich. "Was suchst du überhaupt?" fragte er mich. "Die Fahrradpumpe." antwortete ich. "Du willst jetzt um diese Uhrzeit einen Ausflug mit dem Fahrrad machen?" fragte er verwirrt. "Ich wollte nur eine kleine Runde drehen um frische Luft zu schnappen." erklärte ich. "Na lass mal sehen." sagte er und ging an mir vorbei in den Schuppen. Ohne lang zu suchen, holte er die Luftpumpe aus dem ganzen Gedöns was sich in unserem Schuppen befand. Ich schaute ihn beeindruckt an und streckte die Hand nach der Pumpe aus. "Danke, Dad." sagte ich. Doch er händigte mir die Pumpe nicht aus. "Lass mich das schnell machen." sagte er und steuerte auf mein Fahrrad zu. In null Komma nichts waren die Reifen aufgepumpt. "So, und mach ja nichts unüberlegtes." sagte er und hielt mir den Lenker des Fahrrads hin. Ich bedankte mich bei ihm und fuhr los.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 17 ⏰

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