Prolog | Strategy Error

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Strategy Error
Prolog


4. September 2023

Italienische Riviera

0:03 Uhr


„Sie hätten sich längst melden müssen!"

Immer wieder lief er nervös auf und ab. Der Motor des schwarzen Maserati lief noch, während er wiederholt die Straße auf- und ablief, permanent nach seinem Handy griff und die Uhrzeit kontrollierte.

„Charles... Das bringt doch jetzt nichts", versuchte Lorenzo ihm klar zu machen, nur konnten dessen Worte jetzt nicht bis zu ihm durchdringen.

„So war das nicht geplant! Das alles nicht!"

Wie zur Hölle hatte das passieren können? Das hätte unmöglich sein sollen. Sie hatten das alles doch genau abgesprochen. Alle waren eingeweiht und jeder hatte sich an den verdammten Plan gehalten. Also wie konnte das geschehen?

„Das konnte niemand voraussehen", kam es erneut von Lorenzo, aber das wollte er in diesem Moment nicht wahrhaben. Wozu hatten sie denn alles genaustens durchgeplant, wenn etwas schieflaufen konnte? Dafür hatten sie sich doch die ganzen Nächte um die Ohren geschlagen!

„Das ist mir scheißegal! Fuck! Es geht um unseren Bruder!", fuhr er Lorenzo natürlich vollkommen unnötig an, denn das half ihnen genauso wenig weiter.

„Die finden sie schon. Wir wissen zumindest-", wollte sein älterer Bruder erneut etwas sagen, mit dem er ihn zu beruhigen versuchte, nur hatte es den absolut gegenteiligen Effekt auf ihn.

„Nein! Nein, wir wissen gar nichts! Wir wissen überhaupt nichts. Verdammt! Nicht Arthur! Nicht...! Die wollten mich! Nicht ihn!", platzte es nur weiter aus ihm heraus, denn wo sollte er mit diesen fürchterlichen Emotionen denn sonst hin? Wie sollte er denn mit dem zurechtkommen, was passiert war und niemals hätte passieren dürfen?

„Er kriegt das hin. Alle suchen ihn und sie finden ihn auch. Ganz sicher", hörte er Lorenzo eindringlicher entgegnen, nur konnte er jetzt keine Zuversicht schöpfen. Nicht allem, was heute Nacht schon passiert war. Zumal er wusste, dass Lorenzo davon genauso wenig überzeugt sein konnte, nur durfte er selbstverständlich nicht die Nerven verlieren.

„Und was, wenn nicht? Was, wenn ihm...?" Weiter konnte er nicht sprechen, denn da brach ihm auch schon die Stimme. Er durfte das alles gar nicht bis zu Ende denken. Dabei würde er noch wahnsinnig werden.

Es war ein wahrgewordener Albtraum.

„Das darfst du nicht mal denken", mahnte Lorenzo zwar entschieden, aber er hörte ihm kaum mehr zu. Er konnte sich nicht mehr erinnern, dass er je so viel Angst wegen einer Sache gehabt hatte. Er war sich bis vor wenigen Tagen noch so sicher gewesen, dass ihn nichts auf der Welt wirklich erschüttern konnte und dann überschlugen sich die Ereignisse.

„Das darf nicht sein. Das darf einfach nicht sein. Was... Was soll ich Mama sagen? Wie zur Hölle soll ich ihr erklären, dass alles schiefgelaufen ist? Das übersteht sie nicht!"

„Die italienischen Behörden tun, was sie können. Sie werden Arthur schon da rausholen", probierte Lorenzo es noch einmal eindringlich, nur was sollten die denn jetzt noch ausrichten können? Sie hatten ohnehin einen Gegner, mit dem sie es nicht aufnehmen konnten.

„Werden sie das? Wenn die ihren Job so gut machen, wie mein Team, ist er so gut wie tot. Und glaubst du ernsthaft, dass die nicht zu irgendeinem Ort fahren, den keiner von uns kennt?", machte er Lorenzo mal seinerseits deutlich, wie ernst diese Lage war und dass es keinen Ausweg mehr gab, egal wie sehr sie sich das schönreden wollten.

„Sie können ihn immer noch orten", suchte Lorenzo händeringend nach irgendwas, woran sie sich jetzt noch festhalten konnten, aber...

„Es könnte längst zu spät dafür sein." Das wussten sie Beide. So naiv war Lorenzo nicht. Im Gegenteil. Eigentlich war er doch derjenige, der immer sehr scharfsinnig sofort wusste, was Sache war. Er war niemand, der sich und anderen etwas vormachte und alleine die Tatsache, dass er es versuchte zeigte ihm, wie hart das für sie Beide zu akzeptieren war.

„Charles, beruhig dich...", setzte Lorenzo an, doch da brach es schon wieder vollkommen unkontrolliert aus ihm heraus.

„Ich kann, werde und will mich aber nicht beruhigen!", schrie er seinen Bruder regelrecht an. Was folgte war ein emotionaler Schrei und ein beinahe Nervenzusammenbruch, den er gerade noch in den Griff bekommen konnte, als Lorenzo zu ihm herüberkam und ihn in eine kräftige Umarmung zog.

Ab diesem Moment konnte er nicht mehr zuhören.

Er hörte gar nicht mehr, was um sie herum los war. Das alles war viel zu viel für ihn. Gewiss für sie beide. Es hätte niemals schiefgehen dürfen, aber leider war es das und jetzt wusste keiner von ihnen, wie dieser Horror ausgehen würde. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, wusste er überhaupt nicht, was er machen sollte.

Dass sie hier nicht einmal alleine waren, hatte er komplett ausgeblendet. Das gesamte Aufgebot um sie herum, das Blaulicht, das ganze Durcheinander. Das war alles in den Hintergrund gerückt, als er über den Polizeifunk das vernommen hatte, was er einfach nicht hatte hören dürfen.

Wir haben sie verloren.'

Vier Worte, die einfach seine ganze Welt zerstörten, die ihn an den Rand des Zusammenbruchs brachten und die auch ihrer Mutter das Herz aus der Brust reißen würden, wenn sie ihr davon erzählen mussten.

Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass die geplanten Schlagzeilen nicht auch noch in der Öffentlichkeit auftauchten. Das würde für mehr Wirbel sorgen, als sie aushalten konnten. Wenigstens hatten sie den großen Plan verhindern können und abgewendet, was passieren sollte. Aber sie waren dennoch gescheitert.

Und möglicherweise würde das seinem jüngeren Bruder das Leben kosten.

Senza RegoleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt