Saturday Morning

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"Matschiger Fisch und Pommes in Zeitungspapier, du weißt wirklich, wie man ein Mädchen beeindruckt.", sagte ich zu Jack, während ich meine Schuhe auszog und meine Füße auf dem Armaturenbrett seines Wagens ablegte. Ich griff in die fett verschmierte Zeitung, die auf meinem Schoß lag, und zog eine fettige Pommes heraus, die ich dann genüsslich verspeiste.

„Ja, ich bin einfach erstklassig.", erwiderte Jack, griff hinüber und zupfte ein Stück Bratfisch aus den warmen Tiefen der Verpackung.

Wir blickten aus der Windschutzscheibe auf den menschenleeren Strand und die peitschenden Meereswellen dahinter. Die schwachen Sonnenstrahlen vom Vormittag hatte sich längst verzogen und hinterließen einen tief grauen Himmel mit leichtem Nieselregen. Vielleicht kein perfektes Strandwetter, aber es sorgte dafür, dass niemand zu sehen war, als wir am Aussichtspunkt saßen und zu Mittag aßen.

Während wir fröhlich vor uns hin mampften und unsere fettigen Hände an den Hosen abwischten, verbrachten wir etwa 15 Minuten in geselliger Stille. Nachdem wir Fisch und Pommes aufgegessen hatten, kurbelte ich das Fenster herunter und warf die zerknüllte Zeitung mit perfekter Präzision in einen nahe gelegenen Mülleimer. Sie segelte sauber hinein, und ich jubelte kurz auf.

Ich drehte mich zu Jack. „Schlag ein.", lachte ich und er schlug bereitwillig seine Handfläche gegen meine.

„Guter Wurf, Jordan."

Ich kurbelte das Fenster wieder hoch und drehte mich so, dass ich halb an der Autotür und halb am Sitz gelehnt saß.

Wir versanken erneut in eine schläfrige Stille, lauschten dem leisen Prasseln des Nieselregen, der auf das Dach des Pick-ups und die Abdeckung der Ladefläche fiel, und beobachteten, wie sich das dürre Gras rund um den Aussichtspunkt und die Ufer des Strandes im leichten Wind hin und her bewegte. Die triste Szenerie aus den Fenstern ließ das warme Innere des ramponierten alten Pick-ups nur noch gemütlich und behaglich erscheinen.

Gefangen in dem wohligen Moment, hob ich meinen Blick zu Jacks Gesicht und lächelte ihn liebevoll an. Falls ich ein Lächeln im Gegenzug erwartet hatte, wurde ich jedoch enttäuscht, denn er schaute mit völlig ausdrucksloser Miene aus der Windschutzscheibe und somit entging ihm mein Blick völlig. Ihn so zu sehen, wie er so weit in die Ferne blickte, entfachte das plötzlich starke Verlangen in mir, ihn von seinen inneren Gedanken, auf die er sich so sehr konzentrierte, wegzuholen.

Manchmal erschreckte es mich, wie ernst er in den ruhigen Momenten werden konnte. Es war nun sechs Jahre her, dass er seine Mutter und seine jüngeren Geschwister bei dem Horror-Crash verloren hatte, der unsere gesamte Kleinstadt erschüttert hatte, und alle außer meiner Familie dachten, er wäre darüber hinweg.

Ich persönlich verstand nicht, wie jemand so etwas denken konnte. Wie kann man über so etwas hinwegkommen? Dennoch, so sehr ich sein Recht auf fortwährende Trauer respektierte, es war einfach nicht gesund, wie Jack sich von seinem Umfeld abkapselte, und zuweilen, wenn er so schaute wie in diesem Moment, hatte ich Angst, dass er eines Tages gar nicht mehr zurückkommen würde.

"Jack?", sagte ich leise, um ihn nicht zu erschrecken, aber entschlossen, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Soll ich dir mal etwas Komisches erzählen?"

Einen Moment lang dachte ich, er würde nicht antworten, aber dann schien er wieder zu sich selbst zu finden und drehte sich mit einem kleinen Lächeln zu mir um. "Immer.", erwiderte er, wobei sich ein Hauch von Belustigung in seine Stimme schlich.

Froh, dass es mir gelungen war, ihn von seinen zweifellos melancholischen Gedanken abzulenken, erlaubte ich mir, etwas zu sagen, worauf ich seit Anfang des Jahres hingearbeitet hatte. "Ich habe dich vermisst."

So Much to Learn | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt