Karma

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Ich stand nervös vor der Tür, die zu Haleys Wohnung führte, und sagte mir selbst streng, dass ich dazu erzogen worden war, mich besser zu benehmen als ich es getan hatte. Schnell ließ ich einen kleinen Film all meiner pampigen, erbärmlichen Momente ablaufen, die ich in letzter Zeit mit Haley erlebt hatte, und schämte mich sehr für mein Verhalten. Es gelang mir genug Mut aufzubringen, um meine Hand zu heben und entschlossen an die Tür zu klopfen.

"Wer ist da?" Die kratzige, heisere Stimme von jemandem, der offensichtlich sehr lange geraucht hatte, ertönte so laut in meiner Nähe, dass ich zusammenzuckte und tatsächlich hinter mich blickte, weil ich dachte, dass jemand hinter mir stand. Als ich niemanden sah, wandte ich mich wieder der Tür zu, die genauso aussah wie unsere Wohnungstür.

"Ähm, hier ist Natalia von oben.", antwortete ich, wobei ich mich selbst mit der Verwendung meines vollen Namens überraschte, aber ich hatte das Gefühl, dass diese unheimliche Stimme diese Förmlichkeit verlangte.

"Ich bin eine Freundin von Haley." Okay, technisch gesehen eine Lüge, aber wenn es dazu diente, mich bei ihr zu entschuldigen, konnte es doch nicht so falsch sein, oder?

Es war zu hören, wie jemand die Schlösser öffnete, und als ich die Tür genauer betrachtete, sah ich, dass es drei waren, im Gegensatz zu dem einen, das unsere Tür hatte. Die Tür öffnete sich einen Spalt und gab den Blick auf eine Sicherheitskette und ein Paar blasser, wässriger Augen frei, die mich anstarrten.

Eigentlich war das alles ein bisschen gruselig. Sie hatten eine Sicherheitskette? Wer zur Hölle, dachten sie, würde hier einbrechen?

Ich lächelte die alte Dame beruhigend an, die mich durch den Spalt ansah. Ich lernte also endlich Haleys Tante kennen, und so wie sie aussah, musste sie eine Großtante sein, denn sie wirkte regelercht antik.

"Hi, ist es in Ornung, wenn ich kurz bei Haley vorbeischaue?", fragte ich mit meiner höflichsten und freundlichsten Stimme. Ihr wisst schon, der Ton, den man für ältere Menschen vorbehält, und es ist wirklich schwer, den herablassenden Ton zu vermeiden, nicht wahr?

Die Tür wurde leicht geschlossen, als sie die Kette entfernte, dann öffnete sie sie vollständig und schätzte mich offen ein. Es muss gesagt werden, dass ich das Gleiche tat. Sie war winzig und sah zerbrechlich aus, aber ich war bereit zu wetten, dass sie eine ziemlich Schreckschraube war.

Ihre Hände wirkten wie Klauen und waren vom Nikotin braun gefärbt, und ihr Mund war von den Falten umgeben, die Langzeitraucher bekamen. Natürlich konnte es auch sein, dass sie ihre Lippen häufig voller Missbilligung schürzte, wie sie es in diesem Moment tat.

Passend zum Thema des Tages sah sie überhaupt nicht beeindruckt von mir aus.

"Sie weint in ihrem Zimmer. Ich vermute das ist deine Schuld?"

Ich schluckte, diese Frau konnte es in puncto beunruhigender Unverblümtheit mit meiner Mutter aufnehmen. "Ja, wahrscheinlich.", gab ich zu. "Ich bin hier, um mich zu entschuldigen."

"Das ist auch gut so.", brummte sie, trat zur Seite und ließ mich eintreten. "Haleys Zimmer ist da drüben.", sagte die alte Dame und deutete mit einem knorrigen Finger auf eine geschlossene Tür.

"Danke." Ich straffte die Schultern und suchte mir einen Weg durch die verschiedenen antik aussehenden Möbelstücke im Hauptraum, der unserer Wohnung im ersten Stock so ähnlich und doch so anders war.

Wisst Ihr, warum Zierdeckchen aus dem allgemeinen Gebrauch verschwunden zu sein schienen? Nun, ich glaube, ich habe herausgefunden, wohin sie verschwunden sind. Es war, als würde Haleys Tante ein Auffanglager für alles Alte und Muffige betreiben.

Ich klopfte leicht an Haleys Tür, da ich mir der Blicke ihrer Tante bewusst war und hoffte, Haley würde schnell öffnen, damit ich ihre mmissbilligenden Blick entgehen konnte.

So Much to Learn | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt