-Erens Sicht-
Es kam kein Wasser aus der Leitung und in der Küche fand ich keine Wasserflaschen, in denen sich noch Wasser befanden. Ich musste wohl oder übel darauf verzichten, mich zu waschen. Ich ließ die Luft in meiner Lunge entweichen und ging zurück in das Badezimmer.
In einem Regal fand ich Sprühdeo, das ich benutzte. Als ich die Dose wieder zurückstellte, sah ich im obersten Fach eine Art kleinen Erste-Hilfe-Koffer.
Ich holte ihn runter und stellte ihn auf das Waschbecken, bevor ich ihn öffnete. Nagel, Faden, Pflaster, Verbandszeug, Desinfektionsmittel und ein paar andere Dinge. Das meiste wurde schon benutzt, der Koffer war fast leer.
Levi und Hanji hatten sich wohl oft Verletzungen zugezogen. Ich hielt für einen Augenblick inne - Hanji. Sie hatte hier gemeinsam mit Levi gelebt, in dieser Wohnung und jetzt war sie nicht mehr hier bei ihm.
Mit diesen Gedanken schloss ich den Koffer wieder und begab mich in das Wohnzimmer, in welchem Levi im Dunkeln auf dem kühlen Boden vor dem kleinen Tisch saß. Ich würde mich zuerst um seine Verletzungen kümmern, bevor ich mir frische Kleidung anziehen und mich Schlafen legen würde. Aber vielleicht würde ich diese Nacht überhaupt nicht schlafen können.
Ich stellte die Taschenlampe und den Koffer auf den Tisch, bevor ich mich zu ihm auf den Boden setzte.
Ich berührte seine verletzte Hand und sagte kein Wort. Levi beachtete mich nicht weiter und starrte mit einem leeren Blick in seinen Augen vor sich hin. Sein Lächeln war gefallen und er wirkte, als hätte er aufgegeben.
Ich senkte meinen Blick und löste das blutgetränkte Verband, das um seiner Hand lag. Der Zeige- und der Mittelfinger seiner rechten Hand fehlten, Kenny hatte sie ihm ohne mit der Wimper zu zucken abgetrennt. Levi war Rechtshänder, aber er schien auch mit seiner linken Hand gut umgehen zu können.
Bevor ich Levis Wunde behandelte, reinigte ich meine Hände so gut es ging mit dem Alkohol, das als Desinfektionsmittel diente. Danach gab ich etwas von der Flüssigkeit auf seine Haut. Levi zog scharf die Luft ein, als es zu schmerzen begann.
,,Tut mir leid", hauchte ich ihm sofort entgegen. Ich hielt Levis Hand in der meinen und betrachtete sie. Seine Hand war groß und rau. Adern hoben sich leicht von seiner hellen Haut hervor und ließen seine Hand noch viel männlicher wirken.
Jemand mit solchen Händen wirkte viel bedrohlicher als jemand mit schlanken Händen und Fingern und glatter Haut. Es waren die Details an Levi, die seine kühle Art untermalten und andere sich ihm unterordnen ließen. Auch seine tiefe, raue Stimme zählte dazu.
Aber wenn er bei mir war, wurde seine Stimme weicher und seine Gesichtszüge ebenfalls. Manchmal da lächelte er sogar oder lachte mit mir, aber in diesem Moment schenkte er mir keine Beachtung.
Das war in Ordnung.
Levi brauchte Zeit.
Ich versorgte seine Wunde und verband sie schließlich. Dann kümmerte ich mich um sein blaues Auge und um seine Lippen.
Bei dem Auge konnte ich nicht viel machen, es musste selbst verheilen, aber die Schwellung hatte zumindest etwas nachgelassen und das starke Blau war fast vollständig zu einem dunklen Rot verblasst. Aber sein Augenlid und seine Augenbraue konnte ich sanft eincremen - Kenny hatte vorgehabt, ihm das Auge auszustechen, wenn ich nicht eingegriffen hätte.
Auch die Wunde an seinen Lippen cremte ich ein. Ich ließ meinen Zeigefinger über seine schmalen Lippen fahren. Sie waren trocken und rau und auch blass. Mein Herz begann schneller zu klopfen und ich fragte mich, ob Levi in diesem Moment etwas fühlte.
Vermutlich nicht.
Ich drehte den Deckel der Creme wieder zu und bevor ich die Tube zurück in den Koffer legen konnte, hielt Levi mich auf.
,,Dein Auge", war alles, was er sagte und erst jetzt viel mir auf, dass auch ich eine kleine Verletzung hatte. Eine Schnittwunde, die über meine Augenbraue bis zu meinem Augenlid reichte. Es war die gleiche Verletzung, die Levi auch hatte - an der selben Stelle. ,,Es ist in Ordnung so wie es ist, es verheilt von selbst."
,,Bist du nicht müde? Möchtest du dich nicht schlafen legen?", fragte Levi. ,,Legst du dich dann zu mir?", wollte ich wissen. Levi schwieg und ließ mich mit der Antwort zu meiner Frage warten. ,,Ich bleibe hier, du kannst in meinem Bett schlafen", war alles, was er sagte, ohne mir eines Blickes zu würdigen.
,,Das Bett ist groß genug für uns beide", meinte ich dann, doch Levi gab mir keine Antwort. Ich blieb für ein paar Minuten neben ihm sitzen, bevor ich mich in sein Zimmer begab. Es war verständlich, dass Levi alleine sein wollte. Das war das erste Mal, dass er meine Gesellschaft ablehnte, dass er mich nicht mal ansehen wollte.
Ich zog mich aus und ließ meine Kleidung zu Boden fallen. Sie war dreckig und roch nicht gut. Dann zog ich mir frische Kleidung von Levi an - seine Unterwäsche, seine Hose und sein T-Shirt. Der Stoff der Kleidung roch angenehm nach Waschmitteln und ein Bisschen nach ihm.
Es fühlte sich an, als würde er unmittelbar hinter mir stehen und mich in seinen Armen halten.
Mit diesen Gedanken legte ich mich in sein Bett, doch anstatt meine Augen zu schließen, starrte ich gegen die Wand. Ich zog die Decke bis unter meine Nase und wusste mir nicht mehr zu helfen. Furlan, Isabel, Erwin und auch Hanji - alle tot.
Levi war alleine, er hatte niemanden mehr und ich würde niemals in der Lage sein können, jeden einzelnen seiner Freunde zu ersetzen. War ich einer seiner Freunde?
Ich schloss meine Augen und spürte, wie ich allmählich in den Schlaf fiel, als ich dann Schritte vernahm und das Senken der Matratze mir verriet, dass Levi zu mir in das Bett gestiegen war. Er legte seine Arme um meinen Körper und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Sein warmer Atem traf meine Haut und bereitete mir eine Gänsehaut.
,,Lass uns morgen früh von hier verschwinden..."
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Monster [Ereri/Riren]
FanfictionEines Nachts wird Eren Jäger von lauten Sirenen, die die Bevölkerung vor Gefahren warnen, aus dem Schlaf gerissen. Kurz darauf stellt er entsetzt den Grund für die plötzlichen Warnsignale fest - in Shiganshinas Straßen laufen menschenähnliche Kreatu...