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-Erens Sicht-

,,Levi... du weinst."

Ich blickte in die Augen des Mannes, der mir seine Vergangenheit anvertraut hatte. Es musste etwas zu bedeuten haben, wenn jemand weinte, der sets eine ausdrucklose Miene wahrte und einem seine Gefühle und Emotionen lieber für sich behielt als sie zu teilen.

Ich wollte wissen, wie viel Schmerz er in seinem Herzen trug. Ich hatte damals meine Eltern verloren, ich war ein kleines Kind gewesen. Aber das, was Levi hatte durchmachen müssen... Ich wollte mir das nicht ausmalen. Das musste schrecklich für ihn gewesen sein.

,,Ich löse Furlan ab. Du solltest dich hinlegen", sagte ich und obwohl ich Levi vorhin umarmt hatte, traute ich mich nicht mehr, ihn zu berühren. War ihm die Umarmung unangenehm gewesen? Ich presste meine Lippen zusammen und hoffte inständig, dass dem nicht so war. Levi hat die Umarmung nicht erwidert.

,,Ich denke nicht, dass ich schlafen kann, Eren", brachte Levi hervor. Er wischte sich über sein Gesicht, damit die Tränen verschwanden. ,,Ein Versuch ist es Wert", meinte ich und lächelte sanft.

Levi und ich verließen die Halle und gingen die Treppen hoch in das Erdgeschoss. Auf dem langen Flur begegneten wir Furlan, der seine Wache abhielt. Er lächelte, als er uns sah. Sein Blick lag auf mir.

,,Wie war das Schießtraining? Wie hast du dich geschlagen, Eren?", fragte er. ,,Nachdem Levi mir geholfen hatte, ist es um einiges besser gelaufen", erwiderte ich, ,,ich löse dich von deiner Wache ab, du kannst dich Schlafen legen."

,,Alles klar - Viel Spaß."

Damit verschwand Furlan aus meinen Augen. Levi stand noch bei mir, sein kalter Blick durchbohrte den meinen. Wie hatte er es geschafft von dem einen auf den anderen Moment wieder so kalt zu wirken? Er war tatsächlich ein Mensch, der sich anderen nicht gerne öffnete.

Levi sah mir in die Augen, bevor er seinen Blick von mir abwandte und einen Fuß vor den anderen setzte, um Furlan zu folgen. Ich blieb stehen und sah dem Mann hinterher. Am liebsten wollte ich, dass er bei mir blieb, aber es wäre besser, wenn er sich hinlegen und etwas Schlaf finden würde.

,,Levi!"

Ich war überrascht von mir selbst, als ich plötzlich nach ihm rief. Der Schwarzhaarige blieb stehen und drehte sich zu mir um. Röte schoss mir in meine Wangen. ,,W-Wenn du nicht schlafen kannst, dann leiste mir bitte etwas Gesellschaft", sagte ich schließlich und als ich glaubte, wieder etwas falsches gesagt oder getan zu haben, erschien ein ehrliches Lächeln auf den Lippen meines Gegenübers. Dann drehte Levi sich um und ging.

Ich stand alleine in diesem Flur und legte meine flache Hand auf meine Brust. Mein Herz schlug schneller als es sollte. Erst nannte ich ihn attraktiv, dann umarmte ich ihn und zuletzt bat ich ihn darum, zu mir zu kommen, wenn er nicht schlafen konnte. Gott, was wenn er das alles falsch aufgefasst hatte?

Warum überhaupt zerbrach ich mir den Kopf so sehr darüber?

Ich ging den Flur entlang und jedes Mal, wenn ich auch nur das Gefühl hatte, Geräusche zu hören, zuckte ich zusammen und bewegte meine Hand zu dem Holster, in dem meine Pistole steckte. Nicht nur die Geräusche, die ich glaubte zu hören, ließen mich zusammenzucken. Ich hatte das Gefühl, dass jemand hinter mir stand. Nein, ich hatte Angst, dass jemand hinter mir stehen könnte.

Die Stille trieb mich in den Wahnsinn. Es könnten jeder Zeit Monster in diesem Gebäude auftauchen so wie in dem großem Krankenhaus, das wir hatten verlassen müssen.

Mitten in der Nacht einen leeren Flur entlangzugehen, während draußen menschenfressende Kreaturen ihr Unwesen trieben, waren nicht die besten Optionen, um Wache zu halten und dabei Ruhe zu bewahren. Hatten Levi und die anderen unter diesen Umständen etwa keine Angst, Wache zu halten? Es brauchte einen kleinen Moment, bis ich realisierte, dass sie alle aus Quinta kamen.

Nachdem meine Wache endlich geendet hatte, ging ich in schnellen Schritten in den Raum, in dem wir schliefen. Den ersten, den ich sah, war Levi.

Er saß auf einem Sessel. Seine Arme waren verschränkt und seine Augen waren geschlossen. Ein kleines Lächeln erschien auf meinen Lippen. Am Ende war er doch eingeschlafen und ich hoffte, dass er sich etwas erholen konnte.

Ich nährte mich Erwin und berührte seine nackte Schulter, um ihn zu wecken. Der Blondhaarigen öffnete seine Augen und richtete sich auf. Die Decke rutschte auf seine Beine und entblößte seine Haut. Ich schluckte, als ich seine Muskeln sah.

Erwin bemerkte meine Blicke und sein Blick wanderte zu Levi. ,,Er ist es, den du ansehen solltest", hörte ich Erwin sagen. ,,W-Wie bitte?", brachte ich hervor. Erwin zog sich sein Oberteil über und befestigte seinen Holster mit der Pistole an seiner Hüfte. ,,Ich schaue mir keine Lesbe an, wenn neben ihr eine Frau liegt, die an Männern interessiert ist."

Oh...

,,Das war... Ich..."

Ich hielt inne, als Erwin zu Furlan blickte, der tief und fest schlief. Er wollte nur sicher stellen, dass er unser Gespräch nicht hörte. ,,Ihm fällt es schwer, sich jemanden zu öffnen", begann Erwin und sah mir wieder in die Augen, ,,Levi hatte es nie leicht in seinem Leben."

Erwin hatte Recht.

Levi hatte mit seinen eigenen Augen ansehen müssen, wie sein leiblicher Vater die Menschen getötet hatte, die ihm am meisten etwas bedeutet hatten. Er wurde dazu gezwungen, seine Hände dreckig zu machen und weil er der Ackerman-Familie den Rücken zugewandt hatte, wollte sie ihm an den Kragen.

Wie sollte Levi unter diesen Umständen jemanden finden, dem er vertrauen und dem er sich öffnen konnte? Ich war nicht in Quinta aufgewachsen, ich hatte meine Hände nie schmutzig machen müssen - Levi musste in meiner Gegenwart nichts befürchten. Ich würde und könnte ihm nicht in den Rücken fallen.

,,Er vertraut dir."

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Monster [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt