-Erens Sicht-
Kenny saß auf der letzten Stufe der Treppe, die aus diesem Gebäude zur Erdoberfläche führte. Er versperrte uns den Weg nach, dabei waren wir schon so weit gekommen.
Wieso ausgerechnet jetzt?!
Kenny blickte auf uns herab. Seine Hand umfasste das Geländer der Treppe und er zog sich mühsam hoch auf die Beine. Erst als Kenny aus meinem Blickfeld verschwand, bemerkte ich, dass Levi sich vor mich stellte - mich mit seinem Körper beschützte.
Ich hatte noch erkennen können, dass Kenny eine Verletzung am Bauch hatte. Vermutlich eine Schusswunde. Ich blickte zu Levi. Hatte er sie ihm zuvor in der Arena zugefügt?
,,Ich will dich leiden sehen, bevor du stirbst, Levi. Du hast eine Menge meiner Leute getötet - deine Familie, das ist nicht fair. Es wäre nur gerecht, wenn ich deine Leute töte."
Mit diesen Worten drückten sowohl Kenny als auch Levi ab. Ich presste meine flachen Hände auf meine Ohren und schloss meine Augen, ohne mir dessen so wirklich bewusst zu sein. Ich hatte genung Schüsse gehört und Leichen gesehen. Ich wollte das alles nicht, es sollte aufhören.
Obwohl ich meine Handflächen auf meine Ohren presste, hörte ich, wie jemand zu Boden sackte. Aber es war nicht Levi. Er stand unmittelbar vor mir. Wenn Kenny ihn getroffen hätte, dann hätte ich das bemerkt.
Ich öffnete meine Augen und starrte zuerst auf meine Füße, bevor ich meinen Blick vorsichtig hob.
Es war nicht nur Kennys Blut, das floss. Die Kugel, die Kenny abgefeuert hatte, hatte Hanji erwischt. Präzise durch ihren Hals. Meine Augen weiteten sich, als ich sie sah. Sie war sofort tot. Auch ihr Leben war uns aus unseren Händen geglitten.
Nein...
Levi stand reglos da und blickte zu Hanji. Seine Augen waren geweitet und sein Atem stockte. Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
,,Wie fühlst du dich Levi...?"
Kenny hob seine Pistole und richtete die Mündung auf mich. Levi hatte ihn zwar erwischt, aber ihn nicht tötlich getroffen. Wir beide richteten unseren Blick zu dem Mann, der auf dem Boden kniete und keine Kraft mehr zum Stehen zu haben schien. Er würde sicherlich bald sterben, er verlor viel zu viel Blut. Viel mehr als Erwin verloren hatte.
,,Jetzt bleibt dir nur noch Eren. Isabel ist tot, Hanji ist tot, Furlan ist tot. Und ich gehe davon aus, dass dein Freund, Erwin, ebenfalls elendig verreckt ist. Scheiße", Kenny stoppte und presste seine freie Hand auf seinen Bauch, aus dem immer mehr Blut floss, ,,und für mich sieht es ebenfalls nicht gut aus. Verdammte Scheiße."
Kenny grinste und warf seine Pistole vor unsere Füße. ,,Ich habe keine einzige Patrone mehr, aber ich bereue es nicht, hierher gekommen zu sein und einen deiner Freunde mit meinen eigenen Händen niedergestrecken zu haben."
Krankes Schwein.
,,Wo ist Reiner?", fragte Levi. Seine Stimme war kühl, monoton, ernst und dunkel. ,,Reiner ist..." Kenny hustete und senkte seinen Blick. ,,Er läuft hier irgendwo rum, treibt meine Leute zusammen. Sie organisieren sich neu", erklärte Kenny.
,,Und selbst nach meinem Tod wirst du keinen Frieden finden, Levi. Reiner wird meine Position übernehmen und nach dir suchen lassen. Sie werden dich finden und wenn sie dich erstmal haben, werden sie dich zu Tode quälen. Und deinen Freund dort - Eren - werden sie dir Gesellschaft leisten lassen."
Das bedeutete, dass es selbst nach Kennys Tod keine Garantie dafür gab, dass Levi ein ungestörtes Leben führen konnte. Sie würden uns suchen und finden. Sie würden ihm das Leben nehmen.
Ich wusste nicht, was genau es war, das Levi dazu bewegte, seine Waffe auf seinen Onkel zu richten und immer wieder abzudrücken. Selbst als die Pistole keine Kugeln mehr frei gab, betätigte Levi immer und immer wieder den Abzug. Er blinzelte kein einziges Mal, während er den Körper seines Onkels bis über seinen Tod hinaus durchlöcherte.
Ich blieb regungslos stehen und sah ihm dabei zu, wie er die Kontrolle über sein Handeln verlor.
,,Levi... er ist tot", sagte ich und erst als ich seine Schulter berührte, kam er wieder zu sich. ,,Hat er dich erwischt, Eren?", brachte er hervor, ohne sich zu mir umzudrehen. Hatte er etwa Angst? ,,Nein, das hat er nicht. Ich lebe noch, Levi."
Ich wandte meinen Blick zu Hanji. Die Kugel hatte sich tief in ihren Hals gebohrt. Ich schluckte bei dem Anblick und sah Levi vor ihr auf die Knie gehen. Er berührte sie nicht sondern senkte lediglich seinen Blick und faltete seine Hände ineinander.
Ich sah ihn wieder weinen. Tränen liefen über sein Gesicht. Er weinte in Stille, gab keinen Ton von sich und ich kniete mich zu ihm und berührte sanft seinen Rücken. Ich passte darauf auf, dass niemand sich an uns heran schlich, während Levi trauerte.
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Monster [Ereri/Riren]
FanfictionEines Nachts wird Eren Jäger von lauten Sirenen, die die Bevölkerung vor Gefahren warnen, aus dem Schlaf gerissen. Kurz darauf stellt er entsetzt den Grund für die plötzlichen Warnsignale fest - in Shiganshinas Straßen laufen menschenähnliche Kreatu...