Kapitel 42
Lucky
Ich wollte grade zu einem, wenn wir wissen wollen, was los ist müssen wir wohl runter gehen, ansetzten, als Lounis neben mir mit einem leisen stöhnen zusammenbrach. Kurz dachte ich, er hätte sich doch verletzt, dann warf ich einen Blick auf den Bildschirm. Die Halle. Alle waren tot. Sein Vater lag ausgestreckt vor dem Terminal. „Wir müssen hin." Lounis sah mich flehend an. Ich nickte. Keine Ahnung, ob es objektiv grade dringender war, rauszufinden, ob wir es geschafft hatten, aber ich nickte. Er zog sich an der Konsole hoch, er humpelte immer noch, wahrscheinlich kamen auch die Schmerzen zurück, jetzt wo das Adrenalin langsam weniger wurde. Ich wischte mir übers Gesicht.
Schweigend gingen wir durch die Gänge der Basis, es war immer noch geisterhaft leer, wir folgten dem Plan des Gebäudes in Richtung der Halle. Lounis stützte sich auf mich. Schließlich erreichten wir eine der Türen zu der Halle. Lounis ließ mich los und stolperte nach drinnen, zu seinem Vater. Ich hielt erst mal Abstand und schaute mir die anderen Körper in der Halle an. Keiner schien mehr am Leben zu sein.
Als ich alle anderen in der Halle überprüft hatte hockte Lounis noch immer bei seinem Vater, er weinte leise vor sich hin. Ich biss mir auf die Lippe und wanderte weiter hin und her. Wir sollten runter, schauen, ob es funktioniert hatte, andererseits, solange wir es noch nicht sicher wussten, konnten wir uns an der Hoffnung festhalten, dass wir es geschafft hatten, sobald wir unten waren, konnte das widerlegt werden. Oder bestätigt. Plötzlich hörte ich ein leises Husten von weiter hinten in der Halle. Im halbdunkel lag eine weiter Person. Ich lief hin und kniete mich neben die junge Frau auf den Boden.
Sie schien Probleme mit dem Atmen zu haben. „Hey. Ganz ruhig!" sie wälzte sich auf den Rücken und keuchte angestrengt. „Was ist hier passiert?" sie schien mich jetzt erst zu bemerken. Ihre Augen weiteten sich, sie versuchte weg zu kriechen. „Ich will dir nichts tun!" ich hob die Hände und hielt vorsorglich erst mal etwas Abstand. Sie hustete und stemmte sich hoch, bis sie schwer atmend an der Wand lehnte. „Was ist hier passiert?" wiederholte ich meine Frage. „wer seid ihr?" stöhnte sie, zu reden schien ihr schmerzen zu bereiten. „Wir sind hergekommen, um die Vergasung zu verhindern, was macht ihr hier?" ich versuchte langsam und deutlich zu sprechen, aber es fiel mir schwer geduldig zu bleiben. „Wir..." sie wurde von einem Hustenanfall unterbrochen, ein dünnes Blut Rinnsal floss aus ihrem Mund. „Wir sind aus demselben Grund hier." sie nickte langsam. „Wer seid ihr?" fragte ich. „Politiker, die davon wussten und dagegen waren, der eine," sie machte eine vage Bewegung in Richtung Lounis Vater, „hat den Code mitgehört, wir dachten..." sie lachte leise, „wir dachte wir könnten sie aufhalten." ihre Stimme wurde leiser. „haben wir es geschafft?" sie hob den Kopf ein wenig und starrte mich flehend an. „Haben wir es..." ich nickte. „Wir haben es geschafft." „wir haben es geschafft..." murmelte sie, sie schaffte es kaum noch die Lippen zu bewegen. „Wir haben..." ihre Stimme erstarb. Ich ging zu ihr und schloss ihre Augen. Sie war tot. Plötzlich stand Lounis hinter mir. „Wir müssen gehen." flüsterte er. Ich nickte. „Ich muss hier raus!" ich sah eine leichte Panik in seinem Blick aufflackern. „Okay, wir gehen raus." ich sprang auf und stützte ihn. Er schaute nicht zurück, als wir die Tür aufstießen und wieder die kühlen Gänge betraten.
Er sagte kein Wort, weinte nicht mehr. Nicht, als wir den Raum passierten, in dem wir den Code eingegeben hatten, nicht als wir die Eingangshalle durchquerten, auch nicht, als wir uns draußen vor dem Gebäude auf den Vorplatz setzten. Er starrte einfach stumm in den Himmel, als würden dort antworten stehen, als wäre es dort besser. Hinter den umliegenden Gebäuden ging die Sonne auf, lächerlich, wie schön und friedlich das aussah. Langsam kroch die Gewissheit in meinen Kopf, dass ich nicht mehr aufstehen würde, dass wir nicht mehr aufstehen würden. Wir waren zu müde, hatten zu viel erlebt, zu viel gesehen, es gab keinen Grund mehr weiterzumachen. Wenn wir gesiegt hatten, hatten wir es geschafft, wenn nicht gab es nichts mehr für das es sich zu kämpfen lohnte. Wir würden hier sitzen bleiben, bis wir einschliefen und nicht mehr aufwachten. Ich blinzelte in die Sonne. „Leute? Seid ihr das?" ich war mir nicht sicher, ob ich mir die Gestalt am Eingang des Platzes einbildete, die Silhouetten der Häuser hatten sich in meine Netzhaut eingebrannt, ich sah überall schwarze Flecken. „ich glaub ich hab sie!"
Die Person, ich war mir inzwischen fast sicher, dass ich sie mir nicht einbildete, rannte zu uns.
„Oh Gott, wir dachten wir finden euch gar nicht mehr!" Filiz schlang die Arme um mich und riss mich fast um. seine Haare waren grau vor Schmutz und staub, über sein dreckiges Gesicht zogen sich helle Schlieren, wie von Tränen. Ich sah wahrscheinlich nicht besser aus. „Ich dachte ihr wärt tot." Flüsterte ich leise. „Haben wir es geschafft?" er ließ mich los. „Keine Ahnung, wir sind euch gefolgt, sobald wir konnten. Was ist passiert?" er ging zu Lounis und sah ihn besorgt an. Lounis starrte immer noch mit leerem Blick in den Himmel. Filiz zögerte kurz und umarmte ihn dann ebenfalls fest.
Kurz darauf tauchte auch Elena auf. Auf sie zeigte Lounis zum Glück etwas mehr Reaktion.
„Was ist passiert, was ist mit den anderen?" Filiz und Elena tauschten einen kurzen unsicheren Blick. „Wir sind euch gefolgt, sobald wir konnten." Filiz zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, was mit den anderen ist, sie sind vermutlich noch an der Schleuse." ich nickte. „Okay, wir sollten schauen, was wir dort noch helfen können, oder?" ich schaute Lounis an, in meiner Frage schwang unterschwellig auch ein, meinst du, du kannst das schon wieder, mit. Er nickte. „Gehen wir.
Wir erreichten die Terrasse, auf der wir gegen Tino gekämpft hatten, relativ schnell, immer noch war alles leer, niemand hielt uns auf. Das Loch in der Brücke war provisorisch geflickt, man konnte rüber, wenn man einigermaßen lebensmüde war. Oder verzweifelt. Ich redete mir ein, einfach nicht nach unten zu schauen. Auf der anderen Seite war der Weg von einer Barrikade blockiert, die und auch den Blick versperrte. Ich zog mich an den Trümmern hoch, Filiz war schon lange auf der anderen Seite. Überall lagen rauchende Trümmer. Eine Staub Schicht hing in der Luft und die Sonne war noch nicht hoch genug gestiegen, um den ganzen Platz zu erleuchten. Ich wischte mir übers Gesicht. Auf den ersten Blick konnte ich niemanden sehen, außer Filiz, der bereits in der Mitte des Platzes stand und sich suchend um sich selbst drehte. „Hallo? Ist hier noch irgendjemand?" er kraxelte auf eine Drohne, die ausgeschaltet herum lag. „Hallo?" ich wollte grade von der Barrikade springen, als sich ein Schatten aus dem halb versperrten Ausgang löste. Ich zog meine Waffe. „Hey!" Camryn, sie hob müde die Hand. „ich bin's, die anderen sind hier." ich winkte Lounis und Elena her, sie waren etwas zurückgefallen, Lounis humpelte ja immer noch. Als wir alle auf der anderen Seite der Barrikade waren gingen wir zu Camryn. Sie sah müde und unglaublich erschöpft aus, so als wären die letzten Stunden die anstrengendsten ihres Lebens gewesen. Was wahrscheinlich auch gar nicht so weit hergeholt war. „Kommt, wir sind rein gegangen." sie fuhr sich durch die Haare, auch sie war schmutzig und verdreckt.
Von anfangs 13 Leuten, die mich und Lounis anfangs begleitet hatten, waren 6 übrig. Ghost, Rook, Camryn und Josh waren noch hier, Lounis und Elena waren ja zu uns gekommen. Der Rest war tot. „Wir haben gewonnen, ich war unten und hab nachgesehen." Ghost sah uns an. Seine Stimme war fest, aber seine Augen waren rot, so als hätte er Stunden lang geweint, er war blass. Wir hatten also gewonnen, wir hatten es geschafft. Ich fühlte in mich hinein, versuchte das Gefühl des Erfolgs in mir zu spüren. Es kam nicht. Aiden war tot. Quinn, Aaren und Nero waren tot. Wir hatten zu viel verloren, um es wirklich einen Erfolg zu nennen. Ich wischte mir übers Gesicht. Es war vorbei. Ich drückte mir die Hand auf den Mund, ließ mich an der wand herabsinken und weinte.
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LUCKY -bis die hülle bricht-
Science FictionLucky (17) lebt in einer der unteren Ebenen einer riesigen Stadt. je weiter oben, desto reicher und besser. Sie hat kein wirklich gutes Leben, ihre Mutter ist tot, ihr Bruder im Gefängnis und ihr Alkoholiker Vater ist auch nicht besser. Als sie dann...