Kapitel 22

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Ich dachte noch lange über mein Gespräch mit Takemichi nach. Auch nachdem mich Mikey schweigend nach Hause gefahren hat und ich bereits im Bett lag, schwirrte mir der Kopf von diesen ganzen Informationen, die ich heute erhielt. Ich dachte lange nach. Um Mitternacht hielt ich es nicht mehr aus und rief Makoto an. Makoto war meine Vertrauensperson. Er wusste alles über mich. Als wir noch Kinder waren, hatte ich ihm mal von einer schlimmen Prügelei gerettet. Diese Typen hätten ihn im wahrsten Sinne des Wortes fast totgeprügelt. Ich half ihm und verarztete ihn. Seitdem hat er mir sein Leben gewidmet und vertraut mir blind, ohne dass ich was erklären muss. Nach dem 5. Klingeln hob er endlich ab. "Mmmm?" fragte eine schlaftrunkene Stimme. "Hey, Makoto. Ich bins. Bist du aufnahmefähig?" fragte ich. Ich hörte Geraschel am anderem Ende des Hörers. Vor meinem innerem Auge sah ich genau, wie er sich gerade kerzengerade in seinem Bett aufgerichtet hat, wie ein Zinnsoldat. "Ich bin aufnahmefähig, Boss!" rief er. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. "Man du sollst mich am Telefon doch nicht so nennen. Was wäre, wenn jemand bei mir wäre?" fragte ich. "Du hast recht. Entschuldigung! Aber wenn jemand bei dir wäre, hättest du nicht angerufen." ich schmunzelte über seine Denkweisen. Natürlich hatte er recht. "Stimmt. Da ist was dran." sagte ich. Am anderen Ende war ein raues Lachen zu hören. "Also. Was kann ich für dich tun?" fragte er. "Ich möchte, dass du mir alle möglichen Informationen über Tetta Kisaki und Shuji Hanma beschaffst. Tetta Kisaki ist Ex-Mitglied von Möbius. Und Hanma solltest du ja kennen." sagte ich. kurz herrschte Stille. "Hanma ist wieder aufgetaucht? Geht es dir gut?" fragte er. Er war immer gleich besorgt um mich, was mich wirklich rührte. Auf Makoto konnte ich mich einfach immer verlassen. "Ja es geht mir gut. Noch ist ja nichts passiert. Und wenn, bist du sowieso der erste, der davon Wind kriegt." "Stimmt. Meine Augen und Ohren sind überall. Mach dir keine Sorgen, Prinzessin. Ich werd so schnell wie möglich Informationen sammeln und sie dir dann per SMS zukommen lassen." 'Prinzessin' nur er durfte mich so nennen. Und ich hatte kein Problem damit. Schließlich kannten wir uns schon ewig und dementsprechend hatten wir schon viele intime Gespräche darüber geführt, wie wir zueinander standen, was für Erwartungen wir zueinander hatten und was wir auf jeden Fall vermeiden wollten. So stand auch schon sehr früh fest, dass wir ein Bruder-Schwester-Verhältnis aufbauen wollten. Und so war es nun auch. "Sehr gut. Vielen Dank. Und sorry nochmal, dass ich dich geweckt hab." wieder lachte er. "Um Mitternacht einen Anruf von dir zu bekommen ist echt ungewöhnlich. Aber alles gut. Haben ja noch 6 Stunden Zeit zum schlafen. Und die sollten wir auch gut nutzen." meinte er, wo ich ihm recht geben musste. "Alles klar. Dann bis bald." sagte ich und legte auf. Noch immer, lag ich lange wach, doch ich schlief schließlich mit einem beruhigenden Gefühl von Kontrolle ein. Die nächsten Tage verliefen eigentlich wie immer. Schule, Arbeit, Freunde Treffen, Arbeit. Jeden Tag das Gleiche. Nach der Arbeit traf ich mich oft mit Ran und Rindou. Mit Takemichi hatte ich mich auch mal getroffen, ebenso wie Ema, Hina, Mitsuya und Draken. Nur von Mikey hatte ich schon lange nichts mehr gehört.

Ich war gerade dabei den Laden abzuschließen. Ich wollte mich mit Ran und Rindou im Krankenhaus treffen und meine Oma besuchen. Ich ging ein paar Schritte, doch blieb wie angewurzelt stehen, als ich Hanma sah, der mit ein paar Leuten auf dem Parkplatz kauerte und mich selbstverständlich auf mich aufmerksam geworden war. Mit einem breiten Grinsen kam er auf mich zu geschlendert. Ich bekam Gänsehaut und konnte mich nicht mehr bewegen. Bilder von damals kamen in mir hoch und nahmen mir die Luft zum atmen. Er blieb vor mir stehen und musterte mich eindringlich. "Sieh an, sieh an. Wer hätte gedacht ein feines Pflänzchen wie dich an einem solchen Ort aufzufinden? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?" fragte er mit seiner widerlichen Stimme. Mir wurde schlecht. "Was willst du?" fragte ich. Ich ging bewusst nicht auf seine Worte ein. Sein grinsen wurde breiter. "Ich wollte einfach nur hören, wie es dir geht. Ich habe mitbekommen, dass du keine Verwandten mehr hast. Nur noch deine Oma, die meines Wissens nach nicht mehr lange leben wird, hab ich recht?" ich ballte die Hände zu Fäusten. Er lachte und kam näher. Als er plötzlich seine Hand an meine Taille legte, war ich nicht mehr in der Lage klar zu denken. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich war wie festgefroren. Das Blut rauschte in meinen Ohren und meine Sicht verschwamm, während mein Atem nur noch stoßweise und hektisch kam. Verdammte scheiße. Ich hatte doch trainiert. Nur deswegen hatte ich doch angefangen, Kampfsport zu trainieren. Es wurde zu meinem Hobby. Ich sollte mich doch nicht mehr so aus der Fassung bringen lassen. Verdammt. Ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen und meine Hände zu zittern begannen. Ich senkte den Blick, versuchte nicht laut zu schluchzen, als er mit seiner Hand langsam auf meinen Bauch und auf meine Brust strich. Mit seiner anderen Hand, schnippte er beiläufig seine Zigarette weg und führte seine Finger über meinen Oberschenkel. Ich biss die Zähne zusammen und schloss verzweifelt die Augen. Hilfe. Ich brauche Hilfe. Bitte. Egal von wem. Als wäre mein Flehen erhört worden, hörte ich am Rande meines Bewusstseins schnelle Schritte, die näher kamen. Ich hielt die Augen geschlossen, selbst, nachdem die Hände und Hanma selbst verschwunden waren. "Yuna." sagte eine beruhigende Stimme. Langsam öffnete ich meine Augen und sah in Mikeys entsetztes Gesicht. "Mikey..." sagte ich mit brüchiger Stimme. ich ließ panisch meinen Blick schweifen. Hanma war auf Abstand gegangen und hielt sich seine rote Wange. Mikey musste ihn geschlagen haben. Während Hanma wieder Fassung bekam, stellte sich Mikey schützend vor mich, bereit, jederzeit zuzuschlagen. "Na wen haben wir denn da? Den großen Mikey. Aber so groß bist du ja gar nicht." lachte Hanma. Mikey war nicht groß. Er war größer als ich aber fast 2 Köpfe kleiner als Hanma. Noch immer zitterten meine Hände und ich war wie gelähmt. Doch langsam ließ das Rauschen in meinen Ohren nach und ich versuchte wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. "Sag mal, spinnst du? Was zur Hölle fällt dir ein, einfach so ein Mädchen in der Öffentlichkeit verführen zu wollen?" Mikey nutzte bewusst dieses Wort. Er wusste genau, wie ich zu Hanma stand. Besagte Person zuckte nur mit den Schultern. "Na was wohl, ich wollte nur mit einer alten Freundin reden. Da ist doch nichts dabei." Meine Panik wich der Wut. "Ich denke nicht, dass man das Freundschaft nennen kann. Wer eine Person zum weinen bringt, ist ganz sicher nicht mit ihr befreundet." sagte Mikey kühl. Hanma kam wieder näher. "Bleib weg!" schrie ich. Überrascht sah er mich an. "Aber wieso denn? Lass uns reden. Lass uns ein bisschen Spaß haben. Ich verstehe dein Problem nicht." Ich kochte innerlich und ließ meine Wut nun raus. "Was du daran nicht verstehst?! Du hast mich vergewaltigt!!" brüllte ich und erneut schossen Tränen aus meinen Augen. Er blieb stumm. Sein Blick glitt zu Mikey, welcher noch immer ruhig da stand. "Also wirklich. Das du mir sowas unterstellst? Ich habe dich doch nicht vergewaltigt. Ich wollte nur ein bisschen Spaß haben." Ich wollte wieder etwas sagen, doch Mikey kam mir zuvor. "Du und dein Kumpels verpisst euch jetzt besser. Lass uns diesen Kampf am 31. Oktober weiterführen." er drehte sich zu mir und hielt mir seine Hand hin. Seine Miene war eine Spur weicher geworden, ebenso wie seine Stimme. "Na los. Gehen wir." sagte er. Ich zögerte kurz, nahm seine Hand und ließ mich von ihm wegführen. Ich war noch so in Trance, dass ich gar nicht mitbekam, wohin er mich führte. Ich ließ mich einfach von ihm leiten. Ich wusste nicht, wie lange wir unterwegs waren, bis er endlich stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Mit besorgter Miene sah er mich an. "Alles gut?" fragte er. Ich brachte nichts weiter als ein abgehaktes Nicken zustande. "Tut mir leid, dass ich nicht eher da war." er holte mich aus meiner Trance. Mit einer Entschuldigung hatte ich ja mal so gar nicht gerechnet. "Wieso entschuldigst du dich?" fragte ich leise. "Naja. Wenn ich mich eher gemeldet hätte, oder eher da gewesen wäre, wäre dir diese Situation erspart geblieben." murmelte er. "Du hast überhaupt keine Schuld. Es bringt nichts, sich zu fragen 'was wäre wenn'. Es ist passiert, wie es gekommen ist." sagte ich. Mikey sah mich einen Moment an. Dann langsam, ganz langsam hob er seine Hand und führte sie an meine Wange. Mit seinem Daumen wischte er mir die Tränen weg. Er ging so sanft und langsam vor, als wäre ich ein Tier und er hätte Angst es zu verscheuchen. Wir sahen uns an. 5 Sekunden. 10. Ich wusste nicht, wie lange wir dastanden und uns einfach nur ansahen. Nach einer Weile, wandte er den Blick unsicher wieder ab und ließ auch seine Hand sinken. Er räusperte sich verlegen, und ich merkte, wie mir eine angenehme Wärme in die Wangen schoss. "Alsoooo. Hast du noch irgendwas vor, oder so?" Auch wenn es mich etwas störte, dass er unseren intensiven Blickkontakt abgebrochen hatte, war ich dankbar dafür, dass er mich ablenkte. Und es funktionierte sehr gut. Mir fiel wieder ein, was ich noch vor hatte. "Ich will mich mit Ran und Rindou im Krankenhaus treffen. Wir wollen meine Oma besuchen." erklärte ich. Er nickte und deutete nach links, wo ich sein Bike entdeckte. "Ich fahr dich." sagte er knapp und ich lächelte dankbar. Wir fuhren schweigend zum Krankenhaus. Doch während der Fahrt, brach die Erschöpfung über mich ein. Mein Kopf wurde schwer und ich wurde unglaublich müde. Ohne weiter darüber nachzudenken, lehnte ich meinen Kopf auf Mikeys Rücken. Ich spürte, dass er sich kurz anspannte, doch sich schnell wieder beruhigte. Ich ließ meinen Blick durch die Gegend, an der wir vorbeifuhren schweifen, lauschte den Motorengeräuschen und spürte die Wärme, die von Mikey ausging.

Durch die Zeit, durch das LeidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt