Kapitel 4

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POV - Lauren Fallmont

Ich flüchtete geradezu aus dem Raum mit meinem Test in der Hand und furchtbar weichen Knien.
Gott, diese Frau strahlte eine derartige Macht aus, ich konnte ihr nicht mal in die Augen sehen.
Vor dem Raum traf ich auf Stacy.
>>Bist du völlig bescheuert Fallmont? Du weißt genau das sie dich jetzt hasst oder?<<, fragte Stacy und sah mich verständnislos an.
Sie hatte recht. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht Miss Morgan anzulügen?
Andererseits hatte ich in der Situation intuitiv das Gefühl, das Richtige zutun. Irgendwie geriet mein Sinn für Gerechtigkeit offensichtlich etwas aus dem Lot.
>>Du wirst es mir noch danken, du hättest wahrscheinlich einen ganzen Monat Nachsitzen müssen<<, mutmaßte ich nachdenklich, während wir uns schleunigst auf den Weg aus dem Gebäude machten.
>>Definitiv, aber das bin ich schon gewohnt, Miss Morgan hasst mich seit Tag eins, aber deine Bewertung ihrerseits wird jetzt nicht mehr besonders gut ausfallen<<, erwiderte sie.
Verdammt die blöde Bewertung hatte ich total vergessen. Was ein dämliches Eigentor.
Tag eins und ich hatte mir bereits eine Woche Nachsitzen eingehandelt, das konnte ja was werden, hoffentlich beaufsichtigte Miss Morgan keins davon.
Ich hielt es nicht aus in ihrer Nähe ohne mir klein und ergeben vorzukommen.
Aber was konnte eine einzelne Bewertung von ihr schon bewirken?
>>Wieso hasst sie dich eigentlich so?<<, fragte ich Stacy nun interessiert.
Stacy lachte verhalten.
Was hatte das denn jetzt zu bedeuten?
Forschend sah ich sie an, bis sie endlich mit der Sprache raus rückte.
>>Ich habe sie am ersten Tag eventuell ein wenig unangemessen angesprochen, das hat sie mir bis heute nicht verziehen, konnte ja keiner wissen das die so verklemmt ist und bei einem einfachen Kompliment gleich sofort durch die Decke geht<<, meinte Stacy und zuckte etwas verlegen mit den Schultern.
Nun war es an mir zu lachen.
>>Du hast versucht mit Miss Morgan zu flirten? Etwas hochgegriffen oder?<<, fragte ich nun.
Abgesehen davon, dass sie so eine Macht ausstrahlte, dass ich mich nicht mal annähernd getraut hätte sie anzusprechen, geschweige denn anzuflirten.
>>Naja ich steh eben auf Herausforderungen, aber an der bin selbst ich gescheitert, im Nachhinein bin ich auch ganz froh, wer weiß, am Ende ist die beim Sex genauso drauf<<, meinte Stacy und zog eine Zigarette aus ihrer Tasche bevor sie mir die Schachtel hinhielt, was ich dankend annahm.
>>Wer weiß, vielleicht lässt sie sich in ihrer Freizeit aber auch ans Bett fesseln...<<, mutmaßte ich grinsend und zündete die Zigarette an.
Stacy lachte.
>>Stell dir mal eine bettelnde Miss Morgan vor, die darum fleht das man sie doch bitte vögelt<<, prustete Stacy und tatsächlich war die Vorstellung doch sehr amüsant, denn wir wussten beide das Miss Morgan das wohl niemals tun würde.
Zugegeben Miss Morgan sah schon wirklich gut aus, mit ihren blonden Haaren, den blauen Augen und ihrem schmalen, sanften Gesicht, das gleichzeitig soviel Härte in sich trug.
Und sie roch verdammt gut. Diese zwei Sekunden die ich ihr nahe gewesen war hatte ich ihr Parfüm riechen können, es roch teuer, geradezu aphrodisierend.
Ambroxan und weißes Zedernholz trafen dort aufeinander und ließen sie so lieblich riechen, das man anhand ihres Parfüms niemals auf die Idee kommen würde, das dahinter eine so kalte und unfreundliche Person stand.
Ich hatte schon immer eine besonders feine Nase für Gerüche gehabt.
Sie strahlte, vor allem durch dieses Parfüm, eine provozierende Sinnlichkeit aus, was eine beeindruckende Wirkung hatte.
Alles in allem war diese Frau ein Phänomen.
Ihr Auftreten, ihr Aussehen, ihr Geruch, alles war so gegensätzlich, das es vereint schon wieder genau zu ihr passte.
Wir waren inzwischen am Parkplatz angekommen.
>>Wo ist dein Auto?<<, fragte Stacy neugierig als wir neben einem Porsche 911 stehen blieben, der wohl ihr zugehören schien.
Ich sah etwas verlegen drein und betrachtete meine Fußspitzen.
>>Naja... ich bin mit der U-Bahn da<<, antwortete ich wahrheitsgetreu. Ich wusste, dass ich allein deswegen nicht wirklich in die Gesellschaft dieser Schule passen würden, aber neben Stacys übertrieben teuren Auto fühlte ich mich noch stärker fehl am Platz.
Stacy schien kurz erstaunt, wirkte aber nicht angewidert oder ähnliches. Ganz im Gegenteil, sie tat es mit einem Schulterzucken ab, so als hätte es keinerlei Bedeutung.
>>Komm schon Fallmont ich nehm dich mit, U-Bahn ist nichts für Frauen wie uns<<, sagte sie grinsend und öffnete die Tür des Porsche.
>>Das ist wirklich nicht nötig<<, meinte ich und hob abwehrend die Hände, doch Stacy ließ gar nicht mit sich diskutieren und so saß ich am Ende doch auf den Beifahrersitz ihres Wagens.
>>Aber Führerschein hast du schon oder?<<, fragte Stacy als sie in rasantem Tempo ausparkte.
>>Ja, aber ich kann mir kein Auto leisten<<, erwiderte ich etwas peinlich berührt, doch Stacy winkte nur ab.
>>Nun, wir bekommen ja nicht alle von unseren Eltern das Geld in den Arsch geschoben, wo wohnst du eigentlich?<<, fragte sie nun und mir wurde bewusst, dass Stacy einfach drauf los gefahren war.
>>Downhillstreet 47<<, erwiderte ich kurz angebunden, denn Stacys rasanter Fahrstil führte nicht unbedingt zu einem Gefühl von Sicherheit bei mir. Sie hingegen schien es gar nicht wahrzunehmen, während sie erneut mit 40 km/h um die Ecke zog. Innerlich betete ich, dass ich das überleben würde.
>>Ich nehme dich jetzt immer mit Fallmont, die U-Bahn ist wirklich kein guter Ort<<, meinte sie nun und beschleunigte da wir uns auf der Hauptstraße befanden.
>>Das musst du echt nicht machen Stacy<<, meinte ich beschwichtigend während der Haltegriffe und ich eine äußerst nahe Verbindung zueinander aufgebaut hatten.
>>Rede keinen Mist, ich komme bei dir früh eh vorbei, also liegt es auf dem Weg und du sparst Geld<<, sagte Stacy bestimmt. Möge sie am frühen Morgen etwas gelassener fahren.
Ich hatte gar keine andere Wahl, als ihr Angebot schlussendlich annehmen, denn ein „Nein" ließ sie schlichtweg nicht zu.
>>Außerdem hast du mich vor einem Monat Nachsitzen bewahrt, das ist das Mindeste was ich für dich tun kann<<, fügte sie schließlich hinzu.
Ich lachte. Das Nachsitzen hatte ich für einen kurzen Moment schon wieder vergessen. Ich konnte mit Worten gar nicht ausdrücken wie wenig Lust ich darauf hatte, meine kommenden fünf Abende in dieser Schule zu verbringen. Andererseits war ich schlichtweg selbst schuld. Ich hätte nicht die Heldin spielen müssen und doch hatte ich es getan.
>>Wieso provozierst du Miss Morgan eigentlich immer noch?<<, fragte ich prompt um mich von meinem kommenden Leid abzulenken.
Stacy antwortete nicht gleich sondern schien über die genaue Antwort auf diese Frage nachzudenken.
>>Nun..., ich denke, das Miss Morgan irgendwas verheimlicht und ich will sie endlich mal aus der Reserve locken<<, meinte Stacy schulterzuckend.
>>In all den Jahren hat man bei ihr nie andere Emotionen außer Hass und Wut erlebt, die Frau lacht nicht mal, aber was würde ich dafür geben sie mal verlegen zu sehen oder irgendwas anderes, das wäre der Triumph<<, führte Stacy weiter aus.
Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf.
Ich wollte mich dieser Frau am liebsten auf 10 Meter nicht nähern, so sehr schüchterte sie mich ein.
Ich wusste nicht mal warum, normalerweise war ich eine durchaus selbstbewusste und starke Person, doch sobald ich ihre Präsenz wahrnahm lief ein kalter Schauer meinen Rücken herunter und meine Knie schienen sich in Pudding zu verwandeln.
Vom fehlenden Sprechvermögen mal ganz zu schweigen. Ich führte mich in ihrer Gegenwart schlichtweg auf wie die größte Idiotin.
>>Hier sind wir Fallmont, ich sammle dich morgen 7:15 Uhr hier ein<<, sagte sie und bremste scharf vor meiner Haustür was mich aus meinen Gedanken riss.
Ich war so in diesen versunken gewesen, das ich gar nicht mitbekommen hatte wie schnell die Zeit vergangen war.
>>Danke Stacy, bis morgen<<, murmelte ich erschöpft und rappelte mich aus dem Sitz. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie anstrengend der Tag eigentlich gewesen war.
>>Kein Ding, vergiss das Nachsitzen nicht, ich hab's einmal vergessen, glaub mir das Szenario mit Miss Morgan willst du nicht erleben<<, mahnte sie mich, jedoch mit einem verschmitzten Grinsen auf dem Gesicht.
Beim Gedanken daran Miss Morgan heute auch nur noch einmal anzutreffen, wurde mir schlecht.
>>Das will ich auf keinen Fall, bis morgen<<, verabschiedete ich mich und schloss die Beifahrertür.
Stacy hupte noch kurz zum Abschied, was in der ganzen Straße widerhallte, bevor sie mit quietschenden Reifen davon fuhr.
Ich hingegen hatte mich in Bewegung gesetzt und machte mich auf den Weg nach oben in meine Wohnung.
Dort angekommen schmiss ich erstmal einmal mein Zeug von mir und begab mich geradewegs zum Kühlschrank.
Es war jetzt 15:00 Uhr, ich hatte also noch gut zwei Stunden bevor ich wieder los musste.
Im Kühlschrank hatte ich noch Nudeln von gestern und hungrig packte ich diese in eine Pfanne um sie aufzuwärmen.
Nachdem ich gegessen hatte legte ich mich auf meine Couch um ein wenig runter zu kommen.
Der Tag hatte mich innerlich massiv aufgewühlt, vor allem Miss Morgan schien nicht wirklich aus meinen Gedanken verschwinden zu wollen und noch immer bekam ich eine extreme Gänsehaut, wenn ich nur an ihren kalten Blick dachte.
Diese Augen durchbohrten einen und schienen sich wie Widerhaken an einem fest zu halten bis man unter dem Druck zerriss.
Ich musste stärker werden, ich musste Miss Morgan gegenüber zeigen, das sie mit mir nicht so umspringen konnte, wie mit all den anderen Angsthasen.
Diesen Entschluss gefasst stand ich schließlich wieder auf, zog mich an und fuhr zur Schule. Stacy hatte recht gehabt, die U-Bahn war wirklich kein schöner Ort. Es stank extrem nach Urin. Die vorbeiziehenden Häuser die heute morgen bei Sonnenaufgang noch malerisch gewirkt hatten, waren jetzt nur noch grau und kalt. 
In der Schule angekommen suchte ich besagtes Zimmer auf.
Gut, jetzt war ich doch nervös und die Angst kroch in meine Glieder zurück.
Was wenn ich 60 Minuten alleine mit dieser Frau in einem geschlossenen Raum zubringen musste?
Mein Herz schien neue Höchstleistungen im Pumpen zu erreichen und meine Kehle fühlte sich auf einmal ziemlich trocken an.
In meinem Kopf spielten sich sämtliche Gräuelszenarien ab während ich die Tür öffnete.
Als ich in den Raum blickte atmete ich jedoch erleichtert aus.
Eine andere Frau, ähnlich alt wie Miss Morgan, saß am Lehrerpult und las etwas.
Als sie die Tür aufgehen hörte, sah sie auf und lächelte mich freundlich an.
>>Du bist wahrscheinlich Lauren Fallmont oder?<<, fragte sie und erhob sich.
Etwas verdattert über die nicht erwartete Nettigkeit eines Lehrers an dieser Schule nickte ich nur mit dem Kopf.
>>Du bist heute die Einzige, gut am ersten Tag trifft es auch selten jemanden, setzt dich ruhig, ich bin übrigens Misses Wood<<, sagte sie und begann in ihrer Tasche herum zu kramen während ich mich auf einen Stuhl in der ersten Reihe fallen ließ.
>>Freut mich, ich bin Lauren Fallmont<<, meinte ich knapp.
So langsam taute ich auf, denn diese Frau schien alles andere als bösartig zu sein.
>>Freut mich ebenfalls, wer hat dich denn zum Nachsitzen verurteilt, ah Alic..., ich meine Miss Morgan<<, meinte sie mit einem schnellen Blick auf die Liste.
Hatte sie Miss Morgan gerade beinah beim Vornamen genannt?
Die beiden standen sich offenbar nahe, was mir jedoch ein absolutes Rätsel war, denn hier fanden sich zwei Gegensätze in Person.
Ich nickte zustimmend.
>>Mach dir nichts draus, bei Miss Morgan trifft es jeden mal<<, sagte Misses Wood beschwichtigend und schien nun endlich gefunden zu haben wonach sie suchte.
Ich erwiderte darauf nichts mehr, denn Misses Wood kam nun auf mich zu und legte mir einen dünnen Stapel an Papieren auf den Tisch.
„Hausordnung" konnte ich ganz groß auf dem Deckblatt lesen und mir war klar was mich jetzt erwarten würde.
>>Deine Aufgabe ist es jetzt die Hausordnung abzuschreiben, du hast 60 Minuten Zeit, wenn du dann nicht fertig bist, musst du leider so lange hier bleiben bis du es bist, so will es das System, alles verstanden?<<, fragte Misses Wood einfühlsam.
Ich nickte nur.
>>Gut, dann gutes Gelingen<<, erwiderte sie noch bevor sie sich wieder entfernte und ich begann zu schreiben.
Es handelte sich um ingesamt 8 Seiten Hausordnung die ich abzuschreiben hatte und nach den 60 Minuten schmerzte meine Hand bereits extrem.
Ich setzte den letzten Punkt und legte meinen Stift weg.
Punkt 19:00 Uhr, irgendwie war ich schon etwas stolz auf mich.
>>Ich bin fertig<<, sagte ich und Misses Wood sah auf.
Sie stand auf und kam zur Bank.
>>Dann zeig mal her<<, meinte sie und schnappte sich die 10 Blätter die ich dafür benötigt hatte.
Sie überflog alles und nahm es dann inklusive der gedruckten Hausordnung an sich.
>>Sehr gut Lauren, dann kannst du jetzt gehen<<, sagte sie lächelnd und sofort sprang ich von meinem Stuhl und schnappte mir meinen Rucksack.
>>Guten Abend Misses Wood<<, verabschiedete ich mich.
>>Schönen Abend noch, kommt gut heim<<, erwiderte sie während ich schon auf die Tür zusteuerte.
>>Danke Sie auch<<, wünschte ich ihr noch und verließ damit das Zimmer.
Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und absolute Ruhe umgab mich.
Die Schule schien wie ausgestorben.
Schnellen Schrittes begab ich mich zur Treppe und verließ das Gebäude wieder.
Draußen empfing mich eisiger Wind und ich legte noch an Tempo zu um zur U-Bahn zu kommen.
Ich wollte einfach nur noch schlafen.
Ich fühlte mich so unendlich müde und ausgelaugt.
Kurz darauf kam meine Bahn auch schon und keine halbe Stunde später war ich wieder in meiner Wohnung und lag in meine Decke eingekuschelt im Bett.
Was ein merkwürdiger Tag. Was für merkwürdige Menschen.
Mit diesen Gedanken schlief ich schließlich ein.
Die Nacht über quälten mich Alpträume aller möglicher Art.
Immer wieder tauchten diesen blauen, kalten Augen darin auf und als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte, hatte ich das Gefühl keinerlei schlaf erhalten zu haben.
Müde quälte ich mich aus meinem Bett, stand auf und begann meine übliche Morgenroutine.

Dominate meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt