Kapitel 29

2.1K 123 2
                                    

POV - Alicia Morgan

Ihre zarten Arme umschlangen meinen Körper und sie presste sich an mich, während ihr ganzer Körper unter den Schluchzern bebte.
Ihren Kopf hatte sie auf meiner Brust gebettet, während ihre Tränen mein Oberteil stetig durchnässten.
Ich fuhr ihr vorsichtig durchs Haar in der Hoffnung Lauren würde sich so irgendwie wieder beruhigen.
>>Shhh, hey alles ist gut<<, flüsterte ich leise und versuchte vor allem mich selbst davon zu überzeugen. Weinte sie so sehr weil ich sie mit meinen Worten so verletzt hatte oder weil sie Mist gebaut und mich verpfiffen hatte?
Was tat ich hier nur?
Ich handelte aus dem Instinkt heraus und hatte somit schon wieder eine gefährliche Nähe geschaffen.
Ich zog sie mit mir ins Haus und schloss die Tür hinter uns.
Lauren zitterte, ob vor Kälte oder weil sie so heftig weinte wusste ich nicht, vielleicht auch wegen beidem.
Ich strich ihr weiter beruhigend über den Kopf und es dauerte noch eine Weile bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte.
Inzwischen bibberte sie vor Kälte und selbst meine Körperwärme konnte das nicht ausgleichen.
>>Komm, ich geb dir trockene Sachen<<, sagte ich leise und sie löste sich leicht nickend von mir, bevor ich ins Schlafzimmer ging und eine Jogginghose und einen Pullover aus meinem Schrank kramte. Für einen kurzen Moment verharrte ich vor all diesen Sachen die mir mein Schrank präsentierte. Ich gefährdete das alles hier. Binnen Stunden konnten Jahre von Arbeit verloren sein. Ich lehnte meinen Kopf gegen das kühle Holz und schloss kurz die Augen. Ich hatte mit meiner Schülerin geschlafen. Ich wollte es wieder tun. Dann musste ich wenigstens die Kontrolle über diese Situation behalten. Notfalls... Nein, darüber wollte ich jetzt gar nicht nachdenken. Ich atmete tief durch bevor ich mein Schlafzimmer wieder verließ und auf die völlig durchnässte Lauren im Flur traf die immer noch an der Stelle stand an der ich sie zurückgelassen hatte. Ich reichte ihr die trockene Kleidung die sie vorsichtig entgegennahm. >>Danke<<, murmelte sie und ihre Stimme war kratzig und klang gebrochen. Erneut hatte ich das Gefühl sie beschützen zu wollen und dieses Gefühl breitete sich in ungewohnter Intensität in meiner Brust aus. Lauren begann sich aus ihren nassen Sachen zu pellen, während ich bemüht überall hinsah nur nicht zu ihr. Das war nicht der Moment dafür. Allein ihr Anblick ließ mich schwach werden und das war nicht gut in der momentanen Situation. Ich musste wenigstens einen halbwegs kühlen Kopf bewahren.
Das rascheln von Kleidung war zu vernehmen und schließlich stand Lauren fertig umgezogen vor mir.
Ihre Haare hingen immer noch in nassen Strähnen herab und verpassten ihr irgendwie das Aussehen eines kleines, bedröppelten Hundes, was mich fast etwas Lächeln ließ, doch ich beherrschte mich. Ich nahm ihr die nassen Sachen ab und brachte sie ins Bad um sie dort am Handtuchtrockner aufzuhängen.
>>Hast du Hunger?<<, fragte ich Lauren nachdem ich in den Flur zurückkehrt war, denn ich hielt diese permanente Stille zwischen uns nicht wirklich gut aus.
Lauren sah mich etwas überrascht an.
>>Nein Danke, nicht wirklich<<, antwortete sie nun und zum ersten Mal an diesem Abend vernahm ich den wirklichen Klang ihrer Stimme.
Sie wirkte nicht mehr so gebrochen wie davor, nicht mehr so verletzt.
>>In Ordnung<<, meinte ich und stand immer noch völlig unentschlossen im Raum.
Eine solche Situation hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehabt und war ich doch sonst so kalt und berechnend so fiel es mir jetzt verdammt schwer auch nur irgendwas zutun oder zu sagen.
Lauren schien ebenso nervös und unentschlossen, denn sie tänzelte von einem Bein aufs Andere während sie mich und abwechselnd die Tür ansah.
Ich räusperte mich.
Toll, ich wusste eigentlich gar nicht was ich sagen sollte, hatte jetzt aber Lauren's ungeteilte Aufmerksamkeit.
>>Wie wärs wenn wir uns auf die Couch setzten?<<, fragte ich nervös und hatte Mühe ihr dabei in die Augen zu sehen.
Was zur Hölle war denn los mit mir?
Ich war unsicher und das war ich sonst nie.
Ich wusste nicht was ihr sagen wollte und ich wusste überhaupt nicht was ich mit dieser Situation anfangen sollte.
Lauren nickte jedoch verhalten und wir steuerten Richtung Wohnzimmer wobei Lauren sich direkt auf der Couch nieder ließ. Ich hingegen lief ich in die Küche weiter um mit zwei Gläsern und einer Flasche Whisky bewaffnet zurückzukehren.
Ich stellte die Gläser auf den hölzernen Tisch vor mir und sah Lauren fragend an, welche über meine Idee sehr dankbar zu sein schien.
>>Einen Doppelten<<, sagte sie direkt, was ich ihr auch eingoss.
Ich entschied mich direkt für die dreifache Menge und hielt schließlich mein Glas zum anstoßen nach oben.
Lauren tat es mir gleich. WA
>>Skål<<, sagte sie und sah mich auffordernd an.
Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Skål? Seit ich in dieser Stadt war, hatte ich das niemand anderen bisher sagen hören.
Konnte das wahr sein?
>>Skål? Bist du Schwedin?<<, schoss es ungehindert aus mir heraus, während ich mein Gals vor Überraschung schon wieder hatte sinken lassen.
Lauren sah etwas verdutzt aus.
>>Ja, wieso?<<, fragte sie argwöhnisch und ließ ebenfalls das Glas sinken.
>>jag också<<, erwiderte ich und ein kleines Lächeln stahl sich in mein Gesicht.
In Lauren's Gesicht hingegen breitete sich ein Grinsen aus während sie mich völlig verdattert ansah.
>>Du auch? Wo kommst du her?<<, fragte sie sofort und die Begeisterung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
>>Visby<<, sagte ich knapp während Lauren nun begann zu lachen, was mich doch etwas irritierte.
Sie hatte ein wundervolles Lachen, so klar, so ehrlich, so ansteckend.
>>Das kann doch nicht wahr sein, ich komme ebenfalls von Gotland, wir haben ungefähr eine halbe Stunde entfernt von Visby gelebt<<, sagte sie und völlig baff starrte ich sie an.
Das konnte doch nicht wahr sein?
Nicht nur das sie ebenfalls Schwedin war, nein, wir kamen auch noch beide von der gleichen Insel. Hoffentlich waren wir nicht irgendwie verwandt.
>>Aber wie kann das sein? Dein Name ist so Englisch?<<, fragte ich immer noch zu überrascht um es wirklich zu realisieren. Ich war so lange nicht mehr zuhause gewesen. Das letzte Mal hatte ich die Insel vor ungefähr 8 Jahren betreten und seitdem nie wieder. Ich war damals nicht ohne Grund gegangen, ich konnte nicht mehr bleiben. Ich musste weg.
>>Naja..., mein richtiger Name ist Lauren Hedda Nilsson, aber meine Mum hat nachdem mein Vater uns sehr zeitig verlassen hat, einen neuen Mann geheiratet, einen Engländer und für die Staatsbürgerschaft hier, war es von Vorteil einen englischen Nachnamen zu haben<<, erklärte sie mir und bei der Erwähnung ihres Vaters trübten sich ihre Augen, für einen ganz kurzen Moment.
>>Hedda, unglaublich schöner Zweitname, meine Oma hieß so<<, murmelte ich nachdenklich und betrachtete Lauren genauer.
Jetzt erst fielen mir die nordischen Feinheiten an ihr auf, welche ich vorher nur unterbewusst wahrgenommen hatte. Dieses schmale Gesicht, mit den feinen Wangenknochen und diese strahlenden Augen, die durch jede Dunkelheit zu leuchten schienen.
Doch nun machte vieles auch Sinn, denn egal wie gut sie auch sprach, dieser leichte Akzent in ihrer Stimme, war mir schon beim ersten Gespräch nicht entgangen. Ich hatte es erst für eine leichte dialektische Ausprägung gehalten, aber das war es nicht.
>>Was ist mit Dir? Morgan? Auch nicht besonders schwedisch<<, fragte Lauren nun und sah mich neugierig an, wobei sie mich aus meinen Gedanken riss.
>>Nyström eigentlich, aber eine ähnliche Situation wie bei dir, nur das mein Vater eine Engländerin geheiratet hat, meine Mutter, weswegen ich ihren Namen trage<<, erklärte ich und mein Gehirn hatte immer noch nicht ganz verarbeitet was hier eigentlich gerade passierte.
>>Unglaublich<<, murmelte Lauren und trank ihr Glas aus, ohne noch einmal den Versuch des Anstoßens zu unternehmen.
>>Das ist wohl wahr<<, murmelte ich ebenfalls und leerte mein Glas.
Kurz herrschte Stille.
>>Obwohl ich es mir bei dir schon fast gedacht habe...<<, meinte Lauren schließlich und schenkte sich selber Whisky nach.
>>Und warum?<<, fragte ich überrascht und sah sie prüfend an.
Sie antwortete mir nicht sofort, sondern führte nachdenklich ihr Glas zu ihren Lippen und leerte es vollständig.
Ihr Trinkverhalten war auch nicht besonders gesund für ihr Alter.
>>Nun..., mit den blonden Haaren und diesen enorm blauen Augen, entsprichst du hast etwas unserem Landesklischee<<, meinte sie provokant grinsend und lehnte sich nun wesentlich entspannter auf der Couch zurück.
Ich musste nun ebenfalls lachen.
Leider hatte sie damit absolut recht.
Wie oft hatte ich das schon zu hören bekommen.
>>Wie recht du nur hast Hedda Nilsson<<, erwiderte ich und goss mir ebenfalls nach.
>>Danke Alicia Nyström<<, erwiderte sie und ließ sich von meinem Versuch der Provokation gar nicht aus der Ruhe bringen.
Ich leerte mein Glas und Ruhe legte sich über den Raum.
Die eben noch ausgelassene, verblüffte Stimmung verflog und der eigentlich Ernst der Lage drang wieder zu mir durch und machte mich nicht weniger unruhig als davor bereits.
>>Lauren, wir sollten wirklich reden...<<, setzte ich nun leise an und die Freude verflog auch aus ihrem Gesicht.
Es war wohl dem Alkohol geschuldet, das ich es überhaupt schaffte mit dem Reden zu beginnen.
Der traurige Ausdruck kehrte augenblicklich in Lauren's Augen zurück und ließ mich schwer schlucken.
>>Darf ich vielleicht diesmal zuerst reden?<<, fragte sie, goss sich erneut nach, wobei die Menge stetig zunahm.
>>ja klar<<, erwiderte ich etwas überrascht darüber das sie Initiative ergriff und gleichzeitig auch dankbar, denn ich wusste immer noch nicht was ich sagen sollte.
Lauren leerte ihr Glas und stellte es mit einem dumpfen Geräusch auf dem Tisch ab.
Sie atmete tief durch und schien ihre Gedanken selbst erst einmal ordnen zu müssen.
>>Alicia...<<, setzte sie an, brach dann aber wieder ab und verfiel in Schweigen.
Ich sagte nichts. Wann hatte ich ihr eigentlich das "Du" angeboten? Spielte ja eigentlich auch keine Rolle, Gott war ich manchmal eine Spießerin.
Ich war froh das sie es versuchte und mir damit mein peinliches Gestammel ersparte, denn noch immer wusste ich nicht was ich wollte oder wie ich mit dieser Situation umgehen sollte.
>>Ich weiß nicht was das zwischen uns ist. Ich weiß nicht, warum ich dich seit ich dich kenne so sehr fürchte wie ich dich begehre. Ich weiß nicht, warum ich dir nah sein will, warum ich will, dass du mich anfasst, dass du mich küsst, dass du mich begehrst. Ich weiß nur, dass ich es will und ich weiß, dass deine Worte heute früh wehgetan haben. Sie haben mich ehrlich verletzt, so wie mich kaum Worte bisher verletzt haben, aber ein großer Teil in mir will dich und deine Anerkennung und als du mir beides heute früh entzogen hast, fühlte sich das an als würde ich mit einem Schlag auf hartem Stein aufprallen und mir sämtliche Knochen brechen. Ich weiß was für dich auf dem Spiel steht, ich weiß, dass ich deine gesamte Existenz gefährde, dass ich für dich verboten bin, dass das hier verboten ist. Aber ich kann mein Verlangen nach dir nicht abstellen, also sag mir ob du es kannst? Kannst du dich von mir fern halten und so tun als wäre die letzte Nacht nicht passiert? Du wolltest nochmal reden, also bitte, sprich mit mir und sag es mir. Ich brauche Klarheit. <<, forderte sie mich auf, wobei ihre Augen mich ungewohnter Intensität traktierten.
Ich schluckte schwer. Ich wusste nicht womit ich gerechnet hatte, aber nicht damit. Lauren hatte diese Situation so viel besser reflektiert als ich.
Ich hatte ihr also wirklich wehgetan.
Es bedeutete ihr etwas, aber bedeutet es mir auch etwas?
Was hieß eigentlich bedeuten? Konnte ich mich von ihr fern halten? Konnte ich mein Verlangen nach ihr kontrollieren und unsere Beziehung wieder zu einer ganz normalen Lehrerin-Schülerin-Beziehung werden lassen? Konnte ich sie nicht so wollen, wie ich sie wollte?
Ich war vollkommen überfordert.

Dominate meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt