Kapitel 52

1.6K 121 9
                                    

POV - Lauren Fallmont

Als sich die Tür das nächste Mal öffnet und Kommissarin Kenterburry den Raum betrat war sie nicht mehr alleine. Erst als ich den Kopf wieder vom Tisch hob bemerkte ich die zweite Person. Als ich aufsah, stand mir meine Verwirrung wohl ins Gesicht geschrieben, denn vor mir stand niemand anderes als Misses Wood. Sie sah aus, als hätte man sie mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt, denn sie trug einen karierten Pyjama und Crocs wobei der Linke rot und der Rechte blau waren, während sie ihre Haare offensichtlich behelfsmäßig in einen schnellen Dutt gequetscht hatte. In ihrer Hand hielt ihren viel zu vollen Schlüsselbund und ihr Handy. Verwirrt blickte ich zwischen Sophia und Misses Wood hin und her und erst jetzt fiel mir der verkniffene Gesichtsausdruck der Kommissarin auf. Sie schien mit irgendetwas überhaupt nicht zufrieden zu sein. Doch noch bevor ich überhaupt fragen konnte, was das hier werden sollte erhob Misses Wood ihre Stimme.
>>Lauren, wir gehen!<<, kam es knapp von dieser während sie mich auffordernd ansah. Bitte was? Was machte sie überhaupt hier und wieso zur Hölle konnte sie jetzt darüber entscheiden wann diese Vernehmung beendet war? Misses Wood bemerkte meine ausbleibende Reaktion und sprach herrisch weiter, wobei sie zusehends aufgebracht schien.
>>Kommissarin Kenterburry hat anscheinend vergessen dich darüber zu informieren, dass du nicht verpflichtet bist eine Aussage abzugeben und vor allem, dass die Straftatbestände die im Raum stehen völlig haltlos sind - ist dem nicht so Miss Kenterburry?<<, kam es mehr als gereizt von Misses Wood wobei sie Sophia derart wütend ansah, dass ich zum allerersten Mal Angst vor Misses Wood hatte. Ich hatte sie noch nie wirklich aufgebracht erlebt, geschweige denn so wütend. Das ganze wurde nur ein bisschen durch ihre zwei verschieden farbigen Schuhe abgemildert.
Sophia schien es ähnlich zu gehen, denn sie schien sich auf einmal nicht mehr wirklich wohl zu fühlen. Nervös räusperte sie sich und vermied es dabei Misses Wood anzusehen, die Sophia weiter böse anfunkelte.
>>Ja, also, dem ist wohl so. Sie können natürlich jederzeit gehen Lauren, aber ich würde es natürlich begrüßen, wenn Sie bereit wären...<<, brabbelte sie nun drauf los doch sie kam gar nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn ich war mit einer solchen Schnelligkeit vom Stuhl gesprungen, dass dieser nach hinten um fiel. Mit einem unangenehm lauten Geräusch krachte dieser auf den Boden, doch ich scherte mich nicht darum.
Auf keinen Fall würde ich noch eine einzige Sekunde länger in diesem Raum bleiben. Ich hatte gar kein Interesse mit Sophia noch länger als nötig zu sprechen oder auch nur in diesem trostlosen Raum zu sitzen. Wie hatte sie mich so dreist anlügen können?
>>Danke, dann bin ich hier fertig<<, erwiderte ich und versuchte meine Stimme so kräftig wie möglich klingen zu lassen. War so ein Verhalten durch eine Polizistin schon strafbar? Ich war so unglaublich verwirrt.
>>Wir wir werden Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie einlegen Miss Kenterburry.<<, kam es noch giftig von Misses Wood bevor sie sich quietschend auf dem Absatz ihrer Crocs umdrehte und  aus der Tür stürmte, während ich ihr dicht auf den Fersen war. Wir sprachen beide kein Wort während wir durch die mit altem Parkett ausgelegten Gänge liefen und schließlich die große Glastür am Eingang des Reviers passierten.
Draußen war es stockdunkel und nur einige Laternen tauchten die Straße vor uns in oranges Licht.
>>Was...<<, setzte ich an, doch Misses Wood unterbrach mich sofort.
>>Nicht hier Lauren, lass uns zum Wagen gehen<<, kam es knapp von ihr, während sie auf den angrenzenden Parkplatz zusteuerte. Nicht minder verwirrt, aber ohne Diskussion folgte ich ihr, während sie auf einen grauen 4runner zusteuerte, der einsam auf dem großen Parkfeld stand. In der Entfernung konnte ich noch einige andere Autos erkennen, doch wir blieben vor dem PickUp stehen und Misses Wood drückte einen Knopf auf ihrem Schlüssel und der Wagen blinkte kurz in der Dunkelheit auf, bevor die Beleuchtung des Innenraums anging.
Sie öffnete die Tür der Fahrerseite und kletterte hinein, während ich schnell um das Auto herum lief und mich auf dem Beifahrersitz niederließ. Ich saß ungewohnt hoch, viel höher als in Alicias Sportwagen. Wieso fuhren die beiden eigentlich so derart dicke Karren?
Misses Wood startete den Motor, der mit einem lauten Brummen ansprang und trat so hart aufs Gas, dass es mich glatt in den Sitz presste, während sie vom Parkplatz fuhr und auf die angrenzende Straße lenkte. Ich krallte mich in meinen Gurt. Mit einem schnellen Blick auf ihr Armaturenbrett stellte ich fest, dass es es kurz nach 23:00 Uhr war. Es war geschafft.
Ich lehnte meinen Kopf an das kalte Glas der Autoscheibe und beobachtete die Lichter, die an uns vorbeizogen. Ich war so unglaublich müde.
>>Bist du okay Lauren?<<, kam es nun sanft von Misses Wood und gleichzeitig so leise, dass ich es über den Lärm des Motor fast nicht gehört hätte, während sie weiter die leeren Straßen der Stadt entlang bretterte.
War ich okay? Nein. Ich war alles, aber nicht okay. Ich war emotional völlig aufgelöst, ich hatte in den letzten Stunden die Hölle durchlebt und das würde wahrscheinlich nicht so schnell enden. Alicia war irgendwo, aber nicht bei mir. Wahrscheinlich war sie nicht mal mehr in diesem Land - hoffentlich war sie das nicht mehr. Ich wollte Megan Leather persönlich das Gesicht einschlagen, aber stattdessen hatte ich mehrere Stunden damit verbracht in einem Polizeirevier festzusitzen und im schlimmsten Fall, alles nur noch weiter verkompliziert. Ich war also nicht okay, aber ich hatte keine Kraft das zu erzählen. Also ignorierte ich ihre Frage einfach.
>>Woher wussten Sie wo ich war und wieso konnten Sie mich da raus holen?<<, fragte ich stattdessen erschöpft und sah sie von der Seite an. Misses Wood blinzelte heftig, während sie sich eine Strähne ihres braunen Haares unwirsch aus dem Gesicht schob. Sie atmete tief durch.
>>Alicia hat mich angerufen... sie hat mir alles erzählt und auch das Megan Leather bei ihr vor der Tür stand und euch quasi in flagranti erwischt hat. Mein Mann... mein Ex-Mann, er ist Anwalt und war mir noch einen Gefallen schuldig und konnte durch ein paar Telefonate rausfinden, auf welches Revier man dich gebracht hat. Sie können Alicia weder wegen Missbrauch einer Schutzbefohlenen noch wegen Freiheitsberaubung belangen, weil du erstes schon volljährig bist und von Alicia ja nicht gegen deinen Willen festgehalten wurdest. Das wurdest du doch nicht, oder?<<, erklärte Misses Wood mir nun, während sie die letzte Frage sehr zögerlich vorbrachte, so als ob sie Angst vor der Antwort hätte. Doch mein Gehirn verarbeitete immer noch die Informationen die sie mir so eben hatte zukommen lassen. Sie konnten Alicia nicht belangen. Eine derartige Erleichterung durchströmte nun meinen Körper, dass ich das Gefühl hatte mein Herz würde platzen und ich konnte nicht verhindern, dass sich ein müdes Lächeln auf meine Lippen stahl. Misses Wood hingehen sah mich besorgt von der Seite an, wobei sie immer wieder ihre Position auf der Fahrspur korrigieren musste, was den Wagen leicht ins Schlingern brachte.
>>Nein, sie hat mich nicht gegen meinen Willen festgehalten. Bedeutet das, Alicia ist eigentlich aus allem raus?<<, beantwortete ich nun ihre Frage und versuchte nicht zu euphorisch zu klingen während ich die nächste gleich hinterher schob.
Misses Wood atmete hörbar aus, wobei sie mich mit einem kurzen Blick von der Seite bedachte, als ich Alicia bei ihrem Vornamen nannte. Hatte sie sich wirklich Sorgen diesbezüglich gemacht?
>>Naja, nicht ganz. Man könnte ihr trotzdem unterstellen dass sie ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt hat und ich schätze, die Schulleitung wird wegen eines Dienstvergehens gegen sie vorgehen. Ihre Flucht ist da nicht wirklich zuträglich, ich denke, man wird sie entlassen, die Schule ist sehr auf ihre Außenwirkung bedacht. Gegebenenfalls wird ihr die Schulbehörde die Berechtigung zum Unterrichten entziehen.<<, erklärte mir Misses Wood ruhig, wobei sich jedoch eine tiefe Falte auf ihrer Stirn bildete und ihr Missfallen zum Ausdruck brachte.
Meine vorherige Euphorie verblasste so schnell wie sie gekommen war. Alicia würde nicht zurückkommen. Sie würde sich einer derartigen Demütigung nicht aussetzen, das wusste ich genau so gut wie Misses Wood.
>>Wann haben Sie mit Alicia gesprochen? Hat sie sonst noch etwas gesagt?<<, fragte ich hoffnungsvoll, während Misses Wood an einer Ampel wendete und wieder in die entgegengesetzte Richtung fuhr.
Wo fuhren wir eigentlich hin? Es schien nicht so, als würde sie ein explizites Ziel ansteuern, viel mehr als wüsste sie selbst nicht wohin.
>>Vor ungefähr zwei Stunden... sie hat mir mehr oder weniger erzählt was zwischen euch gelaufen ist und eigentlich nur wie eine Irre auf mich eingeredet ich solle dich finden. Noch bevor ich sie irgendwas fragen konnte, hatte sie schon aufgelegt. Ich habe noch ein paar Mal versucht sie zu erreichen, aber ihr Handy war sofort tot. Keine Chance. Ich schätze sie hat es zerstört...<<, antwortete sie leise und ich sah, dass sie sich mit einer schnellen Bewegung über die Augen wischte. Ich tat, als hätte ich es nicht bemerkt. Die ganze Situation hier war sowieso schon zu merkwürdig und wir waren uns nicht nah genug damit ich versuchen würde sie zu trösten. Abgesehen davon presste ich alle meine Emotionen gerade mit einer derartigen Kraft von mir weg um nicht an Ort und Stelle wieder zusammenzubrechen, dass sowas meinen Mauern nur Rissen verleihen würde.
>>Wo fahren wir eigentlich hin Misses Wood?<<, fragte ich müde und ohne weiter auf ihre Worte einzugehen. Ich wollte mir keine Hoffnungen machen, weil Alicia sich wenigstens bei Misses Wood gemeldet hatte. Ich wollte eigentlich nur das dieser Film endete und endlich der Abspann lief. Und dann wollte ich eine schwarze Leinenwand. Kein neuer Film. Nur Ruhe und Dunkelheit.
>>Zu McDonalds - ich brauche jetzt Eiscreme. Und nenn mich bitte Sarah, jetzt ist wirklich keine Zeit mehr für Höflichkeiten. <<, kam es knapp von ihr zurück und das ganze war wirklich ein ikonischer Moment. Meine Lehrerin, die gerade erfahren hatte, dass ich mit ihrer Kollegin eine Affäre hatte, fuhr mit mir mitten in der Nacht zu McDonalds um Eis zu essen. Ich musste unweigerlich lachen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen dabei.
>>Was ist so lustig?<<, fragte Sarah neben mir und ich merkte, dass sie versuchte weniger angespannt zu klingen doch es gelang ihr nicht wirklich.
>>Ich dachte nur gerade, was das hier eigentlich für eine perfide Situation ist. Du fährst mit mir mitten in der Nacht zu McDonalds nachdem du erfahren hast, dass ich eine Affäre mit Alicia hatte und mich von einer Polizeistation geholt hast. Heute früh dachte ich nicht, dass der Tag so verlaufen würde<<, erklärte ich mich immer noch lachend und Sarah stimmte unweigerlich in dieses Lachen ein, denn die Absurdität der Situation schien auch ihr jetzt erst so wirklich bewusst zu werden.
So saßen wir in unseren Sitzen und lachten, während wir durch die Dunkelheit fuhren und das leuchtende, gelbe M in der Ferne immer näher kam. Es war ein verzweifeltes Lachen. Es war ein Lachen vor emotionaler Überforderung. Irgendwann verebbte unser Lachen und zurück blieb nur Stille und das Gefühl absoluter Leere in mir. Das Loch fühlte sich noch mächtiger an als vor einigen Stunden. Als wäre es eine offene Wunde, die mit jeder Bewegung weiter aufriss. Schon wieder überkam mich der unweigerliche Drang zu weinen und ich blinzelte so heftig wie nur möglich um ihn wegzudrücken. Gleichzeitig schob sich ein anderer Gedanke nach vorne in mein Gehirn und wollte unbedingt aufgefasst werden. Misses Wood war also Sarah. Sarah, die damals völlig betrunken bei Alicia geklingelt hatte. Das war ihre beste Freundin Sarah. Der Bogen war so einfach, dass ich ehrlich an meiner Intelligenz zweifelte, warum ich nicht schon früher darauf gekommen war.
In diesem Moment bogen wir in den Drive-In des McDonalds und Sarah öffnete ihr Fenster. Schon wurde uns die übliche Begrüßungsfloskel entgegen geschrien und die Frage nach unserer Bestellung. Der Geruch nach Frittierfett und schlechten Burger strömte ins Auto und ich rümpfte angewidert die Nase. Ich hatte alles, aber keinen Hunger.
>>Zwei McFlurry Oreo mit Karamell-Soße<<, bestelle sie und schon wurden wir zum nächsten Fenster weitergeleitet.
Schließlich standen wir am letzten Ende des McDonald Parkplatzes. Sarah hatte das Auto geparkt, die Standheizung eingeschaltet und vernichtete in einer beeindruckenden Geschwindigkeit das Eis, während ich etwas lustlos in meinem herum stocherte. Eigentlich bekam ich von Eis immer Bauchschmerzen, aber ich wollte Sarah auch keine weiteren Umstände bereiten und so löffelte ich auch langsam mein Eis in mich hinein. Sie hatte es mir wortlos in die Hand gedrückt und wahrscheinlich war es ihr Versuch gewesen, mir auch etwas gutes zu tun.
>>Sie wird nicht zurück kommen, oder?<<, fragte ich schließlich leise und brach damit die Stille. Dieser Gedanke hatte sich in meinem Hirn festgesetzt wie ein Parasit und schien sich nur weiter hinein zu graben., wenn ich ihn nicht endlich aussprach. Sarah stoppte in ihrer Eisinhalation und sah mich mit einem derart schmerzvollen Blick an, dass mir glatt wieder schlecht wurde.
Für einen kurzen Moment antwortete sie nicht und diese neue Stille war noch unaushaltbarer als die vorherige.
>>Ich glaube nicht. Alicia, sie... was weißt du über sie?<<, fragte sie mich nun und mein Magen krampfte sich schon wieder unangenehm zusammen. Was wusste ich eigentlich über Alicia? Irgendwie nicht viel und irgendwie aber auch alles. Sie hatte mir nie erzählt was ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingsessen oder ihr schönster Urlaub gewesen war, aber sie hatte mir vom Krieg erzählt. Sie hatte mir die schlimmste Phase ihres Lebens anvertraut, aber sonst nicht viel. Ich liebte eine Frau, die ich zu kennen glaubte und die gleichzeitig ein ungemeines Mysterium war.
>>Sie hat mir von Afghanistan erzählt<<, antwortete ich leise, denn das schien mir der einzige Beweis über unsere Verbindung zu sein, der über das Sexuelle hinaus ging. Für einen kurzen Moment wirkte Sarah ehrlich überrascht, als hätte sie mit allem gerechnet, nur nicht damit. Doch dann fing sie sich wieder und löffelte weiter ihr Eis.
>>Dann weißt du mehr als ich geglaubt habe und gleichzeitig weißt du auch genug, um zu wissen, dass Alicia nicht zurückkommen wird. Irgendwas in Afghanistan hat sie gebrochen damals. Sie ist wie ein schreckhaftes Reh, sobald man versucht sie einzusperren, sei es emotional oder physisch läuft sie so schnell davon wie sie kann. Ich kann mir nicht mal annähernd vorstellen, wie schlimm der Krieg für sie gewesen sein muss...<<, begann Sarah zu erläutern und versetzte meiner Hoffnung damit den letzten Todesstoß. Sie bestätigte eigentlich nur was ich am Ende von Beginn an vermutet hatte und doch tat es unglaublich weh in diesem Moment. Alicia war weg. Sie war nicht mehr da und sie würde nicht zurückkommen. Diese Gedanken waren so schlimm, dass es sich anfühlte, als würde etwas mich unter Wasser ziehen und ich konnte die rettende Oberfläche sehen, während mir langsam und qualvoll die Luft ausging. Ich umklammerte meinen Eisbecher, während Sarah neben mir aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte.
>>Das entschuldigt aber nicht, was sie dir angetan hat Lauren.<<, sprach sie nun weiter und jetzt sah sie mich an. Ihre Augen trafen auf meine und ein Stein schien sich in meiner Kehle zu bilden. Ihre Augen glänzten feucht von den Tränen die auch sie versuchte zurückzuhalten.
>>Alicia hätte dich niemals für ihre Zwecke missbrauchen dürfen. Ich weiß, dass sie mit den Frauen in ihrem Leben vorher auch nicht gut umgegangen ist, aber du warst ihre Schülerin. Das hätte ihre Grenze sein müssen. Ich liebe sie als meine beste Freundin, aber gerade verachte ich sie als den Menschen, der dir das angetan hat. Du bist noch so jung, aber sie hat dir einen ewigen Schaden zugefügt mit ihrem Verhalten. Sie hast ihr Brandmal auf dir hinterlassen und das hätte sie nicht tun dürfen. Stattdessen ist sie weglaufen. Etwas feigeres hätte sie nicht tun können. Es tut mir leid Lauren, es tut mir so leid, dass ich nicht eingeschritten bin. Ich habe es geahnt, aber ich wollte es nicht wahr haben. Das alles... Alicia hätte das nicht tun dürfen<<, kam es aus Sarah herausgesprudelt und zwar so schnell, als schien es ihr schon seit Ewigkeiten auf der Seele zu brennen und drohte sie völlig aufzufressen, wenn sie es nicht heraus ließ.
Sprachlos saß ich da. Den Eisbecher immer noch umklammert.
>>Sie... sie hat mich nicht für ihre Zwecke missbraucht, das... das war alles einvernehmlich<<, stotterte ich und versuchte irgendwie entrüstet zu klingen, aber mir fehlte die Kraft. Ich konnte nicht mehr.
Sarah sah mich unendlich mitleidig an. Ich wich ihrem Blick aus. Ich wollte das nicht sehen, denn dann würden sich ihre Worte nur umso realer anfühlen.
>>Das körperliche vielleicht, aber schau dich doch an Lauren. Du sitzt hier, mitten in der Nacht, in meinem Auto und wo ist Alicia? Sie ist weg. Sie ist gegangen, als sie für ihre Fehler hätte geradestehen sollen und dich beschützen sollen. Sie hat dich emotional missbraucht, denn du hast dich auf etwas eingelassen mit ihr und sie hat dich fallen lassen. Ist es nicht so?<<, fragte Sarah sanft und ihre Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich fürchtete mich erneut übergeben zu müssen und riss die Autotür auf. Ich würgte, doch nichts geschah. Ich atmetet hektisch, während ich Sarahs Hand auf meinem Rücken spürte und hörte wie sie unverständliche Floskeln murmelte um mich zu beruhigen. Die Tränen kamen zurück und ich begann haltlos zu weinen. Irgendwann spürte ich, wie Sarah mich zurück ins Auto und in ihre Arme zog und mich einfach festhielt und dann weinten wir zusammen.
Eine gefühlte Ewigkeit saßen wir da, während unsere Tränen auf den Pullover der jeweils anderen tropften. Das alles war surreal.
>>Ich... ich liebe sie doch<<, schluchzte ich leise und es war befreiend, das endlich auch vor jemand anderem auszusprechen, Sarah strich mir sanft über den Kopf, während sie nur noch stärker weinte.
>>Ich weiß, ich auch...<<, erwiderte sie ebenso schluchzend.
Irgendwann lösten wir uns aus unserer Haltung und Sarah reichte mir eine Packung Taschentücher, die ich dankbar annahm. Mein ganzes Gesicht war nass.
Wir starrten beide in die Dunkelheit und hingen unseren Gedanken nach. Ich lehnte meinen Kopf wieder an das kalte Glas und beobachtet die Büsche vor dem Auto wie sie sich sanft im Wind wiegten. So blieben wir sitzen, bis der Himmel langsam heller wurde und die Schwärze der Nacht durch die aufgehende Sonne langsam verdrängt wurde. Der Himmel färbte sich blutrot und tauchte die Welt um uns herum in so malerische Farben, dass es sich falsch anfühlte, in diesem Moment so zu leiden. Aber vielleicht unterstrich es die Emotionen des Moments auch besonders gut. Sarah neben mir starrte ebenfalls auf das Schauspiel, das die Natur uns bot und in diesem Moment glaubte ich sie genau so sehr leiden zu spüren, wie ich es tat. In diesem Moment schien ich nicht alleine zu sein.

Dominate meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt