11. Blumenstrauß für Will

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Wie erwartet fand ich Persephone in ihrem Garten, wie sie ihre Blumen goss. Ich seufzte, wenn ich Glück hatte, würde sie mich nur in ein Gänseblümchen verwandeln, oder in einen Löwenzahn. "Ähm, Mom?", fragte ich sie. Persephone drehte sich zu mir um. "Ja, Nico, was ist los?" Ich biss mir auf die Unterlippe und bereitete mich auf das unangenehme Gefühl vor, eine Pflanze zu sein. 

"Ich bräuchte einen kleinen Blumenstrauß aus deinem Garten.", erklärte ich und dachte mir: okay jetzt kommts, jetzt werde ich ein Löwenzahn Sorry, dass ich nicht zu deiner Party kommen konnte, Will.

Statt mich sofort zu verwandeln runzelte meine Stiefmutter erst die Stirn. "Und wieso solltest du den brauchen?", fragte sie mit leicht drohendem Unterton. "Uhm... Ich brauch eben einen.", erwiderte ich ausweichend. Persephone stemmte die Hände in die Hüfte und schaute mich wartend an. Wenigstens war ich noch immer ein Mensch. "Bitte, Persephone.", bettelte ich, "Muss ja keine seltene Blumenart sein. Mir reichen auch, keine Ahnung, Tulpen oder so." Fast hätte ich sie nach Rosen gefragt. "Warum? Warum willst du Tulpen aus meinem Garten?", wiederholte Persephone. 

Ich truxte noch eine Weile herum aber Persephone konnte man nicht anlügen. Ich überlegte schon was passieren würde, wenn ich ihr einfach sagen würde, dass ich den Strauß Will schenken wollte. Wahrscheinlich würde sie mir verbieten auch nur eine Einzige Blüte aus ihrem Garten in die Oberwelt zu bringen. Oder mir sagen, dass ihre Pflanzen keine Geschenke für unbedeutende Halbgötter wären. 

Schließlich ergab ich mich trotzdem. "Okay, ich will einen Strauß für Will, zu seinem Geburtstag. Und normale Blumen von oben sind langweilig und kurzlebig." Meine Stiefmutter schnaubte amüsiert. "Genau wie Sterbliche. Hm, so hab ich das noch gar nicht betrachtet." Ich funkelte sie wütend an, aber sie hatte sich schon umgedreht und winkte mich hinter sich her. Seufzend folgte ich ihr. "Wirklich Nico, Tulpen? Für deinen Freund? Man merkt, dass du keine Ahnung von Blumen hast. Oder von Beziehungen.", erklärte sie, während sie sich eine Gartenschere nahm und weiter durch ihren Garten marschierte. Verwirrt folgte ich ihr. 

"So. Für Will also, ja? Dann dürfte es ja selbstredend sein. Eindeutig rote Rosen und... hmm... ah ja, weiße Gartennelken, die passen gut zusammen. Und natürlich Sonnenblumen für den Sohn des Apollo. Hmpf. Sonnenblumen sind so groß, da gehen sich maximal drei aus. Wie wäre es noch mit gelben Husarenknöpfen?", ohne auf eine Antwort zu warten, schnitt sie von besagter Blume auch noch ein paar Stängel ab und fügte sie dem Strauß hinzu. Ich stand überrascht daneben und betrachtete den immer größer werdenden Strauß. Nicht, dass ich mich beschweren wollte, aber wie konnte Persephone sich so einfach von so vielen ihrer Blumen trennen? Sie fügte noch mehrere Heilkräuter hinzu und band den Strauß dann an den Stängeln zusammen und wickelte ihn vorsorglich in ein hellbraunes Papier.

Meine Stiefmutter drehte sich zu mir um und drückte mir den Strauß in die Hände. "Sorg dafür, dass ich es nicht bereue, Nico. Wenn die Blumen nicht bei Will ankommen, wie du gesagt hast, bist du wieder ein Löwenzahn!" Ich nickte stumm. "Wie willst du eigentlich zu ihm kommen?", fragte Persephone weiter. "Uhm, ich dachte ich schattenreise einfach." Die Göttin runzelte die Stirn und sagte: "Besser du nimmst das Auto deines Vaters. Jules-Albert kann dich ja fahren. Nicht, das du dort ankommst und als aller erstes ärztliche Versorgung brauchst." "Also so schwach bin ich auch wieder nicht!", beschwerte ich mich. Persephone lachte leise und strich mir durch die Haare. Gemeinsam gingen wir zurück in den Palast und ich brachte den Strauß in mein Zimmer.

Dort stellte ich erfreut fest, dass der Waffenmeister sich meine Rüstung bereits geholt, sie repariert und auch wieder zurück in mein Zimmer gestellt hatte. Ich scheuchte Anger weg, der die Rüstung markieren wollte und räumte sie in meinen Schrank, wo die Cacao Puffs hoffentlich nicht ran kamen. Diese hatten aber ohnehin schon den Blumenstrauß entdeckt und schnupperten daran. "Pfoten weg, der ist für Will.", mahnte ich sie und holte ihn außer ihrer Reichweite. "Will? Will? Will?", fragten die Cacao Puffs mich. "Ja, Will. Erinnert ihr euch noch? Ihr kennt ihn doch aus dem Camp.", erwiderte ich. 

Will war schließlich bei mir gewesen, als die kleinen Teufelchens zu mir gekommen waren. Außerdem hatten sie eineinhalb Wochen lang mit uns im Camp gewohnt. Ich beschrieb ihn meinen Cacao Puffs, damit sie sich wieder erinnerten: "Sonnenblonde Locken, sehr viele Sommersprossen, himmelblaue Augen? Der, der so gejammert hat, ich sollte aufmerksamer sein, als ich mich an der Lavawand verbrannt hab und runter gestürzt bin?" Meine Dämonen schienen verstanden zu haben. Plötzlich flitzten sie alle durch mein Zimmer und schrien begeistert Wills Namen. Hin uns wieder hörte ich auch "Will! Lieb!" und "Will Solace!" und "Will! Besuchen!" heraus. Ich musste lächeln. Offenbar hatten meine kleinen Hausteufel Will genauso gern wie ich.

Ich stand wieder auf und holte einen schwarzen Rucksack aus meinem Schrank um für morgen zu packen. Ich stopfte gerade ein Ersatz- T-Shirt hinein, als es an meiner Tür klopfte. "Ja?", fragte ich laut und Persephone kam herein. "Ich wusste es.", sagte sie mit einem Blick auf meinen Rucksack. "Was wusstest du, Mom?" "Dass du nicht richtig packen würdest. Hades ist genauso.", sie verdrehte die Augen, ging zu meinem Schrank und riss ihn auf. Ich ließ mich stöhnend auf mein Bett fallen. Die Cacao Puffs schrien jetzt nach Persephone, die sie allerdings Mom nannten, weil Persephone zu lang und kompliziert für sie war. Die Göttin kraulte sie kurz und zauberte einen kleinen schwarzen Koffer aus einer hinteren Ecke meines Schranks hervor. Dann zwang sie mich mehr Kleidung einzupacken, als ich für drei Tage brauchen würde. "Halbgötter müssen immer mit allem rechnen! Was wenn du angegriffen wirst und danach saubere und unversehrte Kleidung brauchst?", war ihre Erklärung dafür. Endlich ließ Mom mich wieder in Ruhe, jedoch nicht, ohne mich daran zu erinnern, dass es in einer Stunde Abendessen geben würde. 

Bis dahin telefonierte ich noch mit Hazel und brachte meine Schwester auf den neusten Stand der Dinge, darüber, wie es mit den Geistern stand, über die Aufstände auf den Feldern der Verdammnis, über meine Cacao Puffs. Wir redeten noch eine Weile über dies und das und sie erzählte mir, wie es oben mit den Monstern und der Legion stand. Dann war es auch schon Zeit zum Abendessen. Ich zog mir meine Prinzenkleidung an, pfiff nach meinen Cacao Puffs und ging in den Speisesaal.

Solangelo 2 - Lücken in der UnterweltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt