26. aufgeschrecktes Kätzchen

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Das erste was ich sah, als ich aufwachte war Will.  

Zugegeben, das war echt mein liebster Anblick, trotzdem zog ich, einfach aus Prinzip, eine Schmoll-Miene. "Komm schon, Will. Warum musst du mich immer wecken? War doch grade...", ich wollte schon gemütlich sagen, aber da fiel mir wieder ein, dass Hera das Gleiche zu Zeus gesagt hatte, nur in einem.... intensiveren Kontext. Das brachte ich nicht über die Lippen. Noch nicht.

Will zog eine Augenbraue hoch. "Ja? Was war noch grade?", fragte er frech. Ich knurrte leise und grub mich stärker in die Decke und meine Kopfpolster ein. "Nix. Lass mich schlafen.", nuschelte ich als Antwort und kuschelte mich dichter an seine warme Brust. Schade, dass es in der Unterwelt so kalt war, denn sonst hätte Will sein Pyjama-Shirt ausgezogen. 

Mein Liebster lachte leise. "Ehrlich Nico, ich kann dich morgens einfach nicht ernst nehmen. Da schaust du noch viel zu süß aus." "Tja, jetzt weißt du warum ich dich niemals ernst nehmen kann!", konterte ich. Will schwieg einen Moment, als müsse er erst darüber nachdenken, was ich gesagt hatte. Ich wusste genau, dass er gerade rot wurde! Dann spürte ich wie er meinen Nacken küsste. 

Er fragte sanft: "Schon wieder ein Albtraum?" Ich dachte einen Moment nach. Konnte ich die Scene mit Zeus und Hera als Albtraum einstufen? Auf jeden Fall! Aber mein Gespräch mit Jason? Nein, das nicht. 

"So halb.", sagte ich deswegen. Ich drehte mich wieder um und sah Will an. "Magst du darüber reden?", fragte mein Freund weiter und ich warf mich wieder zurück zwischen meine Polster.  "Nein!", schrie ich peinlich berührt. Ich wollte nie wieder auch nur daran denken was der König und die Königin des Universums miteinander trieben! Aber leider sah es so aus, als würden mich die Bilder noch eine Weile verfolgen. (Notiz an mich: Will fragt IMMER nach ob ich darüber reden will! Wenn ich es nicht will, sollte ich mich also gar nicht erst zu ihm umdrehen.)

"So schlimm?", fragte Will zärtlich und begann mich zu streicheln. Ich schlang meine Arme um seinen Bauch und kuschelte mich wieder fester an ihn. "Nicht wirklich...", gab ich zu, "aber ich will trotzdem nicht dran denken. Das war anders schlimm." Zum Glück ließ Will mich ab da in Ruhe. 


Nach einer Weile kuscheln stemmte ich mich hoch um mich nach meinen Cacao Puffs umzusehen, meine kleinen Dämonen wurden nämlich sehr schnell verstimmt, wenn man ihnen keine Beachtung schenkte, doch sie schliefen alle noch. Kein Wunder, immerhin hatte Will sie ja nicht aufgeweckt, bevor Apollo sich überhaupt in seinen Sonnenwagen setzten konnte.

 Die meisten von ihnen lagen am Fußende des Bettes, und manche auch auf dem Teppich und einer, ich glaub es war Anger, hatte sich sogar auf einer Stehlampe in meinem Zimmer niedergelassen. Anger wollte immer allein sein, deswegen suchte er sich Plätze wie die anderen Cacao Puffs nicht hinkamen. Kam das irgendwem bekannt vor? Mir nämlich schon.

Ein Blick auf meinen Wecker gab mir einen neuen Grund zum Jammern. "Warum hast du mich schon aufgeweckt? Es ist erst halb sieben!", knurrte ich und ließ mich demonstrativ auf Wills Brust fallen. Der lachte nur leise und sagte: "Damit es später leichter ist dich aus den Federn zu bekommen, Deathboy. Immerhin schläfst du wie eine Leiche." "Ist gar nicht so weit hergeholt.", fand ich und hob den Kopf um ihm ins Gesicht schauen zu können, "Trotzdem kriegst du keinen Kuss, weil ich immer noch sauer bin." 

"Wetten doch?", nervte Will. Er legte mir eine Hand in den Nacken, zog mich zu sich und drückte seine Lippen auf meine. Da hab ich ihn dann wohl zurück geküsst... 

So schnell ließ ich meinen Sunshine dann aber auch nicht mehr los. Langsam wanderte ich mit meinen Küssen an Wills Hals hinab und strich mit dem Finger über seine Sommersprossen. Wieder einmal versuchte ich sie zu zählen, aber es war hoffnungslos. Ich spürte, wie Will langsam meinen Rücken streichelte. Ich schloss die Augen und genoss einfach nur die Wärme, die mein Liebster ausstrahlte. 

"Immer noch sauer, weil ich dich geweckt habe?", fragte Will zärtlich. "Mhm...", nuschelte ich schläfrig. Will küsste mich noch einmal. 

"Ganz sicher?"
Ich gab keine Antwort. Leider war ich ihm wirklich nicht mehr böse und Will wusste das ganz genau. Er lachte leise. Wie immer machte mein Herz sofort einen Satz, als ich dieses Geräusch hörte. Ich liebte Wills Lachen. Wenn er lachte - oder noch besser - wenn ich ihn zum Lachen brachte, war das immer wie ein Sieg für mich. Wenn er mich küsste auch. Und wenn er wegen mir schmollte. Und wenn er... Ich unterbrach meine Gedanken. Heiliger Hades, war ich überhaupt noch in Will verliebt, oder war ich schon besessen von ihm?

Leider dauerte dieser eine Moment mit ihm nicht lange, denn schon mussten wir aufstehen und uns fürs Frühstück fertig machen. Nachdem ich mich hartnäckig weigerte Will loszulassen, hob dieser mich einfach hoch und trug mich ins Bad, wo er mir ein paar eisige Spritzer Wasser in Gesicht klatschte. 

Fluchend wand ich mich aus seinen Armen. "Bastard! Ehrlich Will, wieso bin ich nochmal mit dir zusammen?", schimpfte ich und trocknete mir das Gesicht ab. 

Will litt derweil unter Krämpfen, weil er einen heftigen Lachanfall unterdrückte. Er wollte etwas sagen, aber ich warf ihm mein Handtuch ins Gesicht und zischte: "Sag es nicht!" Unter dem Handtuch nuschelte mein Freund trotzdem etwas von Katzen. 

Als er mich das erste Mal mit dieser Methode aufgeweckt hatte, hatte er mir die ganze restliche Woche erzählt ich hätte ausgesehen, wie ein aufgeschrecktes Kätzchen und ich dankte den Göttern dafür, dass das nicht an die Öffentlichkeit gekommen war. 

Will wusste wirklich, wie er mein Image als furchteinflößender Hadessohn ruinieren konnte. 

Trotzdem konnte ich im nicht lange böse sein. 

Nachdem wir (nacheinander) geduscht hatten und ein Skelett-Diner Will etwas frisches zum Anziehen gebracht hatte, weckte ich meine Cacao Puffs und wir gingen hinunter zum Frühstück. Da wir pünktlich waren, erwischten wir die Erwachsenen nicht dabei, wie sie über uns tratschten. Stattdessen erwartete uns eine Überraschung.

"Hazel!", rief ich erfreut, als ich meine Schwester neben Percy am Tisch entdeckte. Hazel trug Freizeitkleidung und ihre Haare waren zerzaust, als wäre sie eben erst mit Arion hier angekommen. "Guten Morgen, Nico!", begrüßte sie mich und stand auf um mich zu umarmen. Auch Will wurde von ihr geknuddelt und sie betrachtete neugierig sein Gewand. 

Der Diner hatte ihm eine ähnliche Kleidung wie meine Prinzen-Sachen gebracht. Nur in anderen Farben und mit anderen Stickereien. Will trug also weiße Leggins, einen weißen Chiton, an dessen unterem Saum mit Goldfäden das Zeichen des Apollo eingestickt war und einen sonnengelben Umhang. Bei dem Umhang hatte ich ihm helfen müssen, weil mein Geliebter ihn sonst getragen hätte wie einen Schal. Seine goldenen Locken wurden ihm von einem schmalen, dunkelgrünen Lorbeerkranz aus dem Gesicht gehalten. 

Als ich mir Percy ansah merkte ich, dass er eine ähnliche Aufmachung hatte. Schwarze Leggins, hellblauer Chiton und ein Meeres-grüner Umhang, alles bestickt mit dem Zeichen des Poseidon. Anstelle eines Lorbeerkranzes trug er eine Krone aus Korallen. Ich fragte mich, ob das seine eigene Krone war, oder ob mein Vater sie für ihn aufgetrieben hatte, aber ich tippte eher auf das Erste, weil Korallen in der Unterwelt eher schwer zu bekommen waren.

"Ich hoffe ihr habt gestern nicht ohne uns weitergemacht?", fragte ich meinen Vater, doch er schüttelte den Kopf. "Nein, mein Sohn. Wir haben Hazel eine Nachricht geschickt, dass sie herkommen sollte, weil sie sich mit Zaubern und Beschwörungen besser auskennt, als wir alle zusammen.", antwortete er. 

Percy murmelte leise etwas, aber ich verstand nur so etwas wie Kater. Trotzdem fragte ich: "Was für eine Katze?", denn nachdem Will mich mit seiner erschrecktes-Kätzchen-Methode aufgeweckt hatte fragte ich mich mal wieder, ob er es nicht vielleicht doch herumerzählt hatte. Doch Percy verdrehte die Augen und antwortete: "Nix Katze, Nico. Ich habe Carter gesagt. Mit C geschrieben. Er ist ein Freund von mir. Er und seine Schwester Sadie sind mir nur eingefallen, als dein Vater Beschwörungen erwähnt hat." Ich beschloss nicht weiter auf das Thema einzugehen und hörte mir lieber an, was meine Schwester zu dem Thema Beschwörungen zu sagen hatte. den unterschied zwischen Beschwörungen und Zaubern lernte ich trotzdem nicht. 

Solangelo 2 - Lücken in der UnterweltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt