1. Alltag in der Unterwelt

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Wenn andere Teenager über ihren Alltag sprechen, zählen sie Dinge auf wie Fußball spielen oder zocken und auf Netflix Serien schaun, manchmal auch zeichnen oder lesen. 

Was ich aufzähle? 

Ein Ausritt über die Felder der Verdammnis auf meiner Skelettpferd-Stute Dark Flow, mit einem gigantischen dreiköpfigen Hund spielen, Schwertkampf trainieren, Monster bekämpfen, ein mehr oder weniger magisches Schachspiel mit meiner (Halb-)Schwester die übers Wochenende heimgekommen war (meine Schachfiguren waren winzige Skelette, ihre kleine Skulpturen aus Edelstein), während wir auf den Stufen zum Thron unseres Vaters saßen und mit halbem Ohr zuhörten wie er inkompetente Wachen/ Bittsteller/ Geister und solche die sich vor ihrer Strafe drücken wollten zusammenstauchte, während unsere Stiefmutter neben ihm saß und seelenruhig ihrem neusten Hobby nachging (Blumenkränze flechten). 

So ungefähr sah mein Alltag aus wenn man meine Freistunden aufzählte und meine sonstigen Verpflichtungen wegließ.

"Nico, du bist dran.", riss mich die Stimmer meiner Schwester, Hazel Levesque, aus meinen Gedanken. Ein wenig verstimmt beugte ich mich über unser Schachbrett. Sie war so kurz davor zu gewinnen! Also bewegte ich einen, aus Knochen geschnitzten, Läufer zwei Felder zur Seite um Hazels König Schach zu setzen, damit sie abgelenkt war. Leider brachte das nur wenig.

  Wir hatten unsere Armeen aus Schachfiguren beide selbst zusammengestellt, weshalb sie etwas gemixt aussahen. Mein König war zum Beispiel die Mythomagic-Figur meines Vaters, genau wie die Dame eine Figur von meiner Stiefmutter Persephone war. Meine Läufer und Pferde hatte ich mir aus Knochen von Menschen und Pferden geschnitzt. Sollte ja alles seine Ordnung haben. 

Bei den Bauern hatte ich mir etwas ganz Gemeines erlaubt! Seit Neuestem konnten die Geister von verstorbenen, bösen Sterblichen auch dazu verurteilt werden eine meiner Schachfiguren sein zu müssen! Hazel hielt nichts von der Idee aber unser Vater, Hades - oder im römischen Pluto (meine Schwester war römisch, ich griechisch), war begeistert. 

Und ja, dass meine Bauern-Figuren böse Geister waren, verleitete mich auch oft dazu sie als Kanonenfutter zu benutzen. Es sollte ja auch eine Strafe sein.

Hazels Figuren dagegen waren kunstvoll geformte Smaragde (Bauern), Rubine (König und Dame), Saphire (Läufer), Bernstein (Pferde/ Springer) und Diamanten (Türme). Alle verziert mit winzigen und zierlichen Ringen, Kronen oder sonst was aus Gold. Deshalb brauchte keiner von uns einen Finger zu rühren um die Figuren zu bewegen. Wir nutzten einfach unsere Halbgötterkräfte.

Hazel zog ihren König aus der Reichweite meines Läufers und ich nutzte die Changs und befahl, einen blöden Geist - entschuldige - einen normalen Bauern auf die erste Reihe bei Hazel um mir einen Turm zurückzuholen, den sie schon vor etlichen Zügen geschlagen hatte. 

Der Turm bestand aus einfachen Obsidiankieselsteinen die ich am Ufer der Styx gesammelt hatte. Mit meinem Turm schlug ich auch gleich einen der Springer meiner Schwester. Trotzdem schaffte ich die Kurve nicht mehr. Drei Zugwechsel später war ich Schachmatt gesetzt und schmollte.

  Der Einzige, der noch schlechtere Laune hatte, war unser Vater. Ich hörte ihn über uns hinweg brüllen: "Was soll das heißen, die Grenzen sind nicht dicht?" Der Geist eines Mannes, mit dem er sprach, kauerte sich am Fuß der Stufen zum Thron zusammen und fiepte: "Nicht die Grenzen zu den Feldern der Bestrafung, eure Hoheit! Keine Sorge. Es geht nur um den Asphodelengrund, also eigentlich um die Straßen dorthin." "Was jetzt? Die Straßen oder der Asphodelengrund?", schaltete sich jetzt auch Persephone ein, ohne von ihren Blumen aufzuschauen. 

 "Die Straßen, meine Königin. Nach der Verurteilung betreten die Geister der Toten die Straßen nach Asphodelen, kommen aber nie dort an! Und... und es sind Gerüchte aufgekommen, dass manche Toten nicht einmal mehr Zerberus passieren nachdem sie durch die Sicherheitskontrollen sind." Der Geist kauerte sich am Boden zusammen als würde er jetzt Prügel erwarten. Tatsächlich kochte bereits der Boden um Dad herum, aber dann blickte er zu Hazel und mir und zügelte sich wieder. 

Als Hazel das erste Mal Zeit in diesem Palast verbracht hatte, hatte sie einen Wutausbruch von Dad erlebt und war mit ihrem unsterblichen Überschallgeschwindigkeits-Pferd Arion abgehauen. Seitdem gab unser Vater sich Mühe seine Wut an anderen Dingen als Boten-Geistern auszulassen. 

 Trotzdem scheuchte er den Geist grob aus dem Thronsaal und lief dann erst mal auf und ab und murmelte etwas von unfähigen Wächtern und schlecht gebauten Straßen. Schließlich stand Persephone von ihrem Thron auf, legte ihre Blüten beiseite und ging zu Dad. "Hades, Liebster, beruhig dich. Vielleicht müssen wir die Straßen einfach renovieren lassen und den Sicherheitskontrollen ein Update verpassen. Immerhin haben wir das die letzten zweitausend Jahre nur dürftig gemacht." Dad seufzte und ließ die Schultern sinken "Jaja, ist wahrscheinlich wirklich das Beste. Nico!" 

Das war mein Stichwort. Ich sollte bestimmt losziehen und die Straßen kontrollieren, zurück kommen und Bericht erstatten und dann noch mal losziehen und Thanatos helfen die abgehauenen Seelen wieder einzusammeln. 

"Ich möchte, dass du die Schäden an den Straßen kontrollierst und uns Bescheid gibst. Danach brauche ich dich damit du mit Thanatos bereits entlaufene Geister wieder einsammelst!", sagte Dad an mich gewandt. Wer sagts denn? Ich kannte meine Pflichten als Prinz der Unterwellt eben. Also stand ich auf und streckte mich. "Alles klar, Dad. Ich lass Dark Flow aus dem Stall holen und reite dann gleich los." Dad nickte zufrieden. 

"Hazel, meine Tochter, hohl Arion und reite an die Oberfläche. Suche von dort aus nach den Löchern und schließe sie bestmöglich, sodass keine Sterblichen sie zufällig finden. Versuch auch einen Überblick zu bekommen, wo an der Oberfläche sich die Tunnel befinden und wie viele es gibt." Auch Hazel nickte und kam auf die Füße. Mit einem Fingerschnipsen holte ich ein Zombie herbei und befahl ihm, das Schachbrett wegzuräumen. Gemeinsam mit Hazel ging ich in Richtung Stall. Ein paar Zombies eilten uns schon voraus um Dark Flow fertig zu machen. Arion aber hielt es im Stall der Unterwelt nicht aus, deswegen hatte Persephone einen kleinen Abschnitt ihres Gartens geopfert um ihm eine Weide einzurichten. Mit kleiner Abschnitt meinte ich eine Fläche groß wie ein Fußballfeld, aber ja, verglichen mit dem Rest des Gartens war das noch eher klein.

Ich verabschiedete mich von Hazel und ging alleine weiter. Als ich auf Dark Flows Rücken stieg, kam mir eine Idee wen ich noch um Hilfe wegen dem Problem bitten konnte. Also trieb ich mein Skelettpferd in Richtung Styx, um mit ein paar Experten des Tunnelbaus zu sprechen.

Solangelo 2 - Lücken in der UnterweltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt