8. Zuhause

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„Wir sind da.", stellte ich fest.

„Schönes Haus. Sind deine Eltern zu Hause? Ich könnte mich ja mal vorstellen." Mit geweiteten Augen starrte ich ihn an.

„Das war nur ein Scherz." Ich atmete erleichtert aus. „Wäre das denn so schlimm?", fragte er, beobachtete meine Reaktion genauestens.

„Was willst du denn sagen? Ich bin Arianas Mathelehrer und habe ihre Tochter nach Hause gefahren, da ich sie heulend auf einem Bordstein sitzen sah? Ach so und ich habe sie außerdem heute morgen zum Kommen gebracht." Er musste lachen und ich tat es ihm gleich. Das war das erste Mal, dass ich ihn lachen hörte und es war umwerfend. Ihn glücklich zu sehen, stimmte mich aus irgendeinem Grund ebenfalls glücklich. Sowas hatte ich noch nie gehabt. Komisch.

„Was ist denn das für ein Irrer?" Verwirrt drehte ich mich nach links um, um zu sehen, dass mein Vater die Straße lang taumelte, irgendwelche Sachen schrie und so aussah, als hätte er seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Mein Gesicht wurde aschfahl und mein Hals trocken.

„Und so einer lebt in deiner Straße?", fragte er mich, kannte die Antwort schon. Mittlerweile war auch die restliche Farbe aus meinem Gesicht entwichen, denn er stand nun vor unserer Haustür und versuchte hinein zu kommen. Er schlug laut gegen die Tür, was mich zusammenzucken ließ.

„Will der gerade tatsächlich bei euch einbrechen?", fragte er erschrocken, wollte gerade aussteigen, ihn vermutlich davon abhalten, doch ich hielt ihn am Arm fest und zog ihn wieder zurück auf seinen Sitz.

„Geh bitte nicht raus.", bettelte ich ihn an.

„Ariana, irgend so ein betrunkenes Arschloch will bei euch einbrechen und du willst, dass ich nur zugucke? Wie kannst du überhaupt noch da sitzen und nicht die Polizei rufen?" Ich unterbrach den Augenkontakt und starrte auf meine Füße.

„Ich kenne diesen Mann.", stellte ich fest, flüsterte fast schon. Ich atmete zittrig ein. Ich wollte nicht, dass er das so erfuhr. Er hätte es sowieso nie erfahren sollen. Das wusste Niemand aus meiner Freundesgruppe, geschweige denn die Lehrer. Würde das irgendwer mitbekommen, würde ich wahrscheinlich im Heim landen und das wäre die Hölle. Dennoch war mein 'Zuhause' ebenfalls meine persönliche Hölle.

„E-er ist mein Vater.", murmelte ich, traute mich nicht meinen Mathelehrer wieder anzugucken, hatte Angst vor seiner Reaktion. In dem Moment hörte ich Geschrei. Mein Vater hatte so lange an die Tür gehämmert, bis ihm meine Mutter aufgemacht hatte. Ihre Augen waren rot, ganz angeschwollen und sie stand dort zitternd. Dad wollte ihr einen Kuss auf die Wange geben, doch er verfehlte und fiel auf den hölzernen Boden im Eingang.

„Wie kannst du es wagen in so einem Zustand nach Hause zu kommen? Denkst du auch mal nach?", schrie meine Mutter aufgebracht und starrte ihn hasserfüllt an. Dad lag immer noch auf dem Boden, doch rappelte sich nach kurzer Zeit wieder auf.

„Was deeenkst de eigentlich wer d-du bist, hmmm?", schrie er mit hackiger Stimme zurück. Sofort sah man ihr an, dass sie Angst bekam. Klatsch. Meine Mutter hatte ihm volle Kanne eine verpasst. Es ging weiter mit viel Geschrei, Gestikulierungen und noch mehr Geschrei. Mit einem lauten Knallen verstummten sie, da Dad die Türe zugeknallt hatte. Geschockt konnte ich nur auf diese starren. Ich hatte zwar schon oft mitbekommen, dass sie Stritten und in welcher Art, aber dennoch war es nicht schön mit anzusehen. Das waren immer noch meine Eltern und ich hatte eine heiden Angst davor, dass Dad Mom irgendwann zu doll schlug oder das er zu viel Trank und an einer Alkoholvergiftung starb. Es konnte den beiden einfach so viel zustoßen. Sie bedeuteten mir mehr als ich es zugeben wollte. Ich hasste sie, hasste sie sie mich und sich gegenseitig behandelten, doch ich liebte sie auch gleichzeitig. Ein kleiner Teil in mir hatte immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sie ihr Leben wieder in den Griff kriegen würden.

„Ach du Scheiße.", hörte ich es von links. Schnell wischte ich mir die herausgelaufenen Tränen aus meinem Gesicht und versuchte mich wieder zu fangen. Warum hatte er das nur mitbekommen müssen? Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße! Würde er das melden? Musste er das nicht sogar?

„Hast du den blauen Fleck von denen?", fragte er mich entsetzt, nahm mein Kinn in die Hand und betrachtete diesen. Tränen bildeten sich erneut in meinen Augen, denn es war zu viel. Der ganze Tag war einfach zu viel. Zuerst das mit Mr Downey, dann fragt ein Typ nach einem Date, ich bin pleite und komme nicht nach Hause, dann sieht mich aber Mr Downey, welcher mich in seinem teuren Auto nach Hause bringt und nun sieht er auch noch, wie scheiße mein Leben wirklich ist. Was sollte ich denn jetzt sagen? Lügen konnte ich ja schlecht. Nur würde ich ihm dass erzählen, es zugeben, dann... Was wäre dann?

„Fuck!", schrie er, hatte es sich scheinbar durch mein Schweigen erschließen können. „Was soll ich denn jetzt machen? Ich muss das melden!"

„Nein!", schrie ich aufgebracht. „Bitte nicht. Ich flehe dich an." Meine Stimme brach am Ende. Er schwieg, schien zu überlegen, als er schließlich laut seufzte und sich die Haare raufte.

„Warum hast du mir das nicht erzählt?"

„Ich kenne dich seit zwei Tagen und sonderlich viel über persönliches haben wir nicht geredet.", sagte ich und schaute ihn an.

„Ab jetzt erzählst du mir sowas.", meinte er bestimmend.

„Ich-", fing ich an, wollte protestieren, doch er unterbrach mich einfach: „Das war keine Frage!", sagte er harsch. Seine Stimme duldete keinerlei Wiederworte, also sagte ich nichts. Stattdessen holte ich mein Handy heraus, öffnete die Telefonapp und gab ihm dieses. Er schien direkt zu verstehen, was ich wollte, weswegen er eifrig seine Nummer eingab. Falls wirklich irgendwas passieren sollte, dann könnte ich ihn ja anrufen. Es würde zwar viel Überwindung kosten, doch es wäre vermutlich mein einziger Ausweg. Nach kurzer Zeit war er fertig und gab mir mein Handy zurück.

„Ich gehe jetzt. Danke fürs Fahren." Ich lächelte milde, schnappte mir meinen Ranzen und stieg aus.

„Schreib mir, wenn etwas ist. Egal was!" Ich nickte, machte die Tür wieder zu, holte meinen Schlüssel heraus und schloss die Haustüre auf. Ein letztes Mal guckte ich nochmal zurück, als ich auch schon schnell hineinging und gleich nach oben in mein Zimmer stürmen wollte, doch ich kam nicht weit. Im Flur saß meine Mutter schluchzend auf dem Boden und hielt sich den Kopf. Hatte er sie ebenso geschlagen? Ich musterte sie kurz, guckte, ob sie irgendwo blutete, doch das tat sie zum Glück nicht. In ihrer anderen Hand hielt sie eine Flasche Vodka, die halbleer war.

„Alles ok?", fragte ich vorsichtig nach. Sie schaute mich erschrocken an.

„Dein Vater ist mal wieder betrunken nach Hause gekommen und bestimmt hat er mit irgendeinem Flittchen geschlafen. Dieser Bastard kümmert sich einen scheiß um unsere Familie!" Sagt die, die mich schlug? Ich meine das taten beide und mein Vater war deutlich schlimmer als sie, doch sie war keine gute Mutter. Mit gerade einmal 20 Jahren hatte sie mich bekommen und sie hatte es wirklich versucht, doch irgendwann aufgegeben.

„Trink doch bitte nicht so viel.", bettelte ich sie fast schon an und wollte ihr die Flasche aus der Hand nehmen, doch sie schlug meine weg.

„Du hast mir gar nichts zu sagen! Du bist genauso wie dein Vater! Warum bist du eigentlich wieder so spät dran? Hast du Ärger in der Schule? Wenn ja bringe ich dich um!", schrie sie. Nicht heulen. Nicht jetzt. Zeige keine Schwäche. Erst recht nicht vor ihr.

„Wo ist Dad jetzt?"

„Ach was weiß ich. Ist mir auch egal. Soll der doch für immer wegbleiben!" Ich ging. Meine Tür schloss ich ab und mit den Nerven am Ende fing ich an zu Heulen. Schnell schlug ich meine Hand vor meinen Mund, damit sie das nicht hörte. Das tat ich immer. Geschafft ließ ich mich an meiner Tür zu Boden gleiten, zog meine Beine an mich heran und heulte. Warum musste mein Leben so sein? Waren konnte ich nicht zwei liebevolle Eltern haben? War das zu viel verlangt?

Forbidden Love (Teacher Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt