4. Blick

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Müde starrte ich meine Zimmerdecke an, als mein Wecker klingelte. Die Nacht hatte ich, wie schon befürchtet, kaum meine Augen zu bekommen. Gestern Mittag hatte ich mir irgendeine Ausrede einfallen lassen, doch meine Mutter hatte es mir nicht geglaubt gehabt, weswegen ich jetzt einen unübersehbaren blauen Fleck auf meiner Wange hatte. Es war nichts neues für mich, dennoch hatte ich danach bitterlich geweint gehabt und war kurz davor gewesen, mir sogar noch selber zusätzliche Wunden zuzufügen. Dann hätte ich aber einen langen Pulli anziehen müssen und einerseits wäre das viel zu warm gewesen, da es draußen um die 25 Grad Celsius waren und andererseits wäre es auch verdammt auffällig gewesen. Ich hatte mir außerdem vor den Ferien geschworen, es nie wieder zu tun, doch es war klar gewesen, dass ich es früher oder später wieder machen würde. Ohne konnte ich es einfach nicht aushalten. Es war so befreiend und lenkte mich von meinen psychischen Schmerzen ab, die ich sowieso die ganze Zeit verdrängte. Ich hatte mir seit drei Jahren eingeredet, dass mein Leben toll war und tatsächlich hatte es ein bisschen geholfen. Ob das so gesund war, war eine andere Sache.

Verbittert saß ich schon wieder an meinem Schminktisch und versuchte mit Foundation und Concealer, diesmal nicht nur meine Augenringe, sondern auch meinen blauen Fleck wegzuschminken. Man konnte natürlich beides weiterhin sehen, dennoch nicht mehr so sehr, dass man sich Sorgen machte. Ich schminkte mich schnell noch zu Ende, schnappte mir meinen Rucksack und stieg aus meinem Fenster, denn ich würde es nicht ertragen, jetzt noch meine Mutter zu sehen. Entweder wäre sie immer noch wütend auf mich oder tat so, als täte es ihr leid, wenn sie nicht schon betrunken in irgendeiner Ecke lag.

„Guten Morgen, Sonnenschein. Gut geschlafen?", fragte mich ein gut gelaunter Edward, der hinterm Steuer saß. Ich schenkte ihm nur einen bösen Blick.

„Anscheinend nicht.", lachte Tim erheitert.

Kurz nachdem wir Ashley abgeholt hatten, waren wir schon an der Schule angekommen. Zu meinem Glück hatte ich heute nicht Mathe und somit auch nicht ihn. Ja, ich fand es komisch ihn nach gestern noch meinen Lehrer zu nennen.

„Hast du die Hausaufgaben von vor den Ferien?", fragte mich Ash.

„Hausaufgaben? Über die Ferien?" Natürlich hatte ich sie nicht gemacht. War das überhaupt erlaubt? Welcher Lehrer gab denn auch über die Sommerferien etwas auf? Hatte er Langeweile?

„Mr Bires ist ein alter Sack. Der hat das bestimmt vergessen."

„Wenn der nicht sogar schon tot ist.", warf Tim ein. Ich mochte es nicht, wenn jemand solche Witze machte, doch ich blieb still. Sonst hatte ich eben Niemanden. Nur Ash und die Jungs. Auf meine Eltern konnte man ja nicht gerade zählen und einen Freund hatte ich nunmal auch nicht.

Brrrr. Wenig begeistert ging ich mit der ganzen Gruppe in den Englisch Unterricht. Insgeheim hoffte ich, dass sich Mr Bires wirklich verletzt hatte. Nichts großes! Nur so ein gebrochener Arm oder so. Im Klassenraum angekommen, stand jedoch nicht der Ende 50 Jährige Bires, sondern niemand anderes als Mr Downey. Scheiße. Der hatte mich auch noch schon gesehen, sonst wäre ich gleich gegangen.

„Komm schon, Ari.", meinte Ash und zog mich mit sich zu einem der hinteren Plätze. Mein Blick galt dennoch die ganze Zeit meinem unverschämt attraktiven Mathelehrer. Warum zum Teufel war er hier? Ich dachte ich hätte heute mal Ruhe von ihm? Gestern war es mit ihm... Er hatte einfach so eine große und gleichzeitig einschüchternde Wirkung auf mich, dass ich am Liebsten alles brav machen würde, nur damit ich von ihm Anerkennung bekam. Das lag wahrscheinlich auch an meiner gestörten Familie.

„Mr Bires hat sich leider eine Erkältung zugezogen, weswegen er heute nicht hier sein kann." Alle jubelten. „Dennoch hat er mir Aufgaben gegeben, die ich mit euch machen soll. Freut euch also nicht zu früh.", fuhr er fort und teilte schon mehrere Arbeitsblätter aus. Seine Bewegungen waren so, als würde er genau wissen, wie er sich zu bewegen hatte. Als er vor mir stand und ich seinen herrlichen Duft wahrnahm, wusste ich, dass das mit uns beiden ganz schlecht enden würde. Bedacht legte er die Arbeitsblätter auf meinen Tisch und um noch einen oben drauf zu setzen, fuhr er ganz langsam mit seinem Finger über das oberste Blatt, was eine Gänsehaut an meinem ganzen Körper hinterließ. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich ihn um einiges attraktiver fand, als zugegeben. Ich meine ich mochte zwar Schauspieler, die vermutlich so alt waren, wie er, doch dennoch war es etwas komplett anderes. Er stand vor mir, im hier und jetzt und nicht vor einer Kamera in einem Actionfilm.

„Ihr habt eine Stunde Zeit die Arbeitsblätter zu machen und den Rest habt ihr frei. Irgendwelche Fragen?" Warum sind sie so heiß? Gott Ariana reiß dich zusammen! Vielleicht sollte ich mich einfach auf die Aufgaben konzentrieren? Gute Idee!

Aufgabe 1: Verfasse einen Steckbrief über Charles Dickens. Ich überspring die einfach.

Aufgabe 2: Fasse den Text zusammen. Was für einen Text? Im Anhang finden sie diesen. Aha. Ich blätterte also weiter und schluckte schwer, als ich den viel zu langen Text überflog und da schon bemerkte, dass ich einfach nicht den Wortschatz dafür besaß.

Aufgabe 3: Verfasse einen Sachtext über das Schulgebäude und seine Geschichte. Schreibe mindestens 1000 Wörter. 1000 WÖRTER?! Was zur Hölle? Wie soll ich denn so viel über meine mickrige Schule schreiben? War das überhaupt möglich? Ganz ehrlich? Ich gab's auf. Nur was sollte ich denn jetzt die ganze Stunde machen? Ich würde einfach gehen, wenn Ashley gehen würde, doch die machte sogar die Aufgaben, was ich mit einem kurzen Blick an die Seite herausfand. Scheiße. Und was jetzt? Verzweifelt schaute ich mich nun weiter um, manche arbeiteten brav, andere spielten mit irgendwelchen kleinen Gegenständen rum und zwei Leute schliefen sogar. Mein Blick blieb schließlich bei Mr Downey hängen, der mich schon die ganze Zeit angeguckt hatte. Seine Augen strahlten so ein Selbstbewusstsein und gleichzeitig so eine Dominanz aus. Es ließ meinen ganzen Körper kribbeln und in einem Unterleib hinterließ es ein Ziehen. Er schien das irgendwie bemerkt zu haben, weswegen er breit grinste. Ich wurde rot und wandte meinen Blick ab. Wie sollte ich denn nur diese Stunde überstehen?

Forbidden Love (Teacher Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt