Anruf

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Die Limousine hielt vor einem schicken kleinen Gebäude in der Upper East Side im Nordosten Manhattans. Es war bereits später Nachmittag, als sie endlich ihr Ankunftsziel erreicht hatten. Das Zuhause von Emilia und Owen Miller. Einer der Bodyguards öffnete die Wagentür und Akihito kletterte hinter Asami aus dem Fahrzeug und blieb neben ihm stehen. Die Beisetzung war jetzt gerade einmal einen Tag her und Aki hatte sich den ganzen restlichen Tag nach der Beerdigung den Kopf darüber zerbrochen, wie er am einfachsten und schnellsten an Informationen über den Mörder kommen konnte. Und dann kam ihm tatsächlich der ersehnte Gedankenblitz. Zumindest wäre es ein Anfang. Owen hatte damals sein gesamtes Zuhause, bis auf die privaten Räume und Badezimmer, videoüberwacht.
Also-. Er hoffte zumindest, dass der alte Mann es immer noch getan hatte. Schließlich war der Jüngere nun doch schon eine Weile nicht mehr bei Owen gewesen. Der junge Japaner trat mit langsamen Schritten auf die Eingangstür zu und drückte den Knopf der Klingel. Hinter ihm stand der Yakuza mit seinem undurchschaubaren Blick und wartete ebenso darauf, dass ihnen die Tür geöffnet wurde. Aki wollte schon ein zweites Mal auf den Knopf drücken, als die Haustür plötzlich einen Spalt breit geöffnet wurde und jemand einen vorsichtigen Blick nach draußen warf. Emilia stand hinter der Tür und öffnete sie augenblicklich ganz als sie Akihito und Asami erkannte. Ein kleines Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht, Akihito trat ebenso lächelnd auf die junge Frau zu und umarmte sie zur Begrüßung. Als Aki von ihr abließ und wieder einen Schritt zurücktrat, nickte sie begrüßend dem Yakuza zu. „Asami-sama-", dann wandte sie ihren Blick wieder Akihito zu. „Was kann ich für dich tun?"
„Dürfen wir reinkommen Emi?"
Emilia trat einen Schritt zur Seite und verzog das Gesicht. „Entschuldigung ... aber natürlich ... kommt doch rein."
Die zwei Japaner und die Personenschützer traten an ihr vorbei und Akihito steuerte das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer an. Im Türrahmen blieb er jedoch stehen und sah sich um, fing an zu schmunzeln, als er seine Umgebung betrachtete.
„Hier hat sich ja überhaupt nichts verändert."
Emilia trat an ihren Gästen vorbei und lachte ein herzliches leises Lachen. „Nein ... hat es nicht. Es ist eigentlich immer noch alles genau so, wie du es kennst. Und so wird es auch bleiben."
„Du wirst nicht ausziehen?"
„Nein, hier bin ich aufgewachsen. Ich liebe dieses Haus und werde es nicht verkaufen. Setzt euch doch...", Emilia deutete auf die Sitzgelegenheiten. „Wollt ihr etwas trinken?"

„Tee ... Wenn du hast?"

„Klar habe ich Tee im Haus. Wollt ihr beide einen?"

Asami sah sie freundlich an. „Ja, gern."

Es dauerte nicht lange, dann kam Emilia auch schon mit einer wundervoll riechenden Kanne gefüllt mit frisch aufgebrühtem Tee zurück ins Wohnzimmer und schenkte beiden Männern eine Tasse voll ein. Setzte sich anschließend und beobachtete beide. „Nun, Akihito ... warum seid ihr hier? Ich freue mich natürlich, aber es muss einen Grund dafür geben."
Sie sah ihn fragend an, dann schenkte sie sich ebenfalls eine Tasse voll von dem dampfenden Getränk ein.
Akihito nippte vorsichtig an seiner Tasse und stellte sie dann seufzend wieder auf den kleinen Glastisch. „Du hast recht Emi. Es gibt einen Grund. Weißt du, dass Owen fast das ganze Gebäude überwacht hat?"
Akihito musterte die junge Frau und ließ sie nicht aus den Augen. Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch, bevor sie wieder zu Aki sah. „Ich weiß davon, wir hatten sogar des Öfteren Streit deswegen, obwohl ich jetzt tatsächlich froh darüber bin, dass er sich durchgesetzt hat und die Kameras weiterhin angeschaltet waren."
„Kannst du mir bitte die Aufnahmen schicken, sie helfen mir hoffentlich weiter!"
Emilia stand auf und lief erneut aus dem Wohnzimmer, nur um kurze Zeit später wieder mit einem Laptop in der Hand zurückzukommen. „Wohin soll ich sie schicken?"
Akihito nannte der jungen Frau seine E-Mail-Adresse bevor er einen erneuten Schluck aus der filigranen Teetasse trank.
„Wie habt ihr euch denn eigentlich kennengelernt?"
Emilia lehnte sich zurück und sah von einem zum anderen. Aki lachte kurz auf, bevor auch er sich zurücklehnte und sich mit einer Hand durch das Haar fuhr. „Das ist eine ziemlich verrückte, lange und unglaubliche Geschichte."
„Ich würde sie trotzdem gerne hören. Habt ihr heute sonst noch etwas vor?"
Asami griff währenddessen in die Tasche seines Jacketts, zog seine Zigarettenschachtel heraus, klemmte sich eine zwischen die Lippen und zündete sie an, nahm einen tiefen Zug, dann lehnte er sich lässig in dem bequemen Sessel, in dem er saß, zurück. „Dürfte ich mir in der Zwischenzeit die Videoaufnahmen ansehen?!"
Emi verstummte und richtete ihre volle Aufmerksamkeit auf den älteren Japaner. „Wenn Sie möchten, natürlich, Mr. Asami. Allerdings sind sie nichts für schwache Nerven."
„Die habe ich nicht. Darf ich!?"
Asami streckte seine Hand nach vorne und griff nach dem Laptop. Legte sich ihn auf die übereinandergeschlagenen Beine und nahm einen erneuten Zug von seiner Zigarette, bevor er das erste Video abspielte. Die Aufnahmen wurden für den jeweiligen Tag abgespeichert und so musste der Mafioso erst einmal den passenden Tag auswählen und anschließend den Vormittag und frühen Nachmittag überspringen. Bevor er tatsächlich den Anfang fand, an dem das Haus von bewaffneten Männern gestürmt und durchsucht wurde. Es befand sich zu diesem Zeitpunkt anscheinend nur Owens Tochter zu Hause, denn schon kurze Zeit, nachdem eingebrochen wurde, sah man wie die junge Frau in den Flur geschleift wurde. Doch von ihrem Vater war nichts zu sehen. Sie wurde nicht gerade sanft behandelt, aber anscheinend hatten es die Kerle in der Tat nicht auf die junge Frau abgesehen. Zwar wurde sie an Händen und Füßen gefesselt und unsanft auf den Boden geschmissen, doch nicht schwerwiegend verletzt. Bei dem Mann, der eine Weile später nichtsahnend nach Hause kam, sah die Sache allerdings schon anders aus. Zwar versuchte er, sich zu wehren und seiner Tochter zu helfen, doch gegen die Männer hatten sie beide nicht den Hauch einer Chance. Asami konnte leider kein Wort, von dem verstehen, was gesprochen wurde, dafür war die Qualität der Kameras einfach zu schlecht, doch es war gut zu erkennen, dass Owen den Männern nicht die gewünschten Informationen gab. Sie folterten ihn regelrecht bevor sie ihn vor den Augen seiner Tochter mit einem Kopfschuss hinrichteten. Asami sah sich alles genau an, ohne auch nur den Ansatz einer Gefühlsregung zu zeigen. Nicht einmal seine Augen gaben etwas Preis. In der Zwischenzeit hatte Akihito angefangen, Emilia zu erzählen, was sie wissen wollte. Da sie ja bereits wusste wie und wo er seine Kindheit verbracht hatte und wer seine Eltern waren, begann er mit seiner Geschichte ab dem Zeitpunkt, an dem Giuseppe ihn nach Tokyo gebracht hatte. Er erzählte ihr von seinem Job als Kellner. Bei dieser Information musste sie bereits das erste Mal das Gesicht verziehen. DER Akihito Jovonovich/ Takaba-. Ein Kellner. Doch Aki ignorierte sie gekonnt und erzählte weiter. - wie sich ihr Verhältnis zueinander entwickelte und schließlich Asami's Entführung und Rettung bis zum jetzigen Zeitpunkt. Emi hatte dem Yakuza immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen, doch diesen schienen Akihito's Schilderungen nicht weiter zu kümmern, und sah die ganze Zeit auf den Bildschirm des Laptops, spulte immer wieder vor und zurück, bis er schließlich dazwischen sprach. „Wer auch immer diese Männer sind ... sie wissen, was sie tun. Es sind keine Amateure, die einfach mal so jemanden umbringen. Sie wissen, wie man jemanden foltert, ohne ihn sofort zu töten. Ich kenne die Methoden, die diese Männer anwenden. Sie werden gerne von den verschiedenen Organisationen verwendet, um jemanden zum Reden zu bringen, da sie nicht viel ‚Dreck' verursachen. Er ist ein Profi und auf jeden Fall nicht zu unterschätzen. Allerdings kann ich auf ihm keine Tätowierungen oder andere Merkmale erkennen, die uns mehr über ihn verraten würden."
Akihito sah zu seinem Yakuza, „ aber wir haben sein Gesicht, oder?"
„Ja. Immerhin!"
Akihito lehnte sich wieder entspannt nach hinten in die weichen Kissen und streckte sich, „Wir werden jetzt wieder zurück ins Continental fahren, dort sehe ich mir das Video selber mal an. Vielleicht fällt mir ja noch etwas auf. Was ich zwar irgendwie bezweifle. Aber wer weiß. Finden werde ich den Scheißkerl auf jeden Fall."
Aki griff nach seinem längst kalt gewordenen Getränk und trank die Tasse leer während Asami den letzten Zug von seiner bereits vierten Zigarette nahm und sie dann ebenfalls sowie die restlichen in dem bereitgestellten Aschenbecher ausdrückte. Den Laptop auf den Tisch stellte und sich schließlich erhob. Akihito tat es seinem Geliebten gleich und Emilia begleitete sie zur Haustür. Dort verabschiedeten sie sich voneinander und die beiden Japaner stiegen wenig später wieder in die Limousine um sich auf den Weg zum Hotel zu machen. Nach der etwas länger andauernden Fahrt dank dem, trotz der späten Uhrzeit, dichten Verkehr, erreichten sie wohlbehalten das Continental-Hotel. Asami berührte seinen Kleinen leicht an der Schulter, als das Gebäude in Sicht kam. Der Jüngere war doch tatsächlich an der Seite des Yakuza eingeschlafen. Nun blinzelte er etwas verschlafen und setzte sich wieder gerade auf den bequemen Sitz. „Verdammt." Asami kicherte und wuschelte seinem Killer zärtlich durch die Haare. Aki verzog lächelnd das Gesicht und kletterte hinter dem Älteren aus dem nun parkenden Wagen, lief mit ihm zusammen die Stufen hinauf und machte sich auf den Weg zur Suite. Dort angekommen zog er sich noch auf dem Weg ins Wohnzimmer sein Jackett, Hemd, Schuhe und Hose aus. Ließ alles der Reihe nach auf den Boden fallen, bevor er sich im Wohnzimmer angekommen mit dem Gesicht voraus und nur noch mit Boxershorts bekleidet auf das Sofa fallen ließ. Er atmete hörbar laut aus und blieb einfach so liegen. Spürte regelrecht den durchdringenden Blick des Mafioso hinter sich. So als würde der Ältere ihm gerade nur mit seinem Blick die Boxer über die Pobacken nach unten ziehen. Akihito kicherte in das Kissen, in das er in diesem Moment sein Gesicht presste. Doch nichts passierte. Anscheinend genoss Asami einfach nur den Anblick, welcher sich ihm bot, nicht sicher wo und wie er beginnen sollte. Aber bevor der Ältere sich für eine Oberfläche entscheiden konnte auf der er seinen Kleinen als erstes ficken würde, stand dieser mit geschmeidigen Schritten auf und lief zur Bar. Nahm ein frisches Glas und schenkte einen großzügigen Schluck von Asamis Whisky ein. Trat langsam vor den Yakuzaboss, reichte ihm das Glas, dann begann er mit geschickten Fingern den Knoten der Krawatte zu lösen. Asami hielt das Whiskyglas in einer Hand, nahm einen kleinen ersten Schluck und fixierte den Jüngeren mit seinen goldenen Augen. Beobachtete jeden Handgriff. Nach der Krawatte, die nun ebenfalls auf dem Boden lag, folgte das teure Jackett und Waffenholster inklusive Pistolen. Als sich Aki gerade an den Knöpfen des Designerhemdes zu schaffen machte, klingelte plötzlich Asamis Handy in seiner Hosentasche. Akihito verzog genervt das Gesicht und Asami knurrte, verärgert über die Störung in diesem so unpassenden Augenblick. Griff dennoch nach seinem Handy und zog angesichts des Namens auf dem Telefon die Augenbrauen nach oben. Es war schon eine Ewigkeit her, seitdem dieser Namen auf seinem Display erschienen war. „Yoh ...?!" Nur Sekunden später klingelte Akihito's Mobiltelefon ebenfalls. Der Kleine lief zu seiner Jacke, die immer noch auf dem Boden lag und zog es verwundert heraus, sah zu Asami, der nun still und mit großen Augen Yoh zuhörte. Nahm dann seinen eigenen Anruf entgegen, „Tao ... Was ist passiert?!"
Akihito schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus.
„Akihito ...", hörte er die zittrige abgehackte Stimme des jungen Chinesen am anderen Ende der Leitung, „-Akihito ... Feilong-sama ... Feilong-sama wurde ... er wurde angeschossen! Ihm geht's gar nicht gut ... Akihito-", dann brach die Stimme des Jungen komplett und er hörte nur noch die verzweifelten Schluchzer.

Kein Entkommen - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt