PART 01, was mir das wasser gab

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November 2016St Petersburg

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November 2016
St Petersburg

„Du ruinierst meinen Boden", zischte die Frau hinter dem Empfangstresen bedrohlich, während sie den Grund ihrer Verstimmtheit mit einem besonders herablassenden blick über ihre dunkelrote Brille bedachte. Diese ganz passend zu ihrem schulterlangem Dunkelroten Haar.

„Oh Verzeihung, ich wusste nicht, dass das dein Boden ist. Vergib mir wenn ich drauf laufe." Der junge Mann, der gerade eben noch durch die kalten und verregneten Straßen von St Petersburg gerannt war, schenkte der Frau hinter dem massiven Holzschreibtisch einen demütigen Hofknicks und ein besonders aufgesetztes Lächeln, welches nur zu gern erwidert wurde.

Der Novemberregen hatte augenscheinlich keinen Zentimeter verschont. Seine durchnässten Klamotten hingen schwer an ihm und hinterließen bei jedem Schritt ein paar Tropfen auf dem klinisch weißen Fußboden, die sich langsam aber sicher zu einer kleinen Pfütze zusammenschlossen.

Weißblonde Haare klebten ihm nass vom Sturzregen und verschwitzt vom Rennen dicht an der Stirn. Wie auch seine leider nicht regentaugliche Jacke, hätte er sich am liebsten gleich mit auf die Heizung neben der Garderobe zum trocknen hingelegt.

Die pechschwarzen Boots, die der Mann heute trug, quietschten bei jedem einzelnen Schritt über den Gummiartigen Klinikfußboden, doch zog er sie kurzerhand aus und stellte sie neben die hochgedrehte Heizung.

Der plötzliche Wechsel von nass-kalter spät Herbstluft in beinahe erdrückende Hitze, die ihm sogleich entgegenschlug als er das Gebäude betreten hatte, erinnerte ihn nur zu sehr an die wärmenden Umarmungen seiner Zwillingsschwester an kalten Winterabenden. Er hatte sie zu lange nicht mehr gesehen.

„Du bist zu spät, mal wieder." Die Frau mit der roten Brille, ihr Name war Vic, so besagte es jedenfalls ihr Namensschild, tippte ohne von ihren Akten aufzuschauen auffordernd auf die zerkratze Armbanduhr an ihrem rechten Handgelenk.

Der Mann schnaubte nur verächtlich und schüttelte seinen Kopf, so dass die weißblonden Haare an Wasser verloren.

Gerade schon wollte er Richtung Treppe der Empfangsdame entfliehen, da entschied er sich noch einmal um und schlich mit einem hinterlistigen Grinsen auf den Schreibtisch der Dame zu, die tief in ihren Akten versunken war. Genauer gesagt auf die kleine Bonbon Schale, die nah an der Kante auf dem schweren hölzernen Schreibtisch stand.

Sein Plan, heimlich ein Pfefferminz Bonbon aus der grob geschliffenen Tonschale zu stibitzen, wäre fast aufgegangen. Hätte das quietschen seiner ebenfalls klatschnassen kobaltblauen Wollsocken, die seine Schwester ihm zum letzten Weihnachtsfest gestrickt hatte, ihn nur nicht verraten.

Seine ausgestreckte Hand musste wohl oder übel mit der zusammengerollten Zeitung der Empfangsdame Bekanntschaft machen.

Zischend und sich verstimmt die Hand reibend, schulterte er seine dunkle Umhängetasche und flüchtete schließlich doch die Treppe hinunter in das düstere Erdgeschoss des Gebäudes, um zeitig die Umkleiden zu erreichen.

STRANGE MEMORIES, pietro maximoffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt