Februar 2017 (2 Monate später)
ParisDas leise Summen eines slawischen Schlafliedes begleitete sie im Halbschlaf, sie bekam es nur nebenbei mit, aber es war da. Es musste eine Ewigkeit her sein, als sie es zu letzt gehört hatte. Genau genommen waren es sechzehn Jahre gewesen, in denen er es nicht mehr für sie gesungen hatte.
Es war später Abend und die Dunkelheit hatte sich über die schlafende Stadt gelegt, wie eine kuschelige warme Decke, gemacht aus einem Stück Sternenhimmel.
Die letzten Wintermonate hatten sie in Frankreich verbracht, Paris, genauer gesagt. In einem kleinen alten Apartment am Rande der Stadt hatten sie ihre Unterkunft gefunden. Die Wohnung lag direkt über einem kleinen, nicht viel besuchten Lebensmittelladen. Andrej war ebenfalls bei ihnen mit eingezogen. Die Mietpreise in der Hauptstadt waren hoch und viel Geld hatten sie im Moment nicht zur Verfügung.
Schneeflocken rieselten leise vor dem kleinen Dachfenster zu Boden. Nur ein paar Laternen erhellten die leeren dunklen Straßen.
Nadija streckte und räkelte sich müde, als sie aus ihrem leichten Dämmerschlaf erwachte. Mit dem Fuß wirbelte sie das warme Wasser umher. Die kleinen Wellen stießen an den Rand der Badewanne und warfen schimmernde Lichtreflexionen gegen die Wand.
Der Schaum auf der Wasseroberfläche duftete nach Orangen, kleine Seifenblasen flogen leicht umher. Eine schwebte langsam über die Wanne hinweg, sie schimmerte in den schönsten Grün- und Rosa-Tönen. Bevor sie in der Luft von selbst zerplatzen konnte, schnappte jemand danach und die kleine Seifenblase zerfiel in winzig kleine Tropfen.
Nadija musste kichern als Pietro seine Hand wieder zurückzog, die nächste umherfliegende Blase mit den Augen verfolgend.
Er saß auf dem Teppich neben der Badewanne, in einen dicken Pullover gehüllt. Denn anders als seine letzte Wohnung, hatte diese keine gut funktionierende Heizung.
Schon nach weniger als zwei Wochen nach ihrem Einzug hatte die Heizung sie im Stich gelassen und jemand musste erst vorbeikommen um sie zu reparieren.
Doch obwohl sie daraufhin wieder funktionierte, wollte sie nur auf halber Leistung laufen und die Wohnung blieb größtenteils kalt. Nur in Bad und Küche waren angenehme Temperaturen, so fand man die Bewohner meist auch dort vor.
Der Raum war voller Wärme, Wasserdampf stieg aus der heißen Wanne empor und versuchte sich am Fenster darüber festzuhalten. Die Fensterscheibe war längst beschlagen und kleine Eiskristalle sammelten sich darauf. Ein kalter Wind drückte von außen gegen die Hauswände. Nadija fühlte sich wie benommen, die Wärme hatte sich um sie gelegt und sanft eingelullt. Sie kam sich vor wie in einem Traum, schläfrig war sie und wenig zuvor auch schon einmal kurz beinahe eingeschlafen.
Pietro summte immer noch sein Lied. Leise und rhythmisch, es hallte sanft an den Wänden im kleinen Bad wider. Das war ihr persönliches Schlaflied, es war nur für sie.
Das lange braune Haar lag ihr nass und schwer auf den Schultern, ihre müden Augen suchten die seinen. Ruhelos war sie gewesen, doch jetzt war sie beruhigt.
Sie streckte ihre warme Hand nach ihm aus, seine kalten Finger griffen nach ihrer. Er hörte auf zu summen und musterte aufmerksam ihr schläfriges Gesicht.
„Sing weiter. Jetzt haben wir Zeit", flüsterte sie ihm zu, um die angenehme Ruhe nicht zu stören.
Er lächelte sanft und drückte kurz ihre Hand. „Später, der Abend fängt gerade erst an."
„Sicher? Ich glaube das Bett hat schon nach mir gerufen", nuschelte sie und um ihre Aussage zu unterstreichen rieb sie sich gähnend die Augen. „Es ist dunkel und kalt, wo sollten wir hingehen?"
Schmunzelnd griff Pietro in seine Hosentasche und zog drei Karten heraus, die er Nadija voller stolz präsentierte. Diese schien wenig erfreut darüber dafür die warme Badewanne verlassen zu müssen und zog eine enttäuschte Miene.
„Was ist das?", fragte sie und betrachtete die bedruckten Karten in seiner Hand.
„Eintrittskarten. Für das Theater. Wir haben einen neuen Auftrag." Als das Wort Theater seinen Mund verließ, verflog jedes bisschen an Müdigkeit aus Nadijas Gesicht.
Grinsend griff sie nach dem Papier um es genauer zu betrachten. Ein Theaterstück, das wollte sie sich schon immer mal ansehen. Einer ihrer größten Träume würde wahr werden. Jahrelang hatte sie getanzt, doch nie hatte sie die Stücke selbst sehen können. Als sie noch in Petersburg waren, hatte Pietro ihr versprochen, dass sie eines Tages gemeinsam in eine Aufführung gehen würden. Aber nach jüngsten Ereignissen waren sie gezwungen gewesen, gewisse Pläne auf unbestimmte Zeit aufzuschieben.
„Nächster halt: Das Theater. Aber nicht die Arbeit vergessen." Pietro hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen federleichten Kuss darauf.
„Ach würden doch alle Träume irgendwann wahr werden!", rief Nadija impulsiv in den Raum hinein. Kurz erschrocken über die ungewollte Lautstärke hielt sie sich glucksend die Hand vor den Mund, was Pietro ein lautes seliges Lachen entlockte.
Ein Klopfen an der klappernden alten Badezimmer Tür riss die Beiden wieder aus ihrer kleinen Traumblase. „Auf jetzt, wir haben viel zu tun!", hörten sie Andrej auf der anderen Seite sagen.
»Ende«
«(Fortsetzung folgt)»
DU LIEST GERADE
STRANGE MEMORIES, pietro maximoff
Fanfiction✧・゚: PIETRO MAXIMOFF war kein Held, da Helden für gewöhnlich nicht vergessen wurden. (Denn für einige scheint er nie existiert zu haben.) Der Wolf und das Lamm. Nach dem Fall von Sokovia versucht Pietro Maximoff den Weg in ein normales neues Leben...