PART 10, ich bin nicht wer ich war

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Schweigend saßen sie sich gegenüber

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Schweigend saßen sie sich gegenüber. Hin und wieder trafen verstohlenen Blicke aufeinander, doch beide konnten den Blick des anderen nie lange halten.

Nadija sah in seinen dunkelblauen Augen nur eisige Kälte, so kalt wie der Winter selbst. Es lag Unruhe darin, seine aufkeimenden gemischten Gefühle konnte er jetzt nicht mehr gut verbergen. Sie wirbelten wie ein wütender Schneesturm umher und bedeckten wie heimliche Schneeflocken sein Gesicht.

Pietro sah in ihren grünen Augen einen unendlichen Sommer und das weite Grasmeer, in dem sie einst vor langer Zeit, gemeinsam gelegen und die Wolken bestaunt hatten. Doch auch er spürte ihre Ruhelosigkeit, die jetzt beide besaßen, denn auch in ihr tobte ein leiser Sturm.

„Wie-Wieso erinnere ich mich nicht daran?" Fragend sah sie ihn nun an und versuchte seine umher huschenden Augen zum Stillstand zu bringen.

All ihre Fragen hatte sie in der letzten Stunde zwar recht zurückhaltend, doch sehr direkt gestellt. Weder Nadija noch Pietro mochte es wenn man zu lange um das eigentliche herumsprach. Doch Pietro hatte nicht zu jeder Frage eine Antwort gewusst. Wie auch einige Male zuvor schon, hatte er bei dieser Frage nur mit den Schultern gezuckt und den Blick wieder abgewendet.

Jetzt betrachtete er den bronzegefärbten Kerzenhalter auf der ihm gegenüberliegenden Fensterbank, zu sehen war er nur wenn er sich sacht auf seinem Stuhl zur Seite lehnte und über Nadijas Schulter hinwegsah. Ein paar Wachstropfen rollten an der dünnen heruntergebrannten Kerze hinab und hinterließen Flecken auf dem kalten Stein der Fensterbank.

„Nein, wie solltest du auch? Du kannst es ja gar nicht wissen. Denn zu letzt haben wir uns im Waisenhaus gesehen, als wir Kinder waren?" Nadija betrachtete nachdenklich ihre Hände und kratzte an den Überresten des schwarzen Lacks auf ihrem Ringfinger. Sie blickte kurz auf als er ihr antwortete, richtete den Blick dann jedoch auf seine Hände, die gefaltet auf dem Tisch lagen. Er drehte sacht an dem Ring an seinen Zeigefinger während er Sprach.

„Ja, das war so ziemlich das letzte mal." Er richtete sich auf und sah ihr dabei fest in die Augen. Sein Blick duldete keine Widerrede und wie er sprach bedeute ihr, wie sicher er sich seiner Sache war. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und legte erneut seine gewohnte grimmige Miene auf.

Und doch hatte sie das ungute Gefühl, dass er sie anlog. Oder zumindest nicht ganz die Wahrheit sagte. Einen Teil ließ er wohlmöglich aus, vielleicht sogar den Wichtigsten. Die Bilder ihres nächtlichen Traums schlichen sich in ihre Gedanken. Er war kein Kind mehr gewesen.

Es fiel ihr schwer ihn einzuschätzen, er war sehr ruhig und wirkte wie jemand der ehrlich und doch gleichzeitig verschwiegen war.

Manche Menschen konnte man lesen wie ein offenes Buch, wenn man ihnen ins Gesicht sah konnte man ihnen all ihre Gedanken und Gefühle ansehen. Verstecken konnten sie diese nicht gut und lügen war für sie fast unmöglich.

Doch dann gab es noch jene, die man nicht lesen konnte. Ihre Gefühle verbargen sie unter kalten Masken, versteckt vor aller Augen. Sie konnten einem die schönsten Geschichten erzählen, die man für wahr hielt, doch frei erfunden waren.

Aber manchmal, wenn man genau hinsah und gut darin war sie zu erkennen, konnte man es in ihren Blicken lesen.

Zur letzteren Art gehörte auch Pietro, er war wirklich ein ausgesprochen guter Lügner. Ebenso wie Nadija.

Skeptisch legte sie ihren Kopf zur Seite und nickte, ihre Gedanken hinter einer starren Maske verborgen. Schnaubend schüttelte sie daraufhin den Kopf und biss sich auf die Lippe.

„Warum, warum hast du mir das alles nicht früher gesagt? Ich bin seit Tagen, Wochen hier und ich frage mich was mit mir passiert ist. Ich weiß ja nicht mal, wer ich überhaupt bin. Und du wusstest es die ganze Zeit und sagst nichts?" Ihr blasses Gesicht verzog sich zu einer wütenden Miene. Schmerz und ein Hauch von Verrat zeichnete sich darauf ab.

Der Grimm in seinem Ausdruck legte sich. Er entfaltete seine Hände und legte seine linke Hand vorsichtig auf die ihre um sie fest zu drücken. Seine Hand war jetzt warm, wie die ihre. Sie konnte kleine rauen Kerben in seinen Fingern und auf der Handfläche spüren.

„Ich weiß, das war falsch von mir. Ich wollte dich nur davor beschützen. Vor dem belastbaren Wissen der Vergangenheit. Der Rote Raum ist gefallen, er ist fort und du bist frei, ich hatte gehofft du könntest auch ohne die schreckliche Last der Vergangenheit ein neues Leben anfangen, ein besseres Leben." Sanft streichelte er mit seinem Daumen ihren Handrücken. Die rauen Kerben kratzten auf ihrer Haut und sie sah automatisch zu ihren verschränkten Händen hinab.

„Ich sollte wohl weniger schnitzen", murmelte er wie zu sich selbst, doch Nadija hatte es gehört und ein schüchternes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Eine unerwartete Wärme breitete sich in ihr aus.

Verlegen zog sie jetzt ihre Hand zurück und rieb sich das müde Gesicht.

„Aber wie soll ich ein besseres Leben anfangen, wenn ich nicht weiß wer ich bin, wer ich war?" Ihre Stimme brach und es war nicht mehr als ein Flüstern. Die fehlenden Erinnerungen plagten sie. Tränen brannte hinter ihren Augen und wollten sich in Bächen ihre Wangen hinunterstürzen, doch sie hielt sie zurück.

Zu lange hatte sie jetzt jegliche Gefühle unterdrückt und sich selbst davon abgehalten vor Verzweiflung zu weinen. Aber irgendwann würde es zu viel werden und sie könnte es nicht mehr aufhalten. Dieses irgendwann war jetzt.

Die Tränen rollten ihr unkontrolliert über die geröteten Wangen und fielen auf die hölzerne Tischplatte. Leises Schluchzen begleitete die salzigen Tropfen und Nadija versuchte sich verzweifelt an ihrem Stuhl festzuhalten.

Ein Hauch von Zedernholz und kalter Luft umgab sie unerwartet und das schmerzhafte Ziehen in ihrem Brustkorb ließ allmählich nach, als Pietro seine wärmenden Arme um sie schlang. Und für den Moment fühlte sie sich mit einem Mal sicher und geborgen. Ihr bebendes schluchzen ließ langsam nach während ihre Tränen den Kragen seines dunkelblauen Pullovers durchnässten.

Die warme Umarmung erinnerte sie an ihre längst vergangen Kindheit, doch sie war nicht länger einsam und verloren.

In mitten des großen Sturms, der in ihnen tobte, hielten sie sich aneinander fest. Das einzige wonach sie greifen konnten während die dunklen Klauen des Sturms nach ihnen griffen und zerrten.

 Das einzige wonach sie greifen konnten während die dunklen Klauen des Sturms nach ihnen griffen und zerrten

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STRANGE MEMORIES, pietro maximoffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt