The Sign

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Die Perle flog höher als ich dachte.
Ohne abzuwarten stieß ich mich hoch, auf die Knie und wurde vom Schwung der Kugel nach hinten gerissen, als ich sie fing. Mit einem Schrei umklammerte ich sie krampfhaft, während ich nach hinten fiel und die kleine Anhöhe runterrollte.

Endlich stoppte ich und blieb auf dem ebenen Boden liegen. Verwundert richtete ich mich auf und betrachtete das Artefakt in meinen Händen. Es war schwerer und größer als es aussah, so groß wie mein Kopf und schwer wie ein Eimer Wasser. Kein Wunder, dass es mich umgeworfen hatte. Sein Licht erhellte mich im strahlendem Weiß und im Inneren dieser Kugel erkannte ich etwas.

Gerade kniff ich noch die Augen zusammen, als plötzlich etwas geschah. Ich spürte, wie die Unterseite der Perle nass wurde und bevor ich mich rühren konnte, fielen Wassertropfen Richtung Erde. Verwirrt blickte ich ihnen hinterher, ohne einen Plan woher sie gekommen waren. Doch die Flüssigkeit traf nicht das Laub, im Gegenteil.

Kurz vor ihrem Aufprall zerstoben die Spritzer und lösten sich in einem dicken, weißen Nebel um mich herum auf. Wie Wolken zogen sie ihre Kreise um mich, während ich mir nicht sicher war, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Was sollte das?

Da ertönte die wütende Stimme der Obersten und ich erschrak, aus meinen Gedanken gerissen. Es folgte ein Rascheln und Trappeln, was auf mein Versteck zugeeilt kam.
Sie würde wahrscheinlich gleich bei mir sein, für meinen Geschmack war es zu früh sich mit einem Drachen anzulegen...

Adrenalin stob durch meine Adern und die Worte von Tarus schossen mir durch den Kopf. Panisch ließ ich die Kugel fallen, sprang auf und rannte durch den Nebel.
Doch ich kam nicht weit.
Ein Rauschen drang an meine Ohren, erst hinter, dann über mir und im nächsten Augenblick landete der graue Gigant an Drache vor meinen Füßen.

Wieder schrie ich, von Angst gepackt und stolperte zurück. Allerdings befand sich dort eine Baumwurzel und ich fiel zu Boden. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen, als ich kläglich zurückwich und die Augen auf das Wesen vor mir geheftet ließ.

Die Furcht nagelte mich geradezu in Grund und Boden fest, mein Körper zitterte in Gewissheit, dass ich nicht schnell genug laufen könnte.
Vielleicht zitterte ich aber auch, weil der Anblick dieses Monsters mich gerade traumatisierte.

Die Pupillen der Obersten hatten sich zu Schlitzen verengt und ihre Ohren legten sich an den Seiten ihres Kopfes zornig an. Ein einzelner, blauer Funke sprang aus der glimmenden Narbe unter ihrem Auge und segelte zwischen das Laub.
Das war wohl der Startschuss.

Ein lautes Grollen drang aus der Kehle der Obersten, als sie ihre etlichen messerscharfen Zähne entblößte und rasend schnell auf mich zulief.
Ihr langer Meeresschwanz peitschte im Lauf gegen die Stämme der Bäume und zerfetzte deren Rinde wie Papier.

Aus irgendeinem Grund kam mir der Gedanke auf einen Baum zu klettern und eine Erinnerung aus der Grundschule ploppte in meinem Gehirn auf.
Ein Förster hatte uns mal gesagt, was man machen sollte, wenn man Wölfen begegnet. Bei Einem sollte man sich zurückziehen, bei Zweien auf einen Baum klettern und bei Dreien beten.

Diese Idee war aber ohnehin längst hinfällig, weil ich erstens, noch nie auf einen Baum geklettert war.
Zweitens, mir keine Zeit mehr dafür blieb.
Und drittens, mir sicher war, dass dieses Wesen eher ein ganzes Rudel Wölfe repräsentierte als zwei oder drei.
Und das hieß wohl beten.

Doch noch bevor ich gläubig werden konnte, sprang ein Schatten an meine Seite. Überrascht blinzelte ich in die Dunkelheit und erschrak. Diesmal setzte mein Herz für ein paar Sekunden aus. Denn mein Bruder stand neben mir, wie ich in Hoodie und Jeans gekleidet und vollkommen übermüdet.

Noch nie hatte ich ihn so verängstigt gesehen. Seine Augen waren starr und aufgerissen, als würde er nicht mehr blinzeln können, dabei stand er wahrscheinlich unter Schock.
Was tat er hier?!

Bastiano packte panisch meinen Arm und versuchte wie verrückt, mich hochzuziehen.
,,Lauf! Lauf!", schrie er.
Meine Instinkte übernahmen die Kontrolle. Gleich war die Oberste bei uns, jetzt oder nie! Schon stand ich und wurde von meinem Bruder grob mitgerissen, gerade noch rechtzeitig.
Ein paar Sekunden später gruben sich dort wo ich gelegen hatte, die langen Krallen des Drachen in die Erde.

Mein Bruder und ich rannten so schnell es ging, zurück Richtung Waldlichtung. Wir stießen schon fast durch die Büsche vor uns, als zwischen ihnen Tarus hervorpreschte. Rasch duckte ich mich, während mein Bruder sich mit einem erschrockenen Laut auf den Waldboden warf.

Flink flog der Eingeweihte über uns hinweg und stampfte seine Klauen einen halben Meter vor der Obersten in den Grund.
Er stellte sich schützend vor mich und stoppte die Drachin mit einem brüllenden, tiefen Schrei, der mir später noch in den Ohren hämmerte.

Überrumpelt bremste sie vor ihm und keifte Tarus, weiterhin wutentbrannt, an. Wobei ihr Schwanz weiterhin heftig ausschlug, wie eine tödliche Peitsche.
,,Tritt beiseite, Tarus! Oder das letzte was du spürst sind meine Krallen in deinem Herzen!"
Ihr musste viel an unserem Tod liegen, wenn sie dafür ein Drachenleben opfern würde. Aber bloß nicht Tarus!

,,Bitte nicht!", piepste ich hervor, wagte es aber nicht, mich zu regen oder gar zu atmen. Tarus schob mich sachte mit seinem Meeresruder mehr hinter sich und ich blickte verzweifelt zu Bastiano.
Er lag immer noch zwischen den Blättern, doch starrte er mich nun verdattert an. Da machte mein Bruder endlich den Mund auf.

,,Cool...", flüsterte er und sein einer Mundwinkel zuckte kurz nach oben.
Ja, von wegen cool. Diese irre Bemerkung gab mir gerade irgendwie den Rest und ich merkte plötzlich, wie Tränen meine Wangen hinunterliefen.
Die letzten Stunden waren einfach zu viel für mich gewesen und die Angst saß mir immer noch in den Knochen.

My Bike TarusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt