Souls - Die letzte Seele | Grman

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Als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegreißen schnelle ich hoch und starre atemlos ins Nichts. Kalter Schweiß rinnt über mein ganzes Gesicht und wundere mich den plötzlich hell beleuchteten Raum. Ich brauche einige Zeit, um zu verstehen, dass ich nicht mehr im Schloss des Herren bin, sondern in meinem Bett, in meiner Wohnung. Mein Körper fühlt sich an, als hätte ich Kerberos drei Tage lang ohne Pause auf dem Rücken getragen. Ich habe kaum Kraft aufrecht im Bett zu sitzen. Grübelnd knabbere ich an meinem Fingernagel. Ich kann es nicht erklären, aber da ist etwas ganz tief in meinem Hinterkopf verankert, dass ich aus irgendeinem Grund nicht ganz greifen kann. Eine Erinnerung so schwach, dass man darüber streiten könnte, ob sie nicht doch nur Einbildung ist. Die Erinnerung an Morax, eine unbekannte Stimme, die meinen Namen gerufen hat, und ein tiefer Schmerz...
Aus Gewohnheit will ich meine Schläfen massieren, doch kaum als ich die empfindliche Stelle berühre taucht ein starker Druck auf und lässt mich hart zusammenfahren. Stöhnend halte ich meinen Schädel und kneife fest die Augen zusammen. Der Schmerz ist beinahe lähmend, ich muss mich zusammen reißen nicht das Bewusstsein zu verlieren. Verdammt, was ist mir bitte passiert? Und wieso erinnere ich mich nicht?!
„Dantalion."
Morax Stimme lässt mich aufblicken, meine Finger verharren an der schmerzenden Stelle. Mit dem bisschen Kraft das ich habe hieve ich mich aus dem aus dem Bett und laufe zur Zimmertür, um sie zu öffnen. Die Kopfschmerzen sind höllisch. Dahinter steht er mit einem roten Klemmbrett zwischen den Händen und liest sich vermutlich das geschriebene darauf durch.
„Was gibts."
Morax richtet seine blauen Augen auf mich.
„Es geht um Seele 100. Hier hast du alles, was du über sie zu wissen brauchst.", ohne auf meine Antwort zu warten drückt er mir das Klemmbrett an die Brust und dreht sich zum Gehen um.
„Sie?", irritiert starre ich erst das Klemmbrett und dann die rechte Hand des Herren an. „Schon wieder ein Mädchen?"
Das regt mich insgeheim etwas auf. Weibliche Seelen einsammeln ist nicht nur unfassbar nervig, sondern auch zeitaufwendig. Zumindest die meisten. Wenn man Glück hat erwischt meine eine, die sich direkt auf einen einlässt und kann ihr bald darauf die Seele abluchsen. Wenn man allerdings Pech, kann sie mit ihrem geringen Selbstwertgefühl diesen ganzen Prozess sinnlos in die Länge ziehen. Ich könnte nicht eine einzige Mädchen Seele aufzählen, die mir nicht absolut auf die Eier gegangen ist.
Ein schelmisches Grinsen bildet sich auf Morax Gesicht.
„Willst du dich beschweren?"
Seine Worte jagen mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken und ich berühre rein instinktiv mein Kinn. Dort ertaste ich unerwartet eine dicke Kruste, weshalb ich verwirrt die Augenbrauen zusammenziehe. Wann habe ich mich denn verletzt?
Vorsichtig kratze ich ein paar Mal kurz über die Wunde, bis mich ein tiefer Schmerz überrascht. Dieses Gefühl... Das ist es. Wie in einem Rückblick aus einem Film brechen die Erinnerungen auf mich herein. Wie ich vor dem Schloss des Herren stehe und mich am Türklopfer verbrenne. Wie der Herr mich lobt und kurz darauf einfach so wütend auf mich wird. Wie Morax mein Kinn gegen den Boden schmettert...
„Du warst es Morax...", murmle ich, die Augen wie ein Wahnsinniger auf den Dämon fixiert. Der Schock steht mir ins Gesicht geschrieben, während ich beobachte, wie sich Morax Körper nach und nach sich anspannt. Wie so oft verändert sich seine Augenfarbe, wird vom schönen, klaren Blau, zu einem blutigen rot und seine Adern am Hals stechen deutlich hervor. Doch in diesem Moment verspüre ich das erste Mal keine Angst, sondern Abneigung. Abneigung gegenüber Morax. Ich kenne Morax mein Leben lang. Er ist nicht nur unser Ausbilder, sondern auch die einzige Familie, die meine Brüder und ich haben. Er sagt immer nur er würde uns umbringen und gibt uns dann höchstens ein paar Hiebe, aber noch nie hat er es gewagt uns wirklichen Schaden zuzufügen.
„Ich glaub's einfach nicht, dass du mich verletzt hast.", fassungslos starre ich meinen Ausbilder an. Wortlos packt er mich am Kragen meines schwarzes T-Shirts und zieht mich an sein Gesicht heran. So nah, dass ich seinen Atem spüren kann. Reflexartiges grabe ich meine Finger in seinen Faust.
„Das nächste Mal bringe ich dich einfach direkt um, wenn dir das lieber ist."
Ein wütendes Knurren verlässt unwillkürlich meine Kehle.
„Ist dir klar, was mit unserer Familie passiert, wenn die Jungs herausfinden, dass du mir was getan hast? Sammael wird dich hassen. Und Akuma wird maßlos enttäuscht von dir sein."
„Sei bloß ruhig.", droht er, worauf ich sofort verstumme. „Dir fehlt jedes rationale Denken, Dantalion. Hätte ich dich in dem Moment nicht bestraft, hätte es Abby getan. Und du würdest jetzt mit Sicherheit keine hundertste Seele einsammeln dürfen."
„Was?", schnaube ich, versuche nebenbei seinen Griff an meinem Kragen zu lockern.
„Mit deiner Schleimerei und der Bitte um Vergebung hast du Abby das Gefühl gegeben, dass du ihn nicht respektierst. Ich musste beweisen, dass ich noch irgendeine Form von Autorität über dich besitze und nicht als dein Ausbilder versagt habe."
„Du hast auch nicht versagt!", widerspreche ich und fange mir so eine harte Faust gegen den Hinterkopf. Der Schlag schmerzt zwar, aber dieser Schmerz kommt mir bekannt von. Das fühlt sich schon eher an wie Morax.
„Durch dein vorlautes Mundwerk und dein dreistes zu spät kommen habe ich sehr wohl versagt!", faucht er. „Warum sonst hättest du dich getraut vor der Tür herumzutrödeln!"
„Ich war doch pünktlich", brumme ich „Aber die Tür-„
Mit einem Mal packt er mein Handgelenk und dreht es ohne zu zögern gegen den Uhrzeigersinn, um sich die Brandblasen anzusehen.
„Aua! Morax, das tut weh-„
„Rede' mir keine Kante ans Ohr.", knurrt er. „Willst du jetzt der erste Dämon des Feuers werden, der sich am Höllenfeuer verbrennt?!"
Genervt entreiße ich ihm meine Hand.
„Ich weiß doch selbst nicht, wie das passieren konnte!"
Mit seiner Geduld wohl am Ende, lässt Morax zwar von meinem Kragen ab, packt dafür diesmal meinen Kiefer und zieht mich an sich heran.
„Lass das eine Warnung an deinen Dickschädel sein.", zischt er und drückt dabei vielsagend seine scharfen Fingernägel so tief in meine Haut, dass ich mir auf die Zunge beißen muss, um nicht laut aufzuschreien. „Solltest du es noch einmal wagen den Herren länger als eine halbe Sekunde warten zu lassen, werfe ich dich mit meinen eigenen Händen ins Feuer der Verdammnis und lasse deinen Körper anschließend von Kerberos fressen."