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"Rede es dir ruhig weiter ein. Die Kleine hat dein Ego gekränkt und das weißt du.", grinsend wackelt der Idiot mit den Augenbrauen.
"Einen Scheiß hat sie!", ich schlage dem Idioten mit der Faust gegen die Schulter und bringe ihn zum Schweigen. "Genug mit dem Mist. Mein Ego ist nicht angekratzt, verstanden?"
Die Wahrheit ist, mein Ego ist sehr wohl angekratzt. Wenn auch nur ein bisschen. Es stört mich, dass ich diesen Tritt abbekommen hatte. Normalerweise liegen die Frauen mir entweder zu Füßen oder haben Angst vor mir. In guter Abwechslung natürlich. Aber noch nie wurde ich... so behandelt.
"Was habe ich falsch gemacht?", murmle ich gedankenverloren.
"Aha!", ruft Kevin plötzlich aus und schiebt mir seinen Finger ins Gesicht. "Du bist also doch nicht darüber hinweg."
Ertappt brumme ich. "Na gut, du hast ja recht. Es nervt mich ein wenig. Schließlich bin ich diese Behandlung nicht gewohnt."
"Ich bete zu Gott, dass dir das öfter passiert.", meint er und schickt ein übertriebenes Stoßgebet in den Himmel, woraufhin ich ihn mit einem Kick vom Stuhl befördere.
"Ah!"
"Können wir das Thema jetzt lassen? Ich hab eigentlich was wichtiges zu erledigen und brauche deine Hilfe."
Fluchend setzt er sich wieder auf "Und wobei darf ich dir behilflich sein?"
Aus der Hosentasche meiner Hose krame ich den Informationszettel hervor und lege ihn zwischen uns auf den Tisch "Ich suche dieses Mädchen."
Ein wenig verstört mustert er das Papier.
"Sind das Informationen die du über sie gesammelt hast?"
"Ja."
"Ist das ein neues Opfer?"
"Ja."
"Alter, du bist echt creepy.", murmelt er, was mich nicht weiterkümmert.
"Sagt dir ihr Name irgendwas?"
"Willow Carter? Nein. Aber schöner Name, gefällt mir." Ja, mir auch. Irgendwie.
"Kannst du mir helfen sie zu finden?"
"Naja, das wird sicher nicht ganz einfach. Immerhin haben wir scheinbar keine Ahnung wie aussieht. Was das ganze meiner Meinung nur noch creepier macht.", meint er mit kritischem Blick auf. Darauf erwidere ich nichts. Wie soll ich ihm das auch erklären? Für Seele 100 gibt es nun mal keine äußerlichen Informationen. Es soll den Schwierigkeitsgrad erhöhen.
"Aber du hast Glück. Ich schmeiße heute Abend eine Party in bei mir zuhause."
Eine Party? Das ist perfekt!
"Der Anlass?", frage ich scheinheilig.
"Ich habe heute 100 Kunden an einem einzigen Tag bedient. Das will ich feiern!"
Ich würde auch gerne schon feiern, Kevin...

Angewidert verziehe ich das Gesicht, als sich ein kichernder Rotschopf direkt neben mir in ein Blumenbeet übergibt.
"Menschen...", murmle ich verachtend und werde dann von Kevin weitergezogen. Je näher wir dem Haus kommen, desto lauter wird die Musik und kaum laufen wir durch die Tür spüre ich den Bass bis zu meinem Herzen. Ekelhaftes Gefühl.
"Komm schon, du Alien. Stell dich nicht so an. Das ist Spaß."
Erschrocken trample ich über den Körper eines auf dem Boden schlafenden Typen und seiner ebenfalls schlafenden Freundin im Arm.
"Eure Ansicht von Spaß ist also das Erbrechen und ... sich Flüssigkeiten aus Körperöffnung saugen lassen?", frage ich, als ich ein Mädchen in der Masse erblicke, das genau das tut. Das Gejubel ist wirklich unglaublich.
"Geschmäcker sind eben verschieden.", lacht er und drückt mir einen roten Becher in die Hand.
Verstört von der Show gerade eben schnuppere ich prüfend am Inhalt und habe das Gefühl meine Nasenhaare stehen in Flammen. Fluchend schiebe ich ihm den Becher wieder an die Brust.
"Was zum Hades ist das bitte?"
Kevin mustert mich mit zunehmender Verwirrung. "Willst du mir sagen du hast noch nie Alkohol getrunken? Du?"
Jetzt bin ich der verwirrte. "Wieso ist das so schwer zu begreifen?" Natürlich weiß ich, was Alkohol ist. Bei uns heißt es einfach anders und riecht um einiges süßer im Geschmack als das Gebräu der Menschen.
"Naja ich dachte so viele Frauen wie du alle abschleppst sind Partys und Alkohol genau dein Ding."
"Kein Bedarf.", ich schüttle den Kopf und sehe mich stattdessen um. Das ist echt widerwertig. Überall stehen angetrunkene Menschen. Manche von ihnen haben offensichtlich keinen Sinn für Privatsphäre und machen auf die obszönste Art und Weise in der Öffentlichkeit rum. Sowas gehört in den eigenen vier Wände ihr Tiere!
"Wieso bin ich nochmal hier?!", will ich genervt wissen. Ich habe vergessen, was der Sinn des Besuches dieser Party ist.
"Wenn deine Maus wirklich erst vor ein paar Monaten ihren Freund verloren hat, wird sie ihre Trauer höchstwahrscheinlich im Alkohol zwischen einem Haufen Jungs ertränken wollen. So wie jede andere 19-Jährige auch."
Verstehend nicke ich. Hört sich sinnvoll an.
"Blöd ist nur, dass wir nicht wissen, wie die Gute Dame aussieht, hm? Das würde unsere Suche immens verkürzen."
"Du hast recht, aber das bringt uns jetzt nicht weiter. Sieh dich um nach einem Mädchen, das allein herumsteht, möglicherweise den Tränen nahe ist und sich viel Alkohol rein kippt."
Kevin gibt mir ein Damen-Hoch und entfernt sich dann zu einer Menschen Gruppe, die grölend seinen Namen ruft. Augenverdrehend laufe ich ziellos in eine Richtung. Jetzt ist es so weit. Wenn heute nicht der Tag ist, an dem ich den ersten Kontakt zur Seele herstelle, werde ich wütend. Eigentlich kann ich das kaum beeinflussen. Schließlich hat sie ein Leben und ich? Ich habe ich keine Ahnung, wie sie aussieht. Verärgert drehe ich jedes Gesicht, an dem ich vorbeikomme, um und frage: "Was geht. Bist du Willow Carter?"
Und jedes Mal sagen sie entweder nein, kichert nur dumm, oder kotzen mir auf die Füße.
Als ich dann das nächste Gesicht umdrehe, scheiß ich mich halb ein und haue dem Menschen reflexartig eine rein.
"Aua!", erschrocken starren mich Sammaels große, blaue Kulleraugen an, während er sich die rote Wange hält.
"Scheiße Sam! Was machst du denn hier!", ich packe den Dämon an seinem grün karierten Holzfäller Hemd und ziehe ihn auf die Seite.
"Na was denkst du denn? Ich trinke!", ruft er begeistert und hebt seinen Becher so schnell in die Luft, dass ein Teil des Inhalts herausschwappt.
"Hopsa.", grunzt er daraufhin und leckt sich in aller Ruhe die nass gewordenen Stellen auf seinem Handrücken ab. Und kann Nichts weiter tun, als ihn sprachlos dabei zu beobachten. Als er dann fertig ist, hebt er seinen Blick und lächelt unschuldig.
Ich verdrehe abermals die Augen. "Du solltest gehen, Bruder. Das ist kein Ort für dich."
"Muss Aki dann auch gehen?", fragt er und zeigt mit seinem schwarzen lackierten Fingernagel auf die andere Seite des Raumes.
"Was?!" Ich folge seinem Finger und- ja. Da steht er. In der hintersten Ecke und macht mit irgendeinem schwarzhaarigen Mädchen in knapper Bekleidung rum.
"Das kann doch nicht wahr sein-" Wütend wende ich mich wieder an Sammael "Wieso seid ihr verdammt nochmal hier?"
Trotzig hebt er sein Kinn "Kevin hat uns eingeladen."
"Was habt ihr bei Abbadons Namen mit Kevin zu tun?!"
"Wir sind auch mit ihm befreundet! Dürfen wir nicht die gleichen Freunde haben wie du?!"
"Nein!"
"Du kannst uns nicht die Freundschaft mit Kevin verbieten!"
"Kann ich wohl! Ich verbiete es! Hier und jetzt!"
"Meine Fresse ihr seid echt auf jedem Planeten laut und unüberhörbar.", kommt Aki mit seiner Bekanntschaft im Arm angeschlendert. "Vor allem du David. Was ist schon wieder das Problem?"
"Ihr-"
"David will uns verbieten mit Kevin befreundet zu sein!", unterbricht mich Sam dreist und erntet dafür meinen Todesblick.
Unbeeindruckt beäugt mich mein älterer Bruder. "Rede' keinen Scheiß. Kevin ist auf der Erde eine gute Kontaktperson für alle Seelenräuber von Twilight Falls. Auf die können wir unmöglich verzichten. Sorry, Dave, aber Kevin gehört dir nicht."
Vollkommen angepisst knurre ich auf und stampfe auf direktem Weg zur Tür. Brüder zu haben nervt! Sie stehen mir nur im Weg! Ich wünschte ich wäre ein verdammtes Einzelkind!

Souls - Die letzte Seele | GrmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt